on 7. Januar 2010 by Täglichläufer
Ergänzung. Heutiger Lauf.
Insgesamt 13 Kilometer, bei -08 C° in der weißen Winterwelt. Auf dem Damm traf ich Beagle Bruno zum vierten Mal in dieser Woche. Mit seinem Besitzer unterhielt ich mich und nebenher streichelte ich den lieben Bruno. Weiterhin flanierte in meinem Laufareal eine Grußfreundin von mir, die ihren Kampfhund Smash ausführte – ihr geparktes Auto am Waldrand hat mir ihre Anwesenheit längst verraten. Wir sprachen über ihren Hund, der mir schon immer suspekt war, doch stets vorbildlich angeleint. Der Beaglehalter erzählte mir, daß bei ihrer Begegnung – sie die Leine vom Kampfhund mehrfach um einen Baum wickelte, so konnte er ungehindert vorbei. In der Ferne kehrte sie mit großen Schritten zurück und Bruno und sein Herrchen verabschiedeten sich schnell. Ich lief weiter und hatte ein seltsames Gefühl. Als ob ich es geahnt hätte.
Nun waren sie vor mir, ihr Hund auf der linken Seite, ich wich nach rechts aus. Zehn Meter vor mir lachte sie mich an und sagte: „Ich habe dich heute gar nicht erkannt!“ – da ich lange Bekleidung trug. Ich lächelte und antwortete auch, aber was ich sagte, ist aus meinem Gedächtnis gestrichen. Nachdem ich sie passiert hatte, kam ich noch zwei Meter weiter – als plötzlich ihr ca. 55 Kilogramm schwerer Kampfhund hinter mir herjagte. Ich dachte, ich wäre im falschen Film. Ich lief in den vergangenen Jahren hunderte Male an ihm vorbei, nie war etwas. Ich erhöhte mein Tempo und dann sah ich, daß die Halterin ihn nicht mehr festhielt – er war frei. Ich traute meinen Augen nicht, sofort blieb ich stehen und brüllte ihn an, „HAUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU AAAAAAAAAAAAAAAB“. Er stand einen Meter vor mir und knurrte mich aggressiv an. Ich brüllte ihn weiter an, an meine Waffe dachte ich in keiner Sekunde.
Beim letzten Angriff war ich dermaßen wütend, daß ich den Dobermann
angreifen wollte, heute war das Gegenteil der Fall. Zum ersten Mal überhaupt, hatte ich Angst. Die Besitzerin kam nicht näher, sie rief nur, er möge zu ihr kommen. Widerwillig trottete er irgendwann zu ihr hin und sie sprach auf ihn ein, „Du kennst ihn doch, du kennst ihn doch!“. Sie entschuldigte sich bei mir und sagte, daß sie damit nie gerechnet hätte“. Es war dem Hund anzusehen, daß er von meinem lauten Brüllen irritiert war, gleichwohl war es erstaunlich, daß er seinen Angriff abbrach. Ich bin schon oft mit der Halterin spaziert, einmal sagte sie zu mir, „Ich wundere mich, daß er dich an meiner Seite toleriert. Sonst erlaubt er das nicht.“ Etliche Male habe ich mich amüsiert, wenn er unverhofft stehen blieb, für seine Besitzerin war es, als ob sie gegen eine Wand läuft, so wurde sie durch das Kraftpaket zurückgezogen.
Anschließend wertete ich das Geschehen mit dem Besitzer von Bruno aus, er wurde mehr oder weniger Zeuge meines heutigen Erlebnisses. Es entspricht nicht meinem Wesen, mich von Hunden oder sonst wem einschüchtern zu lassen, doch in Zukunft werde ich diesen Kampfhund meiden. Eine Begegnung dieser Art reicht mir völlig und ich bin nicht so verrückt, eine derartige Situation auch nur im Ansatz allein durch meine Präsenz erneut herauszufordern. Ich weiß nicht, für wen der Schock größer war, für die Halterin oder für mich. Aber dieses Erlebnis muß ich erst einmal verarbeiten. Ich kann es nicht glauben, daß mich schon wieder ein Angriff heimsuchte. In naher Zukunft kann von entspannten Täglichlaufen keine Rede mehr sein. Nun werde ich wieder vorsichtig angriffsbereit durch die Wälder laufen, wie vor vielen Jahren. Ich hasse das.
Ergänzung Ende.
Das gleiche alte Lied. Zum Ende des sterbenden Jahres respektive zu Beginn der hoffnungsvollen, neuen Zeit wachsen besondere Blumen in den geistigen Gärten. Riesige Flächen sind regelrecht erobert worden, von jenem geheimnisumwitterten Gewächs, welches undiszipliniert wuchert. Die meisten davon werden nicht groß, verdorren und vergehen in das Schattenreich – ohne zur Blüte gereift zu sein. Nur einige von ihnen werden einen Sproß entwickeln und noch viel weniger werden eine Blüte hervorbringen und mehrjährig gedeihen. Von welchen Pflanzen ich spreche? Den blumigen Vorsätzen. Überall tönt es derzeit in gewichtigen Worten: „Abnehmen! Mehr Sport! Rauchen einstellen! Mehr Bewegung! Gesund leben!“ Oder gar, „Täglichlaufen!“. Ein sich wiederholendes Ritual. Vorsätze, die das logische Scheitern in sich bergen. Das gleiche alte Lied.
Wenn ich mein Leben ändern will, dann mache ich das. Sofort. Ein exponiertes Datum, sozusagen als definierten Startpunkt in der Zukunft zu etablieren, ist gleichsam sinnfrei wie unnötig. Wer einmal erkannt hat, daß seine Lebensweise nicht mit den essentiellen Forderungen des Körpers und des Geistes harmoniert, wird sein Verhalten adäquat ändern und bei entsprechendem Ernst auch langfristig leben. Ohne spezielles Datum. Einfach so. Von hier auf jetzt. Weil es ihm wichtig ist. Weil es nötig ist. Für sich und seinen Körper. – Krankheiten seien hierbei natürlich ausgeklammert. Die Erkenntnis beginnt im Kopf und bedarf kein neues Jahr, um einen Anfang zu legitimieren, der bereits in sich den Widerspruch birgt.
Und für jene Menschen, die sich wohl fühlen, so wie sie sind und sich zu Vorsätzen von anderen Personen verleiten lassen – die kenne ich auch – entwickeln mit ihren fragwürdigen Absichten eine Art von Druck, der per se kontraproduktiv ist und sich als fataler Bumerang erweisen wird. Man kann niemand missionieren und von etwas überzeugen wollen, was jene Person von sich aus gar nicht möchte. Und sei es noch so gut gemeint. Überzogene Erwartungshaltungen. Sich als erwachsener Mensch zu ändern, ist alles andere als leicht und vielleicht auch nicht immer erforderlich – sofern man sich wohl fühlt, sich selbst akzeptiert und schätzt. Folgende Anekdote stellt ein denkwürdiges Beispiel dar, daß wir unser Umfeld so akzeptieren sollten, wie es ist und nicht dahingehend anmaßend zu manipulieren, daß es sich ändert. Ein Weg, der nicht in die Zufriedenheit führt. Denn wir sollten unsere Schwächen – wer definiert das, mit welchem Recht? – nicht verstecken und negieren, sondern dazu stehen – sie gehören zu unserem Leben und bilden ein Teil unserer Persönlichkeit. Dadurch wird das Leben doch interessant, oder?
Der Sprung in der Schüssel
Vor langer Zeit lebte eine alte Dame, die zwei große Schüsseln besaß und die von den Enden einer Stange hingen, welche sie mühsam über ihre Schultern trug. Eine dieser Schüsseln hatte einen großen Sprung, während die andere makellos war und stets eine volle Portion Wasser faßte. Am Schlußpunkt ihrer langen Wanderung vom Fluß zum Haus war die fehlerhafte Schüssel jedoch immer nur noch halb voll.
Zwei Jahre lang geschah dies täglich. Die Dame brachte immer nur anderthalb Schüsseln Wasser mit nach Hause. Die makellose Schüssel war natürlich sehr stolz auf ihre überragende Leistung – fast schon arrogant – aber die arme Schüssel mit dem Sprung, schämte sich wegen ihres Makels und war betrübt und tieftraurig, daß sie nur die Hälfte dessen verrichten konnte, wofür sie ursprünglich gemacht worden war.
Nach zwei Jahren, die ihr wie ein endloses Versagen vorkamen, sprach die Schüssel zu der alten Dame: „Ich schäme mich so sehr wegen meines Sprungs, aus dem den ganzen Weg zu deinem Haus immer das Wasser hinausläuft.“
Die Dame lächelte wissend: „Ist dir je aufgefallen, daß auf deiner Seite des Weges wunderschöne Blumen blühen, aber auf der Seite der anderen Schüssel nicht?“ „Ich habe auf deiner Seite des Pfades Blumensamen gesät, weil ich mir deines Fehlers bewußt war. Nun gießt du sie jeden Tag, wenn wir nach Hause gehen. Zwei Jahre lang konnte ich diese herrlichen Blumen pflücken und den Tisch damit schmücken. Wenn du nicht genauso wärst, wie du bist, würde diese Schönheit nicht existieren und unser Haus beehren.“
Jeder von uns hat seine ganz eigenen Macken und Fehler, aber es sind die Schwächen, Sprünge und Fehler, die unser Leben so interessant und lohnenswert machen. Man sollte jede Person einfach so nehmen, wie sie ist und das Gute in ihr sehen. Oder sich zumindest bemühen und die anderen Menschen, die einem fremd erscheinen, zu verstehen – und nicht zu ändern.
(ZEN-Anekdote) – Von mir modifiziert