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Den Weg gehen – IX. 2014. Dreizehn Jahre, neun Monate. Das Schwere im Einfachen und das Einfache im Schweren.

Posted in Täglichlaufen. Philosophie., Täglichlaufen. Rückschau. on 18. Dezember 2014 by Täglichläufer

Täglichlaufen. Stolze Dreizehn Jahre und neun Monate in Serie. Auf meiner wunderbaren Reise durch das scheinbar endlose, weite Reich des Täglichlaufens gelang es mir – verbunden mit der lächelnden Zufriedenheit – eine weitere Ebene in diesem surrealen Stil zu realisieren und hernach zu festigen. Freilich hätte ich das nie für möglich erachtet, derart tief in diese mysteriöse, unbekannte Welt vorzudringen; zuerst unbewußt im Kontext einer wahrlichen Banalität; geboren im Trotz – sodann immer bewußter, immer aufmerksamer, immer wertschätzender, immer respektvoller, immer fokussierter und lebendiger – fürwahr, immer einnehmender. Allein wie simpel ist dieses Täglichlaufen! So einfach, so einfach! Natürlich banal, ja, natürlich. Und doch so schwer, so herausfordernd und so unsagbar diffizil. In den vergangenen Tagen fragte ich mich in ausgewählten Momenten, was ich hier eigentlich mache – eingehüllt in tiefer Finsternis, nur umgeben von eisiger Kälte und mich dem stürmischen Odem des Winters entgegen werfend – obgleich ich derlei Bedingungen doch übermächtig liebe, wollte ich flüchten – nur noch flüchten. Und ja, ich flüchtete und rannte und rannte und registrierte einmal mehr das Schwere im Einfachen und das Einfache im Schweren. Schlußendlich obsiegte der Widerspruch über sich selbst oder ich selbst über mich? Täglichlaufen ist ein wahrer Widerspruch in sich; muß es sein. Wie dem auch sei, starke und schwache Phasen kommen, gehen. Schlußendlich erhalten sie die bedeutende Demut und dafür bin ich dankbar. Temporäre Zweifel sind noch stets ein Garant für die gelebte Permanenz des eigenen Handels gewesen. So sei es.

In dem vergangenen Abschnitt, der kausal für die letzte Monatsrückschau in diesem Jahr verantwortlich zeichnet, alternierten die Temperaturen zwischen 04 °C und -05 °C und der frostige Weltgesang dominierte allenthalben. Indessen die Schneeregentin nach wie vor zur Fahndung ausgeschrieben ist. Dementsprechend erlebte ich 26 Kälteläufe und je ein Nebel- und Regenlauf. Vor nicht allzu langer Zeit traf ich in einem Restaurant auf einen höflichen Mann, der mich ansprach: „Sie sind doch der Läufer, der täglich in meinem Wald unterwegs ist!“ – nach einer latenten Verwirrung meinerseits erkannte ich den hiesigen Jäger, der mit seiner Freundlichkeit so gar nicht in mein Weltbild paßte. Um bei dem Thema zu bleiben, passierte ich am 14.12. mehrere Jäger, die sich gerade ihrem blutigen Tun hingaben, welche nicht minder freundlich waren und mich sogar winkend begrüßten. Demungeachtet kann ich derlei Agieren nur verurteilen; zumal sie an jenem Sonntag die freie Wasserfläche bestrichen, mutmaßlich also zutiefst harmlose Wasservögel töteten, um im Anschluß nicht mal physisch ihre Beute zu erreichen. Vollkommen absurd.

Am 20.11. durfte ich zum ersten Mal überhaupt beobachten, wie Schwäne miteinander kommunizieren. Ich stand am Ufer und drei Schwäne zu meiner linken und drei zu meiner rechten Seite führten eine Unterhaltung und jede Stimme hatte ihren ureigenen charakteristischen Klang. Seit so vielen Jahren durchstreife ich täglich mein Laufareal und derart viel Zeit mußte vergehen, bis ich derlei vernehmen durfte. Nicht weniger beeindruckend sind die Bläßhühner, die bei entsprechender Kälte gewaltige Kreise auf dem See bilden – zu Aberhunderten – und mit ihrem ausgeprägten Schwarz die Sicht weithin dominieren respektive absorbieren. Weiterhin zählt die Rettung der Blindschleiche zu einem Höhepunkt in diesem Monat und ich bin geneigt anzunehmen, daß sie aufgrund meines Eingreifens den allzu frischen Tagesbeginn überlebte.

So vergeht ein neuerlicher Monat Täglichlaufen für immerdar, der eben noch hoffnungsfroh in der dunklen Zukunft schwebte; Tag um Tag und Lauf um Lauf fließt in die unendliche Vergangenheit und mit jeder weiteren Sekunde, die seufzend hernieder in den Tod gefällt wird, verflüchtigt sich auch parallel dazu die begrenzte Lebenszeit von meinem unsichtbaren Konto, welches uneinsehbar ist, gleichwohl jedes Lebewesen besitzt. Wahrscheinlich wird nur noch ein Artikel in diesem Jahr folgen – der unvermeidliche Jahresrückblick – der zudem wieder mit offener Kommentarfunktion aufwarten wird, so es meine Zeit denn erlaubt. Doch jetzt geht meine Reise weiter; im Täglichlaufen. Wohlan Gelebtes Täglichlaufen, möge es beginnen!

19.11.2014 14 KM – x Schranken geschlossen
20.11.2014 14 KM – Kommunikation von Schwänen beobachtet
21.11.2014 14 KM – Kältelauf
22.11.2014 14 KM – Gespräch geführt
23.11.2014 14 KM – Gespräche, Frau erschreckt
24.11.2014 14 KM – Regenlauf
25.11.2014 14 KM – Gespräche geführt, Nebellauf
26.11.2014 14 KM – Gespräch geführt
27.11.2014 14 KM – Gespräch, Rückkehr der Schafe
28.11.2014 14 KM – Pirol beobachtet
29.11.2014 13 KM – Gespräch, sehr kalter Ostwind
30.11.2014 14 KM – See: schwarzer Kreis aus Bläßhühnern
01.12.2014 14 KM – Gespräch geführt
02.12.2014 14 KM – Kältelauf
03.12.2014 14 KM – Kältelauf
04.12.2014 14 KM – Kältelauf
05.12.2014 14 KM – Gespräch, Greifvogelbegegnung
06.12.2014 14 KM – Gespräch, Sonne & Nebel gleichzeitig
07.12.2014 13 KM – mehrere Gespräche
08.12.2014 14 KM – Schafe gestreichelt
09.12.2014 14 KM – Gespräch, Blindschleiche gerettet
10.12.2014 14 KM – Gespräch geführt, kalter Sturm
11.12.2014 14 KM – Gespräch geführt, kalter Sturm
12.12.2014 14 KM – Kältelauf
13.12.2014 14 KM – „lärmendes“ Eichhörnchen beobachtet
14.12.2014 14 KM – x Gespräche, Jägerkreaturen aktiv
15.12.2014 14 KM – Schranken geschlossen
16.12.2014 12 KM – Gespräch geführt
17.12.2014 10 KM – partiell glatt, Kältelauf
18.12.2014 10 KM – 13 Jahre und 09 Monate Täglichlaufen
Jahres-KM bis 18.12.2014: 4863 KM

Der Kreis schließt sich

Posted in Täglichlaufen im Fokus, Täglichlaufen. Philosophie. on 26. Mai 2011 by Täglichläufer

Eine exponierte Örtlichkeit im grünen Blätterhain an einem sommerlichen Frühlingstag. Meine Laufgeschwindigkeit verringert sich; erst langsam, sodann stetiger – bis ich den endgültigen Stillstand erreiche. Die Bewegung verharrt. Absolute Einsamkeit. Sie ist greifbar, ich kann sie fühlen. Sie umhüllt mich, schließt mich ein. Ich lasse meinen Blick schweifen und nehme allenthalben fein differenzierte Lichtspiele wahr. Vielfältige Kontraste. Ein goldener Sonnenstrahl äquivalent einem solaren Suchscheinwerfer durchbricht die höchsten Baumkronen und findet seinen würdigen Schlußpunkt auf der stillen Oberfläche des Weihers, welcher nur von zwei stolzen Schwänen grazil beherrscht wird. Das Wasser schimmert Diamantengleich und reflektiert das helle, ja grelle Glitzerschauspiel in seinem ureigenen Glanz. Konzentriert nehme ich diese edle Impression in mich auf. Anschließend schwenke ich minimal nach links.

Nur wenige Meter entfernt verliert das prächtige, omnipräsente Sonnenlicht seine wärmende Macht. Hier dominiert der düstere Wald, gleichwohl im rechten Teil noch zahlreiche Blätter ihr Licht genießen und mit kräftigen Grüntönen dank Mutter Sol reizen. Unmittelbar daneben schließt sich eine gedeckte Dunkelheit an. Ich drehe mich weiter und beobachte im dichten Blätterdach des allumfassenden Forstes eine kleine Lücke, die es mir ermöglicht direkt gen Himmel zu spähen. Welch tiefblauer Hintergrund wurde in den weiten Horizont gemalt! Welch mitreißendes Kunstwerk! Wer mag der talentierte Künstler sein? Nur wenige vereinzelte weiße Tupfer – Wolkenschiffe – gleiten durch das hehre Firmament der Unendlichkeit. Verschwinden. Wiederholt nehme ich die Drehung meines Körpers auf und bleibe dennoch an meinem Ausgangspunkt.

Finsternis. Die verheißungsvolle wie frühlingshafte Jahreszeit tat ihrem Namen alle Ehre und sorgt für eine grüne Welt, die scheinbar undurchdringlich ist. Die blättrigen Gewänder zollen einer unsichtbaren Dichte ihren Tribut und absorbieren jedwedes Licht und generieren eine kühlende Dunkelheit. Ein leiser Windhauch weht durch den Wald, streichelt mich für einen Moment, läßt die Blätter behutsam hin und her tänzeln, hebt ein einzelnes zärtlich empor, um es später liebevoll hernieder zu tragen und vergeht für alle Zeiten. Ich vollende meine Drehung um mich selbst, schließe den Kreis. Die wenigen eben beschriebenen Eindrücke lassen doch nicht erkennen, in welcher Intensität das natürliche Kontrastprogramm in dieser Sekunde an jenem Platz im Raum-Zeit-Kontinuum vorherrschte. Ich maße mir nicht an, das adäquat in Worte kleiden zu können. Die zahllosen Differenzierungen, nahtlos ineinander übergehende Abstufungen der gehaltvollen Facetten in dieser Schattenwirklichkeit offenbaren eine Komposition in Vollendung. Ja, der Kreis schließt sich. Und doch stand ich an der gleichen Stelle – aber mit jedem Zentimeter erschloß ich eine völlig andere, neue Perspektive, um am Ende wieder den Anfang zu erreichen, welcher jedoch nicht mehr identisch mit dem vorherigen Beginn war.

So wie sich dieser Kreis der Perzeption geschlossen hat – gleichwohl mehr geistiger Natur – so schloß sich auch der Kreis in meinem Täglichlaufen hinsichtlich meiner vollendeten Dekade. Was ich einst im März 2001 begonnen habe – aus welchen Gründen auch immer – hat im März 2011 sein Ende gefunden; freilich kein Ende in bezug auf mein Täglichlaufen. Ich spreche über eine geistige Ebene, nicht über das reale Agieren. Ich bin an jenem Tage wieder dort angekommen, wo es begonnen hat. Die Indikatoren schienen identisch mit den damaligen, was sie natürlich nicht waren. Nein, das konnten sie gar nicht sein. Der Kreis hat sich in zehn Jahren geschlossen; dies stellt eine gänzlich konträre Relevanz der Zeitebene dar – als die Drehung um mich selbst in zwei Minuten. Und doch, ja, eine latente Gemeinsamkeit läßt sich nicht leugnen.

Allerdings handelte es sich um keinen wahren Schlußpunkt, sondern mehr um eine Art Weiterentwicklung, eine neue Stufe der Selbsterkenntnis, gänzlich divergierender Natur im Sein. In dieser Form habe ich mein Täglichlaufen bisher nicht betrachtet. Doch ist dieser Prozeß noch nicht abgeschlossen. Mein Täglichlaufen hat mich zu einem anderen Menschen geformt; doch die Vollendung der Dekade hat mich erneut verändert und dies sehr tiefgreifend. Hierbei geht es mir nicht mehr um das banale Laufen respektive Täglichlaufen – das ist nur noch die sichtbare wie unbedeutende Ausführung meines Denkens. Die einst von mir propagierte Selbstdisziplin? Disziplin? Die vermeintliche „Serie“? Alles obsolet. Unbedeutend. Mir geht es nur noch um eines, ganz simpel – um Einfachheit. Um Einklang. Täglichlaufen im Einklang mit mir selbst. Ja, die Harmonie im Frieden. Das ist es. Die Quelle meiner Selbst im temporären Dasein meiner kümmerlichen Existenz – ich habe sie gefunden. Nun, ich hatte sie schon immer respektive seit vielen Jahren – freilich ohne mir dessen in dem Maße bewußt zu sein; in dieser Simplizität in meiner Intention ist dies ein Novum. Das generiert tiefen Frieden und eine belebende Stille der Ruhe.

Der Unwissende, darf diese meine Interpretation gerne für esoterischen Unsinn halten, muß es selbstredend auch nicht lesen. Demungeachtet sind meine Artikel auf dieser Seite nur an meine Person adressiert. Mit meiner absolvierten Dekade im Täglichlaufen – ja, ich weise wieder und wieder auf meine Zäsur hin, weil ich das selbst kaum verstehen kann – habe ich eine „Leistung“ erreicht, die für mich in diesem Leben nicht mehr reproduzierbar ist. Wer mich verstehen will, muß selbst diesen Weg gegangen sein und dann, ja, erst dann darf sich der Weise sein Urteil bilden. Ich werde diesen surrealen Pfad weiter beschreiten, mit jedweder Konsequenz – auch wenn ich erwogen hatte, ein bewußtes Ende zu initiieren. Auch werde ich mich intensivst mit dieser Thematik in einem meiner nächsten Artikel beschäftigen müssen – die sogenannte Selbstreflexion ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Aber wie könnte sie auch? Nach zehn Jahren? Der Kreis schließt sich. Und öffnet sich doch nur, um – ja, um größer, intensiver und gefühlvoller zu werden. – – Der Flieder gedeiht. Die Blüten öffnen sich; strahlen, leuchten. Und vergehen.

Die Harmonie im Frieden

Posted in Besondere Momente, Täglichlaufen. Laufberichte., Täglichlaufen. Philosophie. on 14. Mai 2011 by Täglichläufer

Der offene Himmel wird von weißgrauen Wolkenschiffen beherrscht, die geschwind im blauen Meer dahinziehen und partiell unentschlossen navigieren. Von dannen für alle Zeiten. Indessen die Sonne sich nur zeitweilig die Ehre gibt und ihre goldenen Strahlen lächelnd hernieder sendet. Der Damm liegt verlassen in der Abgeschiedenheit und lädt mich wehmütig zu einem Besuch ein, worauf ich mich freilich mit Freuden einlasse. Überhaupt, mein gesamtes Laufareal läßt die gelobte Einsamkeit hochleben, eine stille wie belebende Einsamkeit, in der ich mich dem erkenntnisreichen Täglichlaufen par excellence hingeben kann. Nur getragen von einer melancholischen, gehaltvollen Stimmung – welche in jeder Faser meines Körpers und auch Geistes eindringt, die allumfassenden Partikel entfaltet, tiefe Zufriedenheit manifestiert und mich nahtlos in das wahre Leben integriert. Dies kann man nur sehen, fühlen und empfinden – mit dem Herzen. Das ist Täglichlaufen, ein unbeschreibliches Gefühl von Liebe, Frieden und Glück. Für den Unwissenden mag sich diese meine Anschauung natürlich übertrieben pathetisch anhören; allein wer mich versteht, wird nur zustimmend lächeln.

Nicht selten laufe ich an meinem Lieblingsufer einfach vorbei, mehr oder weniger unbeachtet; ja, ein kurzer Blick und schon konzentriere ich mich nach vorn, auf den zukünftigen Pfad. Doch nicht heute, nein, es gelingt mir nicht. Ein unsichtbarer Magnetismus erfaßt mich, zieht mich in seinen anziehenden Bann und wie von Geisterhand werden meine Schritte umgelenkt und die mit Unsichtbarkeit behandschuhte Hand leitet mich zum Strand. Eine unbekannte Macht hat mich zum Seeufer geführt, ohne mich zu fragen, ja, ich bin fast willenlos. Aber ich weiß, das sind jene besonderen Momente in unserem Raum-Zeit-Kontinuum, die nicht nach einem etwaigen Sinn fragen; sie lassen sich nicht erklären – sie sind einfach. So stehe ich am Wasser und erfasse die Begebenheiten der komplexen Situation. Im Hintergrund vernehme ich in der Ferne einen sangeskräftigen Pirol und nicht weit von ihm entfernt den unermüdlichen Kuckuck, der nicht minder engagiert die holde Damenwelt beeindruckt.

Ich selbst beobachte den ungestümen See, der ruhelos Welle um Welle mit Inbrunst an das Land wirft. Wenn auch kein Sturm das Witterungszepter führt, so weht dennoch ein nicht unbedeutender Wind in der natürlichen Welt. Das Schilf biegt und unterwirft sich demütig den wehenden Gewalten, die leidenschaftlich über den See galoppieren und sich mit den Wogen zu vereinigen scheinen. Selbst das Gras bewegt sich wellenartig, die Bäume vollziehen ihren zärtlichen Blättertanz, während hingegen die kraftvollen Kronen sich nur behutsam dieser Stärke beugen. Vereinzelte, tote Blätter treiben im Wasser, werden nach vorn geworfen, um eine Sekunde später zurückgezogen zu werden. Anschließend gleiten sie erneut nach vorn, unendlich oft wiederholt sich das konvulsivische Spiel.

Am Strand regungslos verharrend, beobachte ich das formidable Panorama, welches sich mir am Horizont bietet. Mein Blick schweift in die Ferne, doch ich nehme das Diesseits nicht mehr wahr; ich spähe längst in andere Sphären. Zwar stehe ich in der „Gegenwart“ – was immer das auch sein mag, gleichwohl schweift mein Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft. Ich bin da und doch nicht da. Ich bin dort und doch nicht dort. Mein gesamtes Ich, das Wesen meiner Selbst reduziert sich elementar – mein Körper bleibt zurück, indes mein Geist frei ist, ja, wahrhaftig frei – in dieser Sekunde, in diesem Augenblick – ohne Schranken oder Grenzen. Durchströmende Energie. Vergessene Vergangenheit, konzentrierte Zukunft. Die Perzeption des Jetzt, meiner Selbst divergiert; alles verändert sich – ich fühle nur noch und L E B E. Reduziert auf das Elementarste überhaupt. Die Poesie der banalen Existenz. Und erkenne den Frieden im Sein; die Harmonie, die sich daraus erwächst. Alles ist im Fluß, jedwede Bewegung und jeder Stillstand konvergiert in der Natur, interagiert in Perfektion. Welch Gnade, auf der Basis meines Täglichlaufens just zu diesem Zeitpunkt hier angekommen zu sein, mental in das Firmament aufzusteigen, um die Gedanken dahintreiben zu lassen, um derart intensive Gefühle erleben zu dürfen und am essentiellen Dasein zu partizipieren. Kilometer. Täglichlaufen. Meine absolvierte Dekade. Ich. Das Laufen selbst. All das ist obsolet, ja, das ist unbedeutend. Mir geht es nur um eines, Fühlen. Zufriedenheit. Harmonie. All das vereint im Frieden, im verkörperten Gleichgewicht. Das ist mein Weg, danach strebe ich; das Täglichlaufen ist nur die Maske, die das generiert, eine Art Katalysator. Welch ein Tag! Welch ein Lauf! Welch ein Moment! Die Harmonie im Frieden. Leise Stille. Frieden.

Das Lied des Eises

Posted in Einzigartige Momente, Täglichlaufen. Laufberichte., Täglichlaufen. Philosophie. on 23. Februar 2011 by Täglichläufer

Die wahren Schönheiten des Lebens manifestieren sich nicht selten in unbedeutenden Ereignissen oder Erlebnissen. Das Kleine und Unspektakuläre, welches sich meistens unserer bewußten Wahrnehmung entzieht, entfaltet nur dann seine würdige Macht, wenn man ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Wenn einem dies gelingt, dann wird man reich belohnt. Folgende zwei Beispiele symbolisieren in einem ausgewählten Rahmen, was ich unter Täglichlaufen verstehe; am Leben, an der Natur partizipieren und sich für den Bruchteil einer Sekunde auf das Dasein einzulassen und nur noch zu fühlen. Reines Fühlen. Besondere, natürliche und unspektakuläre Erlebnisse sind es – unter anderem – weswegen ich mich täglich der Liebe zum Laufen in der Natur mit aller Leidenschaft hingebe.

Im Universum von Zeit und Raum ist der Augenblick des Winters erstarrt. Die kristalline Hand vom alles beherrschenden Winterregenten greift einmal mehr kalt lächelnd nach uns und umarmt uns liebevoll. Und prompt verwandelt sich das kühle Naß in eisige, filigrane Strukturen. Eine weiße Eisschicht flankiert den Damm beidseitig und hält die winterliche Jahreszeit mit seinem Bann gefangen; der vom säuselnden Sturm aufgewühlte See peitscht Welle um Welle an das Ufer und läßt das Eis eine harmonische Ballade singen. Es knarzt, bricht, berstet und singt seine ganz eigene Melodie. Das Lied des Eises. Ja, wenn man die Augen schließt, gewinnt man die Illusion, daß es sich um Buckelwale handelt, die untereinander kommunizieren. Differenzierte Töne, kausal durch die Intensität der Wellenbewegungen bedingt, schreien ihre temporäre Existenz lauthals hinaus. Hört ihr mich? Beachtet mich! – rufen sie vielleicht.

Glorreiche Gespensterscharen reiten im Galopp über jene frostige Eiswelt, schwingen ihre Nebelschwerter und erzeugen eine zutiefst surreale Atmosphäre. Dann wiederum vernehme ich Laute, als ob ich durch die Eisschicht waten würde und mit jedem Schritt das fragile Konstrukt laut brechend zerstöre – allerdings nicht von oben, nein, sondern von unten – unter Wasser und dementsprechend seltsam gedämpft. Welch ein Seufzen und Ächzen! Plötzliche Ruhe. Nur für einen Moment und das Singen, Bersten, Brechen, Seufzen und frostige Schreien setzt sich fort, beginnt jäh von neuem – bis sich die kalte Welt irgendwann verflüchtigt und den wärmeren Temperaturen beugt. Gelobter Wandel.

Die Wälder tragen indessen mehrheitlich tiefdunkle Gewänder, propagieren eine selbst gewählte Finsternis, die perfekt mit ihrer derzeitigen kahlen Erscheinung konvergieren. Ungemütlich für den unaufmerksamen Betrachter, gleichwohl sprechen sie für sensible Charaktere eine Einladung zum Verweilen aus. Mitten im tiefen Forst setzt ein leiser Schneegriesel ein, der tanzend gleich sanft auf den Erdboden hernieder fällt. Zwischen der unsteten graudunklen Wolkendecke öffnen sich immer wieder Lichtfenster, scheinbare Tore in ferne Zeiten im Weltgesang von nicht zu beschreibenden Ausmaßen. Die Sonnenstrahlen erobern behende die Wälder und beleuchten den elementaren Griesel in einzigartigen Lichtfacetten. Ein Heer von glitzernden Diamanten prasseln ungestüm vom Himmel zu Boden und erzeugen einen Moment von atemberaubender Schönheit im Mikrokosmos des natürlichen wie allumfassenden Lebens.

Ein reflektierendes Schimmern, welches sich in allen Richtungen ausdehnt. Millionen Elfen gleiten scheu spielend auf die Erde und werden doch wieder vom Wind empor gehoben, während gleichzeitig die Luft von einem Funkeln ohnegleichen erfüllt ist. Allenthalben erspähe ich Kristalle, die ihre Lichtblitze in das weite Nichts senden. Ich unterbreche meinen Lauf und beobachte fasziniert das seltene Schauspiel, welches nur wenige Minuten andauert. Das ist ein exponierter Augenblick, der zum Träumen verleitet. Erneut verblaßt das menschliche Leben, die Zeit hält an, verdichtet sich und gibt Raum für gefühlvolles Nichtdenken. Sodann reisen weitere Wolkenfelder am Firmament der Unendlichkeit entgegen und das gleißende Leuchten stirbt und verstummt für alle Zeiten in dieser Konstellation. Trunken vor Genuß und Glück gelingt es mir nur schwer, jenen Ort zu verlassen, um meinen Lauf fortzusetzen.

Wiederholt ein einzigartiger Moment, geboren in der Welt des gelebten Täglichlaufens. Was bedeutet Täglichlaufen? Alles. Nichts. Doch für diese Empfindungen lebe ich.

Ein Anfang ohne Ende?

Posted in Einzigartige Momente, Täglichlaufen. Laufberichte., Täglichlaufen. Philosophie. on 22. Oktober 2010 by Täglichläufer

Gefangen im unendlichen Kampf der zeitlichen Naturgewalten. Das herbstliche Nebelschwert fuhr gefühllos hernieder, geradewegs in den golden leuchtenden Kettenpanzer des Sommers und durchbohrte ihn mit lächelnder Vehemenz; kalt- und unbarmherzig. Eine unbedeutende Austrittswunde entstand, zurückhaltend in der Ausdehnung – doch es bildeten sich feine Risse, äquivalent verletztem Eis – der Ansatzpunkt zu einer frostigen Expansion, welche immer intensiver voran schreitet. Erst langsam. Latent, kaum sichtbar; später umso rigoroser. Die grüne Herrlichkeit versiegt von Tag zu Tag ein wenig mehr, ein unmerklich schleichender Prozeß. Nur abgelöst von gelben Gewändern und roten Farben, die schlußendlich der düsteren Entblößtheit weichen müssen, wenngleich einzelne Bäume zum heldenhaften Widerstand aufrufen und dem Winter beharrlich trotzen werden. Unbeherrscht.

Abgeworfene Blätter, die sanft zu Boden sinken und die Wege scheinbar samtartig auskleiden. Ein ruhiger Wind galoppiert ungestüm in sie hinein, verwirbelt die Blätter, trägt sie hoch hinaus und weit mit sich, bevor sie an anderer Stelle erneut auf die Erde gleiten. Wie der zarte Hauch des Lebens. Das gleiche alte Lied. Dunkelheit breitet sich allenthalben aus, grau schattierte Wolken ziehen am Horizont in die Ewigkeit des Momentes. Verhaltene Schritte im finsteren Forst. Die greifbare Einsamkeit in der weiten Abgeschiedenheit begrüßt mich, ja, sie umarmt mich und drückt mir fast die Kehle zu, schnürt mir die Luft ab – dann gibt sie mich plötzlich für einen Bruchteil frei und reißt mich mit, entführt mich; in eine Welt voller Leben, Energie, gefühlten Frieden und sensiblen Empfindungen. Wohin wird die Reise gehen? Wer kann dies schon beantworten?

Das menschliche Leben wird einmal mehr bedeutungslos, es ist ohne jedweden Sinn, irrelevant welche Rechtfertigung wir konstruieren, um unsere erbärmliche Existenz zu legitimieren, die doch nicht über die niedersten Instinkte hinauskommt. Sogleich verwerfe ich diese Gedanken, die menschliche Widerwärtigkeit mit ihrem primitiven Gebaren soll mir nicht den Zauber des Augenblickes verheeren. Allein, es gelingt mir nicht. Die herbstliche Magie hat mich längst erfaßt und ich sauge ihre Harmonie mit Wonne auf. Nur die reine, natürliche Einfachheit ist jetzt von Bedeutung – die kleinen und unscheinbaren Dinge entfalten ihre würdige Macht und übernehmen die Kontrolle über mich – ich trivialer Täglichläufer – nur Staub im Wind in den Äonen der Zeiten. Das Schilf singt im Einklang mit seiner Umgebung die Melodie des Wassers, zärtlich gestimmt von den Wellen des Sturmes. Eine Art substanzielles Hohelied der Liebe. Wieder und wieder, scheinbar ein Anfang ohne Ende. Ja, die tragische Poesie des Lebens überzeugt den aufmerksamen Betrachter mit ungekannter Heftigkeit, mit einer Leidenschaft, die ihresgleichen sucht. Begeistert.

Ich unterbreche meine natürliche Bewegung. Hocke mich am Strand hin, schließe die Augen und verharre. Meine Gedanken treiben dahin, wie das Wasser eines Flusses, der in das Meer fließt. Versinken. Dem Sinn der Augen beraubt, die Schärfe der Ohren intensiviert – das Dasein strebt nach Ausgewogenheit – konzentriere ich mich auf die Geräusche der Umgebung. Ein Rauschen überwältigt mich, das unbändige Tosen des Sees dominiert und übertönt mit Macht alle anderen Laute. Mir scheint, als ob ich die in der Ferne vorbei ziehenden Wolken hören könnte, was werden sie während ihres Fluges alles sehen? Im Hintergrund vernehme ich mehrere Eichelhäher und andere Vögel, die längst ihre grandiosen Gesangeskünste im Hinblick auf die Partnerwahl eingestellt haben. Eine frische Brise schlägt mir in mein Antlitz, vertreibt für eine Sekunde die melancholische Einsamkeit und verbindet sich mit den fühlbaren Augenblicken der Sinnlichkeit, ja, eine frühlingshafte Empfindung wird in meine Perzeption suggeriert. Ich kann den warmen Jahresauftakt nicht sehen, aber ich fühle ihn; der Tatsache ungeachtet, das es sich hierbei um eine Illusion handelt. Streichelnder Wind.

Obwohl meine Augen geschlossen sind, ist es mir, als ob ich mehr denn je erspähe. Wahres Sehen. Nicht auf das Sinnesorgan Auge bezogen, nein; in einer geistigen Form, eine andere Dimension. Ich verlasse jene Erkenntnisebene, sehe mich selbst auf dem Damm hocken, schwarz; den Kopf auf beide Hände gestützt, fliege über mein Laufareal hinweg und überblicke es in seiner prächtigen Herrlichkeit und natürlichen Vollendung. Höher und höher. Wie klein und belanglos wir doch sind! Demut keimt auf. Es fällt mir schwer, mich von diesen lähmenden Gefühlen zu lösen, die Zeit konserviert mich an diesem Ort, in der fliehenden Gegenwart der tiefen Empfindungen. Berührt von der Unendlichkeit, getroffen. Sehen, aber nicht mit den Augen. Hören, jedoch nicht mit den Ohren. Nur fühlen und empfinden, mit dem Herzen. Tief im Innern. Verborgen im Selbst. Ich öffne die Augen.

Mein Geist kehrt zurück; in meinen unzulänglichen Körper. Es kostet Kraft, die bewegenden Impressionen endgültig in das Nebelreich zu verbannen, aufzustehen und wieder in den Laufschritt zu verfallen. Leiser Regen setzt ein, begleitet mich. Rinnt mein Angesicht herab. Gleich Tränen, die behutsam die Erde berühren und sich für immer verflüchtigen. Ich gebe mich erneut der Bewegung hin, überwinde den Eigensinn. So setzt er sich fort, mein täglicher Lauf. Oder sogar der Lauf des Lebens? In solchen Momenten realisiere ich, was wirklich wichtig ist. Die wirren Geister der menschlichen Abhängigkeit mit ihren monetären Dämonen enttarnen sich; ich könnte jetzt lachen. Aber ein trauriges Lachen wäre das. Über uns törichte Menschen, die lächerlich sind und grotesk agieren. Über jene, die nicht wissen, was es bedeutet zu leben, die vom wahren Wert der einzigartigen Existenz keine Ahnung haben; nur dem Geld hinterher hetzen, die Natur vernichten und doch sich selbst suchen ohne es zu wissen, nach einem Sinn – den sie nie finden werden. Sich nach Liebe, Glück, Frieden, Geborgenheit und Zufriedenheit sehnen, ein für alle Zeiten verborgener Weg; denn er ist nicht käuflich. Und das Eingangstor liegt in der Welt hinter der Welt; im Kleinen und Unscheinbaren, in der elementaren Einfachheit.

Mein Lauf endet. Aber was für ein Lauf! Gewaltige, besondere Momente beherrschten ihn, die für mich einen vollkommenen Sinn ergeben. Nur ein Wort kann das beschreiben, freilich nur im Ansatz: Erfüllung. Welch melancholische Stimmung! Sie zeichnet ein symbolisches Bild par excellence, was Täglichlaufen für mich darstellt. Empfinden und Fühlen. Besinnung auf das wahre Leben. Ein Anfang ohne Ende? Nein. Alles, was beginnt, endet auch. Ein jeder Anfang findet sein Ende – früher oder später. Ein Glück. Welch Glück!

Täglichlaufen. Acht Jahre & Sechs Monate. Cui dislet meminit.

Posted in Täglichlaufen im Fokus, Täglichlaufen. 8,5 Jahre., Täglichlaufen. Philosophie. on 18. September 2009 by Täglichläufer

Am vergangenen Sonntag führten verschiedene Ursachen zu einer konzentrierten Überlastung meiner körperlichen Systeme, die adäquat mit einer temporären Notabschaltung reagierten. Ich konnte vier Gründe identifizieren, die kausal dafür verantwortlich zeichneten. Jeder für sich genommen, stellte keine Bedrohung dar. Doch in der Summe addiert, war die Konsequenz nur allzu logisch. Es war ein sorgloser Fehler, keine Verknüpfung zu etablieren. Einen jener Gründe – zolle ich nun den angemessenen Tribut und übe mich in distanzierter Zurückhaltung. Das Augenmerk sollte hierbei auf den Terminus Distanz liegen. In den letzten Tagen bemühte ich mich um schonende Gesundheitsläufe; ich absolvierte nur verkürzte Strecken und auch mein Vorprogramm habe ich merklich reduziert.

In Fesseln gelegte Kraft. Innere Energie. Unbändig und vollem ungestümen Zorn und dennoch brutal in Ketten gezwängt. Es fiel und fällt mir eklatant schwer, diese Selbstbeschränkung durchzuhalten. Doch das Wissen um die Alternative ließ mir keine andere Wahl – jene wage ich nicht zu präferieren. Dessenungeachtet gelang es mir den akuten Widrigkeiten zum Trotz mit dem heutigen Lauf von sechs Kilometern mein Halbjahresjubiläum zu verwirklichen. Somit erhöht sich das unbedeutende Nebenprodukt meiner Täglichlaufphilosophie auf –Acht Jahre und Sechs Monate– täglichen Laufens. Jeden Tag. Ausnahmslos.

Endlich wieder zurück auf meinem Damm! Nur noch bis zum nächsten Baum, ein paar Meter bis zur kommenden Biegung. Die Augen geschlossen; die Sonne fühlend, wie sie die spätsommerlichen Baumkronen durchbricht und mein Antlitz kitzelt. Doch ich kehre um, noch bin ich vorsichtig. Das bisher unzugängliche Tor, welches den Weg in das neunte Jahr freigibt, wurde heute mit einem lauten Knarzen aufgestoßen – wenngleich selbiges derzeit leicht eingerostet erscheint. Umso größer der Stolz, daß mein Willen und meine Selbstdisziplin geneigt sind, mein Denken im Fortbestehen weiterhin zu unterstützen. Ich gestehe, dafür bin ich extrem dankbar. Denn Täglichlaufen ist wahrhaftig ein Geschenk, in erster Linie meines Körpers an mich selbst – und umgekehrt. Die Ebene, auf der die Vorstellung ihren Ursprung hat, auch nur einen Tag zu pausieren, habe ich seit langem verlassen. Natürlich währt nichts ewig, alles hat seine Zeit – für mich das gewichtigste Argument, die Endlichkeit meiner Laufkonzeption täglich zu feiern – mit einem entsprechenden Lauf in der von mir so geliebten Natur. Den Genuß so lange zu leben, wie er realisierbar ist.

Als Sinnbild dieser Symbiose habe ich folgenden Baum ausgewählt. Irgendwann war er da. Er war ganz klein und reckte sich neugierig gen Himmel, er wuchs edel in die Höhe und ging scheinbar eine symbiotische Verbindung mit dem steinernen Gebilde ein. Äquivalent mein Täglichlaufen. Wie das Gebäude konnte auch ich die Entwicklung des Täglichlaufens, respektive des Baumes weder planen noch bewußt beeinflussen. Das hätte ich auch gar nicht gewollt. Wie auch? Erstens nahm ich das zu Beginn nicht in der Form wahr wie ich es heute tue und zweitens wurde ich dadurch ein anderer Mensch. So wie sich der Baum liebevoll an das Gebäude schmiegt, gehört das Täglichlaufen ebenfalls zu mir. Beide bilden eine harmonische Einheit, doch ist der Nutzen für mich weitaus bedeutender – als es das Baumgebilde möglicherweise in meinem Beispiel erfährt. Der Bund ist zeitlich begrenzt – irgendwann wird er auseinander fallen, ja, muß auseinander brechen – denn so ist der Lauf des Lebens. Die Kunst liegt in der Wertschätzung solange er besteht. Und ihn nicht erst zu achten, wenn meine natürliche Konzeption ihr Ende gefunden hat.

Gerade im Kontext der erlebten Schwierigkeiten, die automatisch damit einhergehen. Stets sprach ich davon, wie fragil das gesundheitliche Konstrukt ist und einmal mehr wurde mir das vor wenigen Tagen eindrucksvoll demonstriert. Freilich hätte ich mich gänzlich der vernünftigen Ruhe hingeben können. Oder mal eben so auf der Stelle laufen und das als Täglichkaufen betrachten, was es durchaus geben soll. Aber wo läge da der Ernst? Der gelebte Sinn meines Denkens? Bliebe dann nicht mein Stolz, meine Freude über das Erreichte auf der Strecke? Die Ehrlichkeit zu mir selbst? Der Triumph über mich selbst? All die gemeisterten Herausforderungen würden ihrer Würde beraubt. Trotz partieller Probleme, die hin und wieder auftreten, ja, auftreten müssen – darf man nicht verzagen und sollte seiner Konzeption treu bleiben. Natürlich in einem vertretbaren Rahmen, welcher der Gesundheit geschuldet sein sollte – was selbstredend wiederum eine individuelle Geschichte ist. Das ist jene Selbstdisziplin, die durch das Täglichlaufen ebenso eingefordert wie forciert wird. Beides bedingt einander. Die Grundlage dessen, worauf der Wert des Täglichlaufens in meinen Augen basiert. Mehrheitlich genießen, aber wenn die Zeit reif ist – auch Härte zu sich selbst zeigen. Jahrelanges Täglichlaufen ohne mentale wie körperliche Herausforderungen ist eine reine Illusion. Ein stetes Ringen mit sich selbst ist vonnöten, um dem Stil seine individuelle Legitimation zu verleihen. Cui dislet meminit.

Hierbei definiere ich die gezählten Jahre wie Tage einmal mehr als Beiwerk. Die Zahlen an sich sind irrelevant. Es geht nicht um ein Zählen oder Vergleichen. Sondern um die Erkenntnis, daß es möglich ist, täglich zu laufen. Jeden Tag. Heute. Immer nur heute. Als ein Sieg über sich selbst. Gegen seine eigene Unzulänglichkeit aus Überzeugung. Wenn man denn will. Wenn man in dem Stil seine Zufriedenheit findet. Wenn es statt Zwang Liebe ist. Wenn man die Ritualphase überwunden hat. Über eine Verinnerlichung hinaus ist. Ja, auch wenn es ein schweres Wort ist – beinahe schon unangemessen, handelt es sich doch nur um banales Laufen – wenn es zu einer Art Lebenseinstellung geworden ist. Die Einsicht dieser beschriebenen Gratwanderung ermöglicht mir das Täglichlaufen zu leben. Wie lange noch? Nur heute. Immer nur heute.

Die Vergangenheit ist ohne Leben, die Gegenwart fast vergessen und die Zukunft ist noch nicht geboren. Die Fortführung kann in jeder Sekunde ihren Schlußpunkt finden. Aber das stolze Gefühl, wie die vergangenen Jahre bravourös in das unendliche Nichts eingezogen sind – mit all ihren prächtigen und harten Erlebnissen, mit Lachen und Weinen, im Licht und Schatten als eine Verkörperung von Freud und Leid bilden für mich trotz allem ein schönes Gefühl, welches ich nicht missen will. Gerade auch die Widrigkeiten tragen das ihrige dazu bei. Zu wissen, daß ein unsportlicher Mensch acht Jahre und sechs Monate jeden Tag laufen kann, ist ein großartiges Gefühl. Ich weiß nicht, ob ich neun Jahre erreichen werde. Ebenso weiß ich nicht, ob ich morgen laufen werde – laufen kann und laufen darf. Zahllose Faktoren entziehen sich meinem Einfluß. Einst rechnete ich nicht einmal mit zwei Jahren. Gleichwohl bestimmte das kuriose Leben mich vom Antisportler – der glücklicherweise immer noch in mir existiert – zum Täglichläufer. Und so werde ich auch weiterhin meine tägliche Runde drehen; mal weiter – mal kürzer. Die intensivste Ruhephase des Tages – als ein Hort der inneren Zufriedenheit und vollkommenen Harmonie. In natürlicher Ruhe. Über Jahre. Es ist möglich.

Täglichlaufen und ich. Eine diffizile Einheit, die ich von Zeit zu Zeit kritisch hinterfrage und in Verbindung mit Zweifeln betrachte. Eine konstante Neubewertung ist für mich obligat. Das Fazit konzentriert sich in der Frage, was die richtige Entscheidung für mich und meinen Körper ist. Bisher fielen die Antworten für mich – nach reiflicher Überlegung – evident aus, wenn das auch bei Außenstehenden nur Unverständnis auslöst. Aber wie könnte mich auch jemand verstehen, der diesen Weg der Höhen und Tiefen nicht täglich gemeinsam mit mir gegangen ist? Wahres Verständnis setzt die gleiche Erfahrung voraus. Ich maße mir nicht an, von anderen Menschen Verständnis zu erwarten. Das Leben hat Recht.

Ich werde auch in der Zukunft mein tägliches Laufen praktizieren. Solange sich die etwaigen gesundheitlichen Hürden überwinden lassen, werde ich es tun. Die Meßlatte, bei Hindernissen aufzuhören, hat sich in den absolvierten Täglichlaufjahren signifikant erhöht, die Grenzen sind andere als noch vor fünf oder sieben Jahren. Eine unabdingbare Folge meiner Entwicklung. Der menschliche Körper mag zwar schwach sein, gleichwohl ist er widerstandsfähiger und stärker als sich die meisten Menschen dies überhaupt vorstellen können. Um mein Denken zu verdeutlichen, schließe ich mit einer Anekdote. Und ich lasse mich überraschen, welche Erlebnisse auf dem endgültigen Pfad in das neunte Jahr auf mich zukommen werden. Ich bin bereit. Täglichlaufen. Ein großartiges Gefühl. Und es wird immer wunderbarer, sobald ich in die Vergangenheit zurückblicke. Mit einem zufriedenen Lächeln blicke ich zurück. Täglichlaufen. Mein Weg. Nichts ist jemals einfach.

Die Lektion des Schmetterlings

Eines Tages erschien eine kleine Öffnung in einem Kokon. Ein Mann beobachtete den zukünftigen Schmetterling mehrere Stunden lang, wie dieser kämpfte, um seinen Körper durch jenes winzige Loch zu zwängen. Dann plötzlich schien er nicht mehr weiter zu kommen. Es schien, als ob er so weit gekommen war wie es ging, aber jetzt aus eigener Kraft nicht mehr weitermachen konnte. Er war am Ende. Scheinbar. So beschloß der Mann, ihm zu helfen: er nahm eine Schere und schnitt den Kokon auf.

Der Schmetterling kam dadurch sehr leicht heraus. Aber er hatte einen verkrüppelten Körper; er war winzig und hatte verschrumpelte Flügel. Der Mann beobachtete das Geschehen weiter, weil er erwartete, daß die Flügel sich jeden Moment öffnen, sich vergrößern und sich ausdehnen würden, um den Körper des Schmetterlings zu stützen und ihm Spannkraft zu verleihen. Aber nichts davon geschah. Stattdessen verbrachte der Schmetterling den Rest seines Lebens krabbelnd mit einem verkrüppelten Körper und verschrumpelten Flügeln. Niemals war er fähig zu fliegen. Totes Leben. Fern der Freiheit.

Was der Mann, in seiner Güte und seinem Wohlwollen nicht verstand war, daß der begrenzende Kokon und das Ringen, das erforderlich ist, damit der Schmetterling durch die kleine Öffnung kam, der Weg der Natur ist, um Flüssigkeit vom Körper des Schmetterlings in seine Flügel zu fördern. Dadurch wird er auf den Flug vorbereitet sobald er seine Freiheit aus dem Kokon erreicht. Manchmal ist das Ringen genau das, was wir in unserem Leben benötigen. Wenn wir durch unser Leben ohne Hindernisse gehen dürften, würde es uns lahm legen. Wir wären nicht so stark, wie wir sein könnten, und niemals fähig zu fliegen.

Ich wünschte mir Kraft. Und mir wurden Schwierigkeiten gegeben, um mich stark zu machen. Ich wünschte mir Weisheit. Und mir wurden Probleme gegeben, um sie zu lösen und dadurch Weisheit zu erlangen. Ich wünschte mir Mut. Und mir wurden Hindernisse gegeben, um sie zu überwinden. Ich wünschte mir Liebe. Und mir wurden besorgte, unruhige Menschen mit Problemen gegeben, um Ihnen beizustehen. Ich wünschte mir Entscheidungen. Und mir wurden Gelegenheiten gegeben.

Ich bekam nichts, was ich wollte – aber ich bekam alles, was ich brauchte.

(Autor unbekannt) – in Teilen von mir modifiziert.

Magische Momente

Posted in Flora, Pro Natur, Täglichlaufen. Philosophie. on 13. Mai 2009 by Täglichläufer

Den menschlichen Organismus mit einem täglichen Lauf zu würdigen, skizziert nur mein körperliches Handeln. Die nicht sichtbare Philosophie dahinter ist diffiziler. Ich sehe mich als Naturläufer. Mich zieht es hinaus in die unendliche Weite der facettenreichen Natur, in die unergründlichen Wälder – Laufen bei jeder Witterung, zu jeder Tageszeit; den Elementen ausgesetzt sein – in den Horizont laufen. Fühlen. Ich genieße die Freiheit, die sich mir bietet; nicht selten habe ich das Gefühl, als ob ich dort zu Hause wäre. Im Einklang mit sich selbst und der Natur ist es für mich der Weg zur Ruhe.

2009_Mai_Mittelwiese

Am Montag raschelte es im Wald, ich blieb stehen und sah in die großen Augen eines nur wenige Meter entfernten Rehs. Erst nachdem ich es anredete, verschwand das Reh langsam im Unterholz. Gestern durfte ich einen ca. 30 Zentimeter großen Schwarzspecht beobachten – ein prächtiges Tier, welches mich ungefähr eine Minute an seinem Leben teilhaben ließ. Jene magischen Momente sind es, die mein Täglichlaufen definieren. Willkommen in meiner Welt!

2009_Mai_Rhododendron
2009_Mai_Zierlauch

An die Natur

Die Menschen altern und wandeln zuletzt
als Greise gebückt, unkenntlich fast.
Doch Du, Natur, Du bleibst dieselbe
in gleicher Frische Jahr um Jahr.
Auf Deinem Antlitz ändert sich nichts.
Nicht Falten und Furchen lässest Du schau´n,
Allen Sterblichen ihrer Jugend, bleibst Du ein Bildnis.
Du und Erinnerung. Leiden im Prangen. Keine Schmach.
Schön bist Du so, wie Du es warst.
Seit zahllosen Tagen, wann längst ich zerfallen,
preist Dich ein andrer.

(Friedrich Hermann Frey)