Die Sicht des Geistes

Ostern. Auch in diesem Jahr wird das übliche Prozedere die Feiertage beherrschen. Legionen von Spaziergängern, die mein Laufareal frequentieren werden. Wer kommt? Lärmende und rücksichtslose Menschen mit unangeleinten Hunden. Wer flüchtet? Zahlreiche Graugänse, die sich derzeit der Nachwuchsplanung hingeben und diverse weitere Tiere, die von der Invasion aus ihrem Heim der Ruhe vertrieben werden. Was bleibt? Müll. Direkt vor Ort entsorgt. Aber ich bin ein Narr, dies zu monieren. Was kann ich von einer unintelligenten, selbstzerstörerischen Spezies erwarten, die ihren – wohlgemerkt einzigartigen – Lebensraum als Müllkippe betrachtet und die Erde entsprechend wie Dreck behandelt? Alle Jahre wieder, alles wie gehabt.

Ich werde meine täglichen Läufe in die frühen Morgenstunden verlegen, um diesem alljährlich wiederkehrenden Eroberungsfeldzug aus dem Wege zu gehen. Einsamkeit. Stille. Harmonie. Frieden. Natur. Besinnung. Auf die verletzliche Blume am Wegesrand, die beharrlich dem Wind trotzt. Beobachtung. Der kleinen und unscheinbaren Dinge des Lebens. Das ist meine Welt. Nicht ein Spaziergänger wird das Hochwasserschutzgebiet so sehen, fühlen – wie ich es in der gelobten Abgeschiedenheit erleben darf.

Himmel und Hölle – um es mythisch zu formulieren. „Die Herrlichkeit der Welt ist immer adäquat der Herrlichkeit des Geistes, der sie betrachtet. Der Gute findet hier sein Paradies, der Schlechte genießt schon hier seine Hölle (Heinrich Heine). Ich wünsche all meinen Kommentatoren ein wunderbares Osterfest – dominiert von Frieden und Ruhe – innerhalb der Familie.

Himmel und Hölle

Ein gefürchteter und strenger Samurai ging einst einen kleinen und doch sehr berühmten Zen-Meister besuchen. „Meister“, sagte er in einem Ton, der sofortigen Gehorsam einforderte und keinen Widerspruch duldete, „lehrt mich das Sein von Himmel und Hölle!“ Der Zen-Meister sah zu dem mächtigen Krieger auf und entgegnete voller Verachtung: „Dich etwas über das Sein von Himmel und Hölle lehren? Überhaupt nichts kann ich dich lehren. Du bist schmutzig. Du stinkst. Deine Klinge ist verrostet. Du bist einfach nur widerwärtig und eine Schande für die hehre Kaste der Samurai! Geh mir aus den Augen! Hinfort! Ich kann dich nicht ertragen!“ Der Samurai war wütend. Er zitterte, wurde rot im Gesicht, ja, er war sprachlos vor Zorn. Er zog sein Schwert und hob es kraftvoll in die Höhe, um den alten Mann damit zu enthaupten. Der jedoch entgegnete ruhig und entspannt mit voller Sanftmut: „DAS ist die Hölle.“

Der verärgerte Samurai war plötzlich überwältigt. Die Erkenntnis kam aus dem Nichts. Das Mitgefühl und die Ergebenheit dieses kleinen alten Mannes, der sein Leben hergab, um ihm diese Lehre zu offenbaren und ihm die Hölle zu demonstrieren. Langsam senkte er sein Schwert, erfüllt von Dankbarkeit, unbekannten Gefühlen und plötzlichem Frieden. „Und DAS, ist der Himmel“, sagte der weise Zen-Meister milde. Und lächelte.

(ZEN-Anekdote) – Von mir modifiziert

21 Antworten zu “Die Sicht des Geistes”

  1. Guten Morgen Spotzl!

    Hier wäre es nicht so schlimm mit der Völkerwanderung, denn das Wetter ist sehr schlecht und es ist kalt. Ich hoffe, dass die Tiere bei dir nich zu arg verschreckt werden und die Menschen nicht all ihren Müll abladen. Aber, ich denke da wohl zu positiv.

    Die Zengeschichte gefällt mir richtig gut, da hast du wieder was feines augewählt!

    Frohe Ostern Spotzl! Auf dass du viele leckere Eierchen findest *hihi*

  2. Hier scheint die Sonne, blauer Himmel. Aber noch relativ frisch. Doch das hält die Horden nicht ab, mein Laufgebiet zu verschmutzen. Das geht seit Jahren so, wahrscheinlich war es nie anders.

    Ja, ich werde heute mit zwei großen Körbchen laufen. Nebenher Salami und Eier einsammeln. 😀

    Ebenfalls wunderbare Ostern! 🙂 *Knuddel*

  3. Wenn ich ganz viel Glück habe, werde ich heute wieder mit ein bissl Schnee beglückt *graus*.

    Hahhaha, ich stelle mir das genial vor, wie du da mit den Körben läufst und die Geschenke aufsammelst. Das wärs ja 😉

  4. Den Schnee kannst Du zu mir schicken. Ich hätte dafür Verwendung. 😉 *tröst*

    Genial? Theoretisch schon. Aber praktisch jagen mir dann Dutzende Kinder hinterher, denen ich vorher die Eier stibitzt habe. 😀

  5. Ja, gerne, ich schick ihn dir dann los :P.

    Du wirst doch so einer Horde Terroristen entkommen oder? *lach*

  6. Domo arigato! *verneigt sich*

    Du wirst doch so einer Horde Terroristen entkommen oder? *lach*

    Meine militärische Ausbildung liegt schon ein Weilchen zurück. Aber vermutlich kann ich mir noch Unterstände im Wald basteln und mich dann verstecken. 😀

  7. Vielleicht findest du ja eine Launenfichte – da kannst du dich verstecken. Da findet dich so schnell keiner. 😉

  8. Das ist eine hervorragende Idee! *lacht*

    Und schon sind wir wieder beim „Tarnen und Täuschen“. Mehr darüber im Artikel für Fortgeschrittene. 😉

  9. Guten Morgen, wollte ich schon schreiben *lach- es ist schon 14.15h

    Hallo, lieber Marcus-

    ja- da fühlen wir wieder gleich, was das Laufen angeht. Ich liebe die ruhigen Abendstunden- keiner da- Ruhe- Stille- auch wenn ich mit Nachtblindheit geschlagene dann nicht soviel Schönes sehe, wie Du 🙂

    Es ist mir das Liebste, alleine zu laufen- Ruhe- Stille- ich kann Deinen Absatz eigentlich nur wiederholen.

    Was da in der Natur abgeht- ich kann es auch nicht verstehen, was die Welt für Dreckschweine hervorbringt- obwohl dieser Begriff ja eigentlich gar nicht passt, auf die lustigen, quiekenden, rosa Gesellen 😉

    Wir werden es nie verstehen- die werden uns nie verstehen. Ich halte es für so wichtig und selbstverständlich, die Natur zu ehren- sie sauber zu halten. Sie in ihrer vielfältigen Schönheit dankbar zu genießen- daraus Kraft zu schöpfen…

    Merci für den wundervollen Zen-Text! Du weißt- ich habe eine große Schwäche dafür 🙂

    Er ist selbstredend- ich kann dem nichts hinzufügen.

    Ein besinnliches Osterfest- mit hoffentlich vollen Körbchen *lach Der Gedanke- wie Du es tatsächlich fertig bringst, damit Deinen Lauf zu starten- sehr amüsant!

    Liebe Grüße von Ines!

  10. Tempus fugit, liebe Ines! Ich nehme Deinen Satz als Erinnerung, um meine Bloguhrzeit zu ändern. Diese lächerliche und absurde Zeitumstellung wirkt sich selbst auf die Blogwelt aus.

    Ach, wahre Schönheit sieht man nicht mit den Augen, sondern mit dem Herzen. 🙂 Ruhige Abendstunden hören sich wunderbar an; vielleicht sollte ich auch mal wieder am Abend laufen. Ein Lauf in den Sonnenuntergang, der mich in den Horizont entführt… Herrlich, gell?

    Was da in der Natur abgeht- ich kann es auch nicht verstehen, was die Welt für Dreckschweine hervorbringt- obwohl dieser Begriff ja eigentlich gar nicht passt, auf die lustigen, quiekenden, rosa Gesellen 😉

    Da hast Du Recht! So sauber wie die Schweine sind, werden die meisten Menschen nie sein. Und das meine ich jetzt nicht in Richtung der Hygiene – wobei Schweine durchaus als sauber gelten. Manche Dinge kann man nicht verstehen, dafür sind sie zu absurd. Aber so ist das Leben, das menschliche Leben. Doch alles wird irgendwann einmal enden…

    Genug der trüben Gedanken! Ich hoffe, bei Dir scheint die Sonne ebenfalls so schön – wie sie hier den ganzen Tag leuchtet und wirst einen ähnlich grandiosen Lauf wie ich erleben. Ich muß gestehen, die Körbchen ließ ich doch zu Hause. Aber warten wir den Sonntag ab. 😀

    Angenehme Feiertage!

  11. Ich finde das auch furchtbar wie die Leute mit der Natur umgehen. Hier liegt auch überall Müll herum. Dazu kommen die vielen Scherben von denen es seit der Einführung des Dosenpfandes noch viel mehr gibt. Hat man mit dem Pflichtpfand erreicht das die Leute nicht mehr so viele Dosen in die Gegend schmeißen sind es jetzt Glasflaschen. So hatte ich gerade vor kurzem beim Rad einen Platten.

    Ich wünsche Dir wunderschöne friedliche Ostertage, ohne Menschenmassen, ohne Müll und ohne unangenehme Begegnungen mit (Kampf)-Hunden. 🙂

  12. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich durch solche Narren auch ein Platten und meine schöne Radtour fiel sprichwörtlich ins Wasser. Daß sich meine Müll-Prophezeiung so schnell bewahrheiten wird (in extremer Weise), hätte ich selbst nicht gedacht. Heute sah ich einen neuen Müllhaufen – riesig – und als Krönung lag in der Mitte ein Fernseher. Was soll man da noch sagen?

    Vielen Dank für Deine Osterwünsche; ich wünsche Dir ebenfalls angenehme Feiertage! 🙂

  13. Marcus – ich wünsche dir ein paar angenehme und ruhige Tage! Hoffentlich geht dein Plan der morgendlichen Läufe entsprechend in Erfüllung.

    Mir bleibt die Flucht verwehrt. Mehr Touristen bedeutet für mich ja noch mehr Arbeit – „Feiertage“ gibt es da nicht. Den alljährlich wiederkommenden Graus der Menschen zu monieren ist nahezu sinnlos. Ich bin aber froh, dass ich hier die Touristen zumindest ein wenig im Zaum halten kann.

  14. Dankeschön, Hannes! Bisher hatte ich Glück, entsprechend ruhig verliefen meine Läufe. Wenn man von schimpfenden Enten absieht, die sich sogar auf Bäumen verstecken und dann über mich „herfallen“. 😉

    „Mehr“ Touristen? Ich vermute, „mehr“ dürfte bei Dir derzeit noch untertrieben sein. Ja, es ist sinnlos, sie lernen es einfach nicht. Wenn Du das jedoch aktiv beeinflussen kannst, ist das aber viel wert.

    Vielleicht gelingt Dir temporär eine Flucht. 😉

  15. Hallo Marcus,
    es ist tatsächlich ziemlich doof, was die Leute für einen Müll mitbringen, wenn sie sich hinaus in die Natur wagen. Wenn sie ihn denn wieder mitnehmen würden, wäre es ja noch o.k. Doch gerade an schönen Tagen sieht es leider genau anders herum aus.
    Ja, auch ich liebe die ruhigen einsamen Zeiten für meine Läufe. Doch manchmal haben auch Läufe in geselliger Runde ihren Reiz. Ich hatte heute mal wieder das Vergnügen.
    Doch es sind Ausnahmen. Die Regel sind Läufe alleine in Ruhe und zu mir selbst. Sie sind durch nichts dauerhaft zu ersetzen. Das Wetter ist dafür zweitrangig (außer Schnee und Eis). Doch lärmende Menschen, die ihren Unrat einfach dort lassen, wo er überhaupt nicht hingehört, sind ein wirkliches Übel.
    Ich wünsche Dir schöne Ostertage mit angenehmen Läufen in ruhiger müllfreier Atmosphäre.
    Liebe Grüße
    Kornelia

  16. Daß sie ihren Müll wieder mitnehmen, ist zu viel verlangt. Was meinst Du, was ich schon alles erlebt und gesehen habe. Was mich auch extrem wütend macht, daß gestern irgendwelche „………..“ den Zaun der Schafweide beschädigt haben. Ohne Worte. Da darf ich gar nicht darüber nachdenken, was da für Typen unterwegs waren.

    Läufe in geselliger Runde finden bei mir so gut wie nie statt. Respektive so selten, daß ich sie gesondert zähle. Aber ja, wenn sie denn stattfinden, weiß ich das zu schätzen. Dennoch bin ich ein Einzelkämpfer, der nur in der Einsamkeit die Welt wirklich genießen kann.

    Danke für Deine österliche Antwort, ich wünsche Dir ebenfalls wunderbare Feiertage!

  17. Lieber Marcus,

    die Sorglosigkeit und Respektlosigkeit unserer Spezies gegenüber unserem höchsten Gut, der Natur, ist eine Schande. Auch ich darf da nicht näher drüber nachdenken, erfüllt es mich doch mit Zorn und absoluter Verständnislosigkeit! Was glaubt der Mensch eigentlich wer er ist? Nicht, noch weniger als nichts und mit abstand das sinnloseste und überflüssigste Wesen auf unserem Planeten. Selbst wenn wir uns mit allen Atomwaffen auf einmal in die Luft jagen, die Tier- und Pflanzenwelt wird uns überleben. siehe Nukleartestinseln in der Südsee!
    Wann werden wir endlich begreifen MIT und nicht GEGEN die Natur zu leben, sie zu ehren und zu schätzen und endlich verstehen, dass wir MINDESTENS genauso viel ihr zurückgeben müssen als wir von ihr nehmen. Wahrscheinlich nie….traurig.

    Melanie und ich wünschen Dir geruhsame Osterfeiertage in Harmonie und Zufriedenheit,
    Steffen

  18. Lieber Steffen,

    an dieser Stelle spreche ich Dir meinen Dank für Deine schöne Antwort aus. Diesen Absatz müßte man ausdrucken und in Schulen etc – sowie in den Großunternehmen respektive bei ihren Vorständen verteilen – und natürlich auf Regierungsebene. Ein wenig Demut täte unserer Spezies gut. Die Natur braucht uns nicht, wir sie schon. Und doch zerstören wir sie, wo wir nur können. Welch irreales Verhalten.

    Aber die ultimative Quittung erhalten wir noch. Wenn wir unser selbstzerstörerisches Potenzial ausgelebt haben und der evolutionäre Irrtum (Menschen) korrigiert wurde, neigt sich die Blume am Wegesrand im Wind und ein kleiner Käfer krabbelt über einen 100 Euro Schein, der in der Natur verrottet…

    Genug der Finsternis. Mögt auch Ihr wunderbare Tage verbringen, ebenfalls in Glück und Zufriedenheit und wie ich Euch kenne, werdet Ihr das mit einem schönen Läufchen krönen! 🙂

  19. „Die Herrlichkeit der Welt ist immer adäquat der Herrlichkeit des Geistes, der sie betrachtet. Der Gute findet hier sein Paradies, der Schlechte genießt schon hier seine Hölle (Heinrich Heine).

    Dieses Zitat, lieber Marcus, hat mich schon immer begeistert. Das trifft den Nagel auf den Kopf und ist zudem trefflich gut formuliert. Leider weiß ich nicht mehr, aus welchem Werk von Heine dies stammt.

    Es ist immer wieder schön, mit dir deine Empfindungen beim Laufen teilen zu dürfen – und du hast recht: Kein Spaziergänger und schon gar kein Autofahrer wird diese Welt mit einem Läufer teilen können.
    Es ist soo schön, so oft das „Paradies“ – um mal bei Heine zu bleiben – zu sehen.

    Ich hatte heute ein sehr unschönes Erlebnis. Vor einigen Wochen haben sie ein Teil des Niddaradweges geradezu „zugepflastert“ – der Weg ist jetzt fast wie eine Straße und siehe da – es dauerte auch keine 5 Minuten bis mir das erste Auto entgegenkam. Erlaubt ist das nicht – aber wen interessiert das schon? Und wieder wurde der Natur ein Stück ihrer Existenz geraubt. Ist das nicht beängstigend?
    Viele liebe Grüße
    Petra

  20. Ja, die Sicht des Geistes. Heine hat es perfekt formuliert und die kleine Zen-Geschichte ergänzt dies trefflich.

    Nur wenige Menschen überhaupt können das in einer ähnlichen Form nachvollziehen. Die meisten sind heutzutage viel zu oberflächlich. Aber so ist unsere Gesellschaft nun einmal.

    Dein Erlebnis kommt mir sehr bekannt vor. Ich kann Deinen Ärger gut verstehen. Meine frühere Laufstrecke am Kanal war einst ein Traum. Eine Allee, im Sommer konnte man den Himmel nicht sehen, weil die Bäume so ineinander wuchsen. Aber hier ist die Natur nicht gern gesehen. Heute sind alle Bäume vernichtet, ein steriler Weg wurde planiert. Widerwärtig ist das. Bei Dir ist das wohl ähnlich. Ja, beängstigend, sehr. Unfaßbar! 😦

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