Das EINE Geschenk

Der 17.03.2001 – mein letzter lauffreier Tag. Tempus fugit. Heute ist es nun fünf lange Jahre her, als ich das Ausnahmejubiläum von einer Dekade Täglichlaufen vollziehen und mich damit in der Konsequenz in körperliche wie mentale Höhen erheben durfte, die bis dato für mich ihresgleichen suchten und die ich bereits damals als nicht reproduzierbar definierte. So sei es. Es war für mich nicht abzusehen, wie viel Zeit ich künftig in mein geliebtes, Gelebtes Täglichlaufen noch investieren darf und ja, das war es nie – es war nie planbar; nicht einen einzigen Tag, nicht eine Minute von diesem fragilen Konstrukt. Demungeachtet habe ich meine Intention beharrlich fortgesetzt – Tag für Tag und Lauf um Lauf. Seitdem sind nunmehr fünf Jahre vergangen. Aus dem EINEN Tag wird, nein, wurde heute das EINE Geschenk. 15 Jahre Täglichlaufen. In der Tat, seit heute bin ich ein Täglichläufer auf der 15. Ebene. Seit heute praktiziere ich meine Täglichlaufserie seit 15 Jahren ausnahmslos. Die Dunkelfürstin bot exzellente Rahmenbedingungen feil – ein zärtlicher Hauch von Nieselregen in Kombination mit sanftem Nebel erschufen eine würdige Jubiläumsatmosphäre.

Ich hatte mir vorgenommen, einen ähnlich ausufernden Beitrag wie weiland vor fünf Jahren zu schreiben; ja tatsächlich, einen noch viel längeren. Dies wäre freilich auch angemessen. Als ich im Anschluß 150 Seiten vorformuliert hatte, beschloß ich, darauf zu verzichten und den heutigen einzigartigen Lauf wie Tag um so kürzer auf meiner Seite zu ehren und wertzuschätzen. Nach 15 Jahren Täglichlaufen und nach den zahlreichen Jahren, seitdem diese meine Seite existiert, ist wahrlich alles gesagt. Wie ich mein Täglichlaufen lebe und viel wichtiger noch – fühle, versteht ohnehin kein Mensch und schon gar nicht jene, die Laufen mit dem Wettkampfgedanken verbinden oder Marathonambitionen hegen und entsprechend praktizieren. Derlei ist Welten von meinem Täglichlaufen entfernt, was ich durchaus nicht negativ betrachte. Dennoch, wozu lange über diese Thematik sinnieren? Es ist vollbracht – 15 Jahre. In Kilometern betrachtet – anderthalb Mal um die Erde. Wahrlich bemerkenswert. Heute darf ich lächeln, stolz lächeln und genußvoll schweigen.

Im Rückblick kann ich nur konstatieren, daß es sich beileibe nicht wie 15 Jahre anfühlt; im Gegenteil, der Serienauftakt strahlt noch erhaben in meiner Erinnerung und auch jenes damalige Trotzgefühl, welches mein grundlegendes Tun initiierte, ist nach wie vor präsent wie greifbar und ja, war dieser Tag nicht erst vorgestern? Zeit. Eine menschliche Erfindung, willkürlicher Natur – mein Täglichlaufen verdeutlicht dies par excellence. Es ist bedeutungsvoll, was sich aus dem „Nichtwollen“ heraus entwickeln kann. Besonders aufschlußreich sind in diesem Kontext meine Laufaufzeichnungen, die jeden einzelnen Tag dokumentieren – darin könnte ich mich über Stunden verlieren; in all den Erlebnissen, Momenten und Erfahrungen. Vor kurzem formulierte ich: „Immer heller, tiefer und strahlender weist mich der Pfad des Täglichlaufens hinein in den immer intensiveren Jubiläumsschimmer und ich folge dieser Reise, in deren Verlauf am 18.03. das EINE Geschenk an mich selbst warten wird. Hierbei handelt es sich um ein unfaßbares Geschenk, welches sich mit allen Juwelen der Welt nimmermehr erwerben läßt; man kann es nirgendwo erstehen oder auch nur in schnöde Worte kleiden – diese Kostbarkeit generiert sich nur aus sich selbst heraus – aus mich selbst heraus, aus meiner belanglosen Wenigkeit. Tage kommen, gehen. Verblassen, verwehen. Vernehmliche Stille. Absolute Einsamkeit entfaltet sich. Finsterwolken. Tiefe Versunkenheit. Abgeschiedene Weite. Vollendeter Frieden. Trunken vor Glück. Das leben, was man liebt und lieben, was man lebt.

Wohlan, das ist es. Nun habe ich es in der Tat vollbracht – 15 Jahre Täglichlaufen – in Serie. Es gibt keine Worte dafür, diese Kostbarkeit hier gebührend festzuhalten, zu würdigen. Mir ist bewußt, daß ich das in meinem Leben nie wieder wiederholen kann, darf und werde – die daraus resultierende Wertschätzung – explizit auf die Zukunft bezogen – kann ich ebensowenig in Worte gießen. Was bleibt also? Das Wissen, mein Täglichlaufen von grundauf zu lieben und zu leben. In allen Facetten, in allen Nuancen – bedingungslos. Der gigantische Stolz auf mich selbst, auf mein Täglichlaufen bleibt indessen immer bestehen. Fürwahr. Wohin wird dieser Pfad mich wohl noch führen? Welche zufriedenen Höhen und herausfordernden Tiefen darf ich noch beschreiten? Und, wann wird es enden? Nicht heute und nicht morgen. Die unbarmherzige Regentin der Zeit wird es dereinst lehren und all jene Fragen endgültig für immerdar beantworten. Gelebtes Täglichlaufen – ich setze es fort. Schon morgen. Nicht weniger gnadenlos als die verrinnende wie omnipotente Zeit. Täglichlaufen. 15 Jahre. Ein großartiges, erhabenes Gefühl.