In der Rolle des Beobachters – Part II
Nach langer Zeit reaktiviere ich diese Thematik und fasse ein paar unspektakuläre Beobachtungen aus dem Alltag zusammen, partiell durchaus ironisch formuliert. So geschehen in dieser Woche in Potsdam.
Im Bahnhof auf den Bahnsteigen sind sogenannte Raucherzonen etabliert. Mit gelber Farbe sind Linien eingezeichnet, direkt auf dem Bahnsteig ohne explizite Abgrenzung – ein sinnvoller Schutz für Menschen, die diesem Laster nicht frönen, zumal sich der Rauch natürlich an diese Umrandung hält. Umschlossen von diesen Linien sind besonders viele junge Damen zu erspähen. Rauchwolken verpesten die Luft. Ein Zug fährt ein, Menschen steigen aus und ein. Sehr viele von den Aussteigenden zünden sofort eine Zigarette an, wiederum mehrheitlich Frauen. Rettung in letzter Sekunde. Mir unverständlich. Natürlich kann ich das nicht verstehen, da ich noch nie geraucht habe. Manche sprinten an mir vorbei und sie bemerken nicht einmal die Rauchfahnen, die sie hinter sich herziehen und die mir fast den Atem rauben. Vielleicht sollte die Bundesregierung ihr heuchlerisches „Nichtraucherschutzgesetz“ korrigieren. Bei echtem Interesse, die Bürger davor zu bewahren, hätten sie die Tabakwaren selbst verboten, was natürlich utopisch ist, schließlich ist die Steuer fest im Etat, bzw. Haushalt einkalkuliert. Dazu dieses unsägliche föderale Gezeter auf Länderebene, hochgradig lächerlich – denn sie wissen nicht, was sie tun. Wie dem auch sei, ich hasse diesen Rauch.
Ebenfalls auf dem Bahnsteig fällt mir ein sehr beleibter Mann auf, der beide Hände voll mit Fast-Food- „Essen“ hat, welches er genüßlich konsumiert. Er zählt zu jener Kategorie Mensch, die nur Aufzüge und Rolltreppen nutzen. Bevor ich weiter über seine Gesundheit nachdenken kann, kündigt sich ein Tumult an. Lautes Rufen von mehreren Personen. Prompt tauchen vier Polizisten auf, die einen Mann vor sich herschieben. Er wird in die pseudorestriktive Raucherecke gedrängt und damit er nicht flüchten kann, wird er umringt. Ein kleines Männchen, kaum mehr als Haut und Knochen, lange Haare, vielleicht 165 cm hoch in Jeanskleidung; rauchend und offensichtlich betrunken. Dieser Mensch mag nicht dem Klischee eines „Normalbürgers“ entsprechen, wenn es besagten Bürger denn gäbe, aber eine Gefahr stellte er gewiß nicht dar. Vier Polizisten waren meines Erachtens völlig übertrieben, zumal sie ihre Macht demonstrierten. Er torkelt und wird sogleich von einer Polizistin mit ihrem behandschuhten Finger zurückgedrängt. Oh, welch Heldentat! Vier Ordnungshüter, davon die beiden männlichen sehr korpulent und alles andere als durchtrainiert, halten einen Wehrlosen in Schach. Zweifellos ist mein Eindruck subjektiver Natur, jedoch, die Freude der Polizisten an ihrer eklatant wichtigen Dominanz ist unübersehbar. Wie auch immer, mir tat er Leid, eigentlich bedauernswert. Letztendlich ist dieses Verhalten nicht gerade ein Paradebeispiel für eine vertrauensbildende Maßnahme seitens der Exekutive.
Vom S-Bahn Bahnsteig gegenüber schallt es durch die Lautsprecher: „Nicht einsteigen!!! Bleiben Sie zurück!!! – in einem höchst unfreundlichen Ton. Sinnloses Rufen. Sind die Türen der S-Bahn einmal geschlossen, kann die Aufsicht noch so böse rufen, ändern tut sich damit nichts, theoretisch sollten sie es wissen. Aber grau ist alle Theorie. Später spricht mich eine Chinesin an, mit einem strahlenden Lächeln und einer viel zu großen Brille auf der kleinen Nase. „Nixoding?“ – oder so ähnlich erklingt es in meinen Ohren. Ich versuche es mit „Wie bitte?“ und sie antwortet immer noch lächelnd: „Nixoding??“. Ich frage in Englisch nach, auch das versteht sie nicht. Schade. Sie zieht weiter und würde wohl jedweden Wettbewerb in Freundlichkeit bravourös gewinnen.
Tempus fugit – die Zeit verflüchtigt sich, neue Menschen kommen und gehen. Aber die interessanten Erlebnisse gehen nicht aus, man muß sich nur umsehen und aufmerksam die Welt betrachten. Mögen die Situationen noch so seltsam sein – ich liebe es – die Rolle des Beobachters einzunehmen. Das Leben ist nicht langweilig. Nie.
13. September 2008 um 08:22
Ich finde das mit der Chinesin so süss *g*. Ich stell mir das grad so vor 🙂 Du riesig, sie winzig *lach*
Ich gehe nicht soooo mit offenen Augen durch die Gegend wie du, aber ich beobachte sehr gerne zb. in Fußgängerzonen die Menschen.
13. September 2008 um 08:23
Die war einfach nur drollig! Und soooo freundlich, das fiel richtig auf. 😀
In Fußgängerzonen kann man noch mehr beobachten, da stimme ich Dir zu!
13. September 2008 um 11:03
Was du da von den Polizisten geschildert hast, ist mir auch schon öfter aufgefallen – diese zur Schau gestellte Macht! – Als neulich ein Mädchen von einem Mann – ungewollterweise – festgehalten wurde, mein Mann helfen wollte und dann auch von dem Mann bedroht wurde, haben wir die Sicherheitsleute in der U-Bahnunterführung angesprochen und gebeten einzuschreiten …man konnte kaum mit ansehen, mit welcher Langsamkeit und mit welchem Desinteresse sie in Richtung des Päärchens liefen.
13. September 2008 um 12:39
Und dann soll man als Bürger diesen Personen vertrauen oder Respekt zeigen? Meines Erachtens, müßten solche Menschen aus diesem Dienst entfernt werden. Im Ernstfall hätten sie helfen können, durch besagte Langsamkeit wohl eher nicht. Schlimm!
13. September 2008 um 13:27
“ Mögen die Situationen noch so seltsam sein – ich liebe es – die Rolle des Beobachters einzunehmen. Das Leben ist nicht langweilig. Nie. “
Danke für diesen Bericht, und wieder kann ich vieles unterschreiben, am ehesten deinen letzten Satz.
Wie gut kann ich es nachempfinden, Beobachter zu sein, ich könnte stundenlang in einer Ecke schweigend verbringen und Menschen beobachten, den Kopf schütteln oder mich über Gesehenes freuen.
Das Leben wird nie langweilig, wenn man mit offenen Augen (allen Sinnen, das haben wir oft genug gesagt) unterwegs sind, und wir sehen Dinge, die andere schlichtweg übersehen, weil sie nur halb wach durch die Welt ziehen.
Danke ! 8
9
13. September 2008 um 13:30
Margitta, wir müssen irgendwann mal ein Läufchen gemeinsam wagen, bitte keine 100 KM 😉 – und anschließend setzen wir uns auf einen exponierten Platz und beobachten einfach nur. Dann laß uns die Köpfe schütteln oder eben nicht. 🙂
Danke für Deine Antwort!
13. September 2008 um 13:36
Lieber Blcksensei
Ich finde in Deinem Blog immer wieder intressante Themen und darum habe ich den “Ich liebe Deinen Blog Award” an dich weiter gegeben.
Liebe Grüsse zentao
13. September 2008 um 13:51
Lieber Zentao,
herzlichen Dank dafür! Ich fühle mich geehrt! 🙂
13. September 2008 um 16:59
Marcus, das ist ja mein Reden seit ewigen Zeiten – an mir soll es nicht liegen !
Wünsche dir einen wunderschönen Sonntg, die Sonne wird morgen scheinen, ich freue mich auf unseren Lauf ! 8)
13. September 2008 um 17:38
Merci, ebenso! Hier ist es sehr bewölkt, scheint mehr nach Regen auszusehen…
15. September 2008 um 09:13
Deine Worte könnten von mir stammen. Besonders die „Forderung“ nach einem völligen Tabak-Verbot, das die einzige wirkliche Möglichkeit des Nichtraucherschutzes wäre, habe ich auch schon oft geäußert. Warum stößt es nur auf so viel Unverständnis, eine Sache konsequent zuende zu denken?
Und dann das Thema Ordnungshüter, ob von staatlichen oder privaten Gnaden: Ich muss immer in mich hinein lachen, wenn ich zwei übergewichtige Polizisten auf Patrouille sehe. Wie die mich kriegen wollten, sollte ich mal irgendetwas anstellen. Da kann ich nur sagen: Pfefferspray und Selbstverteidigungskurs helfen besser. Es ist nicht nur zum Kopfschütteln, sondern haarsräubend 😦
15. September 2008 um 11:08
Die Politiker wissen ganz genau, was sie tun oder nicht tun. In meinen Augen ist das Problem, daß sie zu sehr von Lobbyisten unterminiert sind. Soll heißen, eigentlich diktiert die Wirtschaft, was in Gesetze gegossen wird oder eben nicht. Politiker haben weitaus weniger Macht als die meisten Menschen denken.
Bezüglich Polizisten gebe ich Dir Recht. Ich kenne auch einen Fall, wo ein durchtrainierter Kampfsportler mit Spezialausbildung Innendienst schiebt und die Dickerchen sind in der Realwelt unterwegs. Aber er meinte mal zu mir, „Sie haben Funkgeräte und können Verstärkung holen“. 😀 😉