Archive for the Täglichlaufen. Laufberichte. Category

Nur ein Hauch

Posted in Täglichlaufen. Laufberichte. on 2. Februar 2019 by Täglichläufer

Graufinster verhalten erwachte der Tag und bot genußvolle Impressionen in Weiß, die ihresgleichen suchten. Uneins waren die Witterungsmächte und debattierten zurückhaltend, ob es Regen oder Schneefall geben soll und so entschieden sie sich für eine herrliche Kombination; freilich wurde nur ein Hauch kanalisiert – in beiden hernieder tanzenden Elementen der Harmonie. In tiefer Freude absolvierte ich meinen heutigen Lauf, indessen der Schnee unter meinen Schuhen knirschend antwortete. Niemand vor mir betrat heute die Wälder – die Schneespuren, die doch nicht existierten, bewiesen dies eindrücklich. Was bot sich mir für ein traumhaftes Winterbild? Geschlossen hatten alle Baumgesellen ihre prachtvollen weißen Gewänder angelegt und jeder einzelne Astarm war mit einem Hauch von Schnee ausstaffiert, edelzärtlich verziert – ebenso alle weiten Pfade des Forstes.

Nun schreibe ich wiederholt von Schnee – meine bajuwarischen Verwandten würden in lautes Gelächter ausbrechen – über das, was ich als „Schneewelt“ interpretiere. Die Herrlichkeit der Welt ist immer adäquat der Herrlichkeit des Geistes und ja, schließlich bin ich ein Preuße – da darf und muß der wertende Maßstab ein anderer sein. In meinem Laufareal obsiegte die Einsamkeit absolut – nicht ein menschliches Wesen sollte ich erspähen; so konnte ich mich in dieser Abgeschiedenheit traumgleich verlieren und den wahren Genuß leben. Ein Lauf dieser Art ist selten geworden, wahre Winter gehören der Vergangenheit an. So wird dieser Tag eine besondere Position in meiner Erinnerung einnehmen. Strahlendweiße Schneewelten, eine knirschende Weite vereint mit gehaltvoller Einsamkeit der greifbaren Ruhe in Einzigartigkeit geboren und wertgeschätzt mit einem Lauf, der nie hätte enden dürfen. Nur ein Hauch von Schnee und doch war darin das Glück des Lebens darin verborgen.

Meine Zeit

Posted in Täglichlaufen. Laufberichte. on 28. Februar 2018 by Täglichläufer

So bäumt es sich also auf – das nebulöse Winterphantom und vollführt seinen eleganten wie abschließenden Tanz; nur erhaben gewandet in weißen, kristallinen Kleidern, welche atemberaubend wundervoll erklirren und die natürliche Welt erstarren lassen. Vor einem Jahr um diese Zeit obsiegten Temperaturen von 08 °C und der Frühling frohlockte, doch heute absolvierte ich meinen kältesten Lauf seit 2013 und zwar bei -14 °C – begleitet von einem zornigen Wind der Harmonie. Zudem senkte sich ein Schneeschleier hernieder, welcher zwar nur als Hauch verschämt lächelte – ungeachtet dessen den einsamen, malerischen Forst leuchtend weiß veredelte.

Die bittere Konsequenz dieser lieblichen Kälte manifestierte sich leider, leider in einer langen Hose – alles Hadern half freilich nichts und so lief ich nach über 14 Monaten wieder komplett in langer Bekleidung; natürlich ohne Kopfbedeckung. Ich verabscheue im Täglichlaufen nichts mehr als lange Bekleidung – eben weil mir bewußt ist, wie angenehm sie sein kann. Und auch in diesem Kontext war die logische Folge unausweichlich – ich sorgte für blankes Entsetzen in meinem Laufareal und alle Beobachter erstaunten, wie ich es wagen kann, den gewohnten Status quo zu hintergehen. Doch ja, ich gelobe Besserung – vielleicht schon morgen; die Witterungsbedingungen werden es lehren.

Erstarrt schlummern die Haine, Sonnenstrahlen durchbrechen die hohen Wipfel, durchkreuzen die einander schlagenden Finsteräste und kitzeln den schneehauchbedeckten Boden, welcher die Bewohner des Waldes offenbart – denn ihre Spuren sind sichtbar und lassen eine umtriebige Aktivität erkennen. Unzählige Wasservögel ziehen sich zurück in noch freie Wasserflächen oder sitzen an der Grenze des erfrorenen Lebens auf dem Eisrand. In dem Bereich meiner Augen bilden sich Eisstrukturen, der leise Sturm will auch mich einfrieren und ich laufe ihm von dannen, trotzend – und der Schnee unter mir goutiert jeden einzelnen Schritt mit seinem herrlichen Knirschen.

Die Welt, das Leben mag erstarrt und eingefroren sein – es ist an Einsamkeit nicht zu übertreffen und doch ist dies nur Schein – alles lebt; allenthalben. Dieser Eisgesang ist ein einziger Genuß, der zu den seltensten überhaupt gezählt werden darf. Und so preise ich das grandiose Winterwetter von Herzen – möge es noch andauern, es ist meine Zeit. Wahrlich.

Orkanwelten

Posted in Täglichlaufen. Laufberichte. on 29. Oktober 2017 by Täglichläufer

Die Nacht war wild; ein unablässiges Rauschen war der stete Begleiter der Finsternis. Temporär obsiegte eine unheimliche Ruhe, nur für einen Moment – und dann galoppierten sie wieder, die Sturmböen der Macht und demonstrierten ihre Allgewaltigkeit par excellence. Meine Vorfreude wuchs mehr und mehr und so verfiel ich in den frühen Morgenstunden in den Laufschritt und war ob der Einsamkeit nicht wirklich überrascht. Auf der sonst vielbefahrenen Hauptstraße beobachtete ich vielleicht insgesamt fünf Autos – jener Wert wird sonst nur an Neujahr erreicht.

Auf der großen Brücke spürte ich die Orkanwelt nun ungeschützt und mit Inbrunst bot sie engagiert alle Kräfte gegen mich auf und ja, lief ich nicht gegen eine Wand? Zusätzlich prasselte ein Regen-Stakkato ohnegleichen auf mich hernieder, so daß ich annehmen mußte, ich trüge ein eisernes Band im Halsbereich. Tatsächlich, so einen mächtigen Sturm habe ich sehr lange nicht erlebt. Unverdrossen, doch mit Genuß setzte ich meinen Weg fort in die liebreizenden Haine, die einmal mehr wie ein hölzernes Schlachtfeld aussehen.

Hier offenbarte sich die ganze Tragik, wie der ungestüme Orkan gewütet hat, ja, nahezu rasend vollführt er sich auf. In der Ferne erspähte ich einen roten Punkt und wußte sogleich, daß es sich um einen Bekannten handelte, der mit seiner Hündin den Morgen begrüßt. Er war höchst erstaunt, mich bei diesen Witterungsverhältnissen anzutreffen, was mich wiederum ein wenig enttäuschte – denn nach all den langen Jahren sollte er mich besser kennen und entsprechend fiel meine Antwort aus; auf diesem Planeten gibt es kein Wetter, was mich vom Täglichlaufen abhalten könnte – das war jeher meine Devise.

Und so verlor ich mich in der absoluten und dunklen Einsamkeit – jedwedes Leben war verborgen, nur der Wind sang sein stürmisches Lied ungerührt und tanzte rasend durch den Weltgesang. Freilich tanzte ich mit und lief im Slalom durch den Forst und hüpfte und sprang und wich den rauschenden Herausforderungen aus. Welch ein elementarer Sturmlauf!

Der Moment…

Posted in Besondere Momente, Täglichlaufen. Laufberichte. on 14. November 2016 by Täglichläufer

… der erstarrten Schönheit. Eine angenehme Temperatur von -06 °C schürte meine Erwartung zu Tagesbeginn und ja, selbige wurde wahrlich erfüllt. Behutsam, aber doch stetig erstieg Mutter Sol am Firmament ihren würdigen Thron der brennenden Eleganz und sandte ihre Strahlen unablässig hernieder, welche mit Hingabe versuchten, die zahlreichen Nebelfelder zu durchdringen. Die liebreizende Natur kleidete sich indessen in weiße Gewänder, alles Grün hat sich in ein wundervolles Weiß verwandelt und die Weiher trugen eine filigrane Eisschicht. Wohin ich meinen Blick auch richtete, ich wurde förmlich von der vollkommenen Schönheit erschlagen; zudem führte mich mein Weg hinweg über unermeßliche Diamantenfelder – ein blitzendes Funkeln allenthalben. Abertausende Edelsteine generierten ein prachtvolles Farbenspiel sondergleichen.

Tief im Hain fielen die Sonnenstrahlen durch die Baumkronen auf die Erde, in einem goldenen Farbton, wie er nur in dieser Jahreszeit zu beobachten ist. Vollkommen edel und erhaben erhellten die tanzenden Lichtspiele den herbstlichen Blätterforst und vereinigten sich mit den kostbaren Brillanten, welche die Pfade ausstaffierten. Sodann traf mich der einzigartige Moment der erstarrten Schönheit völlig unvorbereitet wie ein Blitzschlag. In der Tat, diese Anmut ließ mich innehalten – die Beine versagten mir und ich blieb abrupt stehen und sog den Glanz und die Grazie des eisigen Weltgesangs in mir auf. Lange Zeit verharrte ich und verband meinen Geist mit der Natur und fühlte und genoß nur. Ein stiller und zarter Augenblick, wie er nur selten im Leben zu finden ist. Was für ein Lauf und Moment!

Vollendete Harmonie

Posted in Besondere Läufe, Täglichlaufen. Laufberichte. on 8. Januar 2016 by Täglichläufer

Aufmerksame Späher brachten mir die frohe Kunde und verkündeten und tönten allenthalben frohgemut, daß die unnahbare Frostregentin ob meiner despektierlichen Jahresrückschau, explizit in dem Kontext der enttäuschenden Kälte meinen Unmut durchaus wohlwollend registrierte, um sich in der unabwendbaren Konsequenz endlich herabzulassen – nun doch noch einen annehmbaren Winter zu erschaffen. Und ja, als zauberhaften Auftakt zogen ihre ehernen Sendboten mit einer würdigen Kälte von bis zu -12 °C in den natürlichen Weltgesang ein und hernach wurde das traumhafte Gemälde der liebreizenden Natur in ein edles Weiß gezeichnet, welches trunken vor Glück seinesgleichen suchte. Am 05.01. marschierten die Wolkenfronten mit Engagement auf und in der folgenden Nacht schneite es ohne Unterlaß – welche rare, elementare Gnade.

So begann der 06.01. erhaben finster, zärtlich leise und – weiß. Nach der vielbefahrenen Hauptstraße hieß mich der schwarze Hain mit seiner lächelnden Düsternis willkommen und warf seinen Mantel der Finsternis über mich hernieder, jedwede Impressionen indessen von dem Schnee in vollendeter Harmonie kontrastiert wurden. Zudem schneite es während meines gesamten Laufes und darüber hinaus. Der weiße Samtteppich goutierte mein Täglichlaufen mit seinem eigentümlichen knarzenden Knirschen, was jedoch sehr gedämpft wahrnehmbar war – wie überhaupt das natürliche Leben unter einer dämpfenden Glocke eine dankbare Heimstatt annahm und somit einen ureigenen Genuß entfaltete.

Das zarte Weiß war vollkommen unberührt, nur hier und dort ließen sich einzelne Spuren und Eindrücke erkennen, die dem geneigten Betrachter offenbarten, wie viel Leben sich in den hiesigen Wäldern verbirgt. Menschliche Wesen zeigten sich nicht; wer traut sich schon in der Dunkelheit in einsame Wälder? Und ja, diese Abgeschiedenheit war nahezu greifbar; mich umgab eine Einsamkeit – die wie eine melancholische Sängerin ihren wehmütigen Text in die weite, dunkle Welt hinaus sang – der doch nur für bestimmter Hörer gedacht war. Weiter und weiter lief ich, hinein in die Tiefe des Waldes, selten gewahrte ich Windböen – die die einzigartigen Schneekristalle rasant hin und her wirbelten, in alle Richtungen tanzen ließen. Auch sie vernahmen das leise Wispern des frostigen Forstes und das melancholische Lied der unsichtbaren Künstlerin.

Jählings raschelte es zu meiner Linken. Ein einzelnes Reh näherte sich in großen Sprüngen, kreuzte für einen Moment meinen Weg und verschwand im dichten Unterholz. Mit beruhigender Stimme redete ich das wunderschöne Tier an und noch für kurze Zeit vernahm ich ein leiser werdendes Rascheln. Sodann eroberte eine absolute Ruhe die Umgebung. Die Weiher sind mittlerweile von dem anhaltenden Frost in ihrer Bewegung erstarrt und verharren eingefroren auf wärmere Zeiten. Jene mit Eis behandschuhte Hand wirkt mit eisernen Griff und läßt mehr und mehr erstarren; vertreibt die Stockenten und Bläßhühner immer weiter von ihrem gewohnten Aufenthaltsort – in noch zugängliche Gewässer, die sich der Starrheit widersetzen. Nur eine Ausnahme trotzt der Starre – das Heim von Meister Bockert wird natürlich gewollt vom Eis freigehalten. Von einer Sekunde auf die andere friere auch ich abrupt ein – ich bleibe stehen – einfach so und kann mich nicht entsinnen, daß ich dazu bewußt den Befehl gab. So verharre ich und beobachte das Finsterleben, geboren in einem Reich aus Schnee; im Hintergrund warten die Baumgiganten, entblößt von allen Blattgewändern – nur die nackten Äste streben skelettartig gen Himmel, bewehrt mit einem weißen Hauch der temporären Endlichkeit. Zahlreiche Flocken gleiten leise auf mich hernieder; ich verwandele mich auch langsam, aber sicher in einen Schneemann. Viel Kraft kostet es mich, den beobachtenden Status aufzugeben und wieder in den Laufschritt zu verfallen; zu schön ist das natürliche Leben und zu intensiv die Bannkraft, die es auf mich gravitätisch ausübt.

Mein Dammareal ist still geworden, scheinbar für immerdar eingeschlafen; auch hier verweht ein Hauch von Schwermut alle Geräusche, die sonst den Tag dominieren. Unmerklich registriere ich, daß die Helligkeit an Intensität zunimmt, nur um Nuancen wird es stetig heller. Innerhalb von wenigen Minuten hält das Tageslicht seinen Einzug und urplötzlich ist es hell. Von hier auf jetzt, ungeachtet der ausgeprägten Nuancen, habe ich es nicht wirklich wahrgenommen. Freilich kann von einer wirklichen Helligkeit keine Rede sein – ein graues Heer von Wolkenformationen trübt die Weite des Horizonts und sorgt für steten Schneenachschub. Ich verliere ich mich immer weiter in jenes Habitat, welches von einer wahren Einzigartigkeit beherrscht wird, genieße jeden Augenblick dieser Schneewelt und mir ist bewußt, daß ich nach nur sechs Läufen in dem noch jungen Jahr – bereits den wundervollsten Traumlauf in diesem Jahr absolviert habe.

Viel könnte ich noch schreiben, beschreiben und berichten – mannigfaltige Eindrücke festhalten, doch mein wahres Fühlen und Erleben ist fest in meiner Erinnerung eingeschlossen und kann durch die menschliche Sprache nicht konserviert werden. Vollendete Harmonie. Wahrlich.

Regensturm

Posted in Faszination Regenlauf, Täglichlaufen. Laufberichte. on 23. Juni 2015 by Täglichläufer

Die Welt ist dunkel geworden, aber nicht in einer alles verzehrenden Finsternis, nein, der Weltgesang hat sich grau gewandet. Elementares Grau. Die abgeschiedene Weite dominiert bar jedweder Nuancen und vereinigt sich am freien Horizont mit dem grauen Meer der Unendlichkeit. Bereits in der Nacht öffneten sich die imaginären Wasserschleusen in dem hehren Gewölk und noch am frühen Morgen perlte der liebliche Regen stürmend hernieder und generierte eine latente Angst in meinem Geiste. Eine unsichtbare Macht zog mich gravitätisch an und lud mich ein – an dem raren Geschenk eines Regenlaufes zu partizipieren. Aus Angst vor der versiegenden Regenkraft begab ich mich ohne aufhaltendes Zögern in das nasse Leben und ja, ich verzichtete sogar auf mein standardgemäßes Vorprogramm – und das unterlasse ich nie – und verschob es auf den späteren Abschlußakt. Fürwahr, nach nunmehr zwei Monaten voller Sehnsucht durfte ich heute einen Regenlauf absolvieren – welche Gnade.

Die ersten 800 Meter offenbarten sich wie noch stets als eine wahrliche Qual; entlang der Hauptstraße mit ihren rasenden Blechvehikeln. Im Anschluß trat ich aber ein, in meine geliebte Zauberwelt, geboren in der melancholischen Einsamkeit der belebenden Stille. Sofort entfaltete sich der dämpfende Umhang der Ruhe, der alle unangenehmen Geräusche nachhaltig absorbiert; das Grün der Haine kontrastierte mit dem scheinbar unendlichen Grau in kongenialer Eintracht. Zahlreiche Pfützen hatten sich zu diesem Zeitpunkt längst harmonisch zu kleinen Seen verbunden und ich selbst war gänzlich durchnäßt. Bei sommerlichen 09 °C erkenne ich gar meinen Atem. In der Ferne wird mir später ein Grußfreund kurz zuwinken, bevor er in seinem schützenden Haus verschwinden wird – dies wird die einzige menschliche Begegnung bleiben. Die geliebte Einsamkeit ist heute absolut und ich kann meine Freude darüber nicht in banale Worte kleiden. Wahre Gefühle lassen sich nicht in trivialen Text fassen.

Zahllose gefiederte Freunde teilen meine Freude und konzertieren in gewohnter Perfektion und hier und dort ruft der Kuckuck; er verkündet sein Entzücken über das nasse Glück. Indessen sind meine Wollmäuse davon gar nicht begeistert – auf meine Begrüßung ernte sich nur – Schweigen. Später vernehme ich nur ein betrübtes „Mäh!“. So setzt sich mein Weg fort, ich passiere den nächsten Wald und begebe mich auf meinen träumenden Damm, der die Tropfen mit Behagen empfängt. Von einem wohlwollenden Sturm kann mitnichten die Rede sein, doch treten heute immer wieder moderate Böen auf, die mich ausnahmsweise nicht entführen wollen, nein, scheinbar ist ihr Bestreben, mich zurückzudrängen; immer wieder galoppieren sie mit aller Macht gegen meine schwarze Präsenz – hoffnungslos. Ich erobere doch meinen Weg. Das grüne Gräsermeer – mitten in dem Hochwasserschutzgebiet gelegen – wird durch den wehenden Odem unbarmherzig hernieder gehalten, ungestüme Sturmreiter fegen wellengleich über die wasserlose Ebene. Es ist das ein wundervoller Anblick, der zum Verweilen reizt.

An meiner Lieblingsstelle unterbreche ich meinen Lauf, betrete den Strand und verharre, halte inne und beobachte den grauen Dunkelsee mit seinen unablässigen Wellen, die nach ihrem eigenen Takt schlagen und Woge um Woge mit einer zarten Gischt an das Land werfen. Die unruhige Wasseroberfläche empfängt das fallende Heer der tanzenden Regentropfen und verzehrt sie lautlos. Doch wenn ich die Augen schließe, vernehme ich das malerische Prasseln; tränengleich rinnt das Naß von den Bäumen, um in dem irrealen Nichts für immerdar zu vergehen. Der Genealoge in mir wird wach und ich frage mich, ob meine Altvorderen diese einzigartige, wunderschöne Örtlichkeit im Sein je gekannt haben? Weilten sie einst an dieser Stelle, vielleicht gar in genußvollen Regenzeiten? Jene Antworten liegen hinter vergänglichen Türen verborgen, die doch nicht mehr existieren. Ich verlasse das Gestade und erspähe meine eigenen Fußabdrücke, die trockenen Sand nach oben aufwühlten, welcher in wenigen Minuten egalisiert sein wird.

Irgendwann nehme ich den Laufschritt wieder auf und trete den obligatorischen Rückweg an, gleichwohl könnte ich für immer und immer weiterlaufen. An diesem Punkt atme ich keinen Sauerstoff mehr ein – ich atme pure, konzentrierte Energie, die sich in meinem Körper mit jedweden Zellen verbindet, ihre gehaltvolle Kraft emittiert und sich entsprechend mit absoluter Macht auswirkt. Kurzum, die lustlose Phase der vergangenen Tage hat sich längst verflüchtigt und in dieser Sekunde lebe ich den unverfälschten Genuß. Vielfältige Impressionen nehme ich noch wahr, die es wert wären, hier erwähnt zu werden, aber nein, ich ziehe mir das Schweigen vor. Verloren im Regenreich. Mit einem Lächeln im Regensturm.

Das Singen des Eises

Posted in Besondere Läufe, Täglichlaufen. Laufberichte. on 9. Dezember 2014 by Täglichläufer

Der weite See lächelt zufrieden erhaben über seine gehaltvolle Freiheit; leise Wellen werden pulsierend in die wehmütige Ferne getragen und greifen ungestüm nach dem leuchtenden Horizont, indessen eine wahre Vereinigung doch nie stattfinden wird. Aber das Wasser kennt keine Hoffnungen, Enttäuschungen. Zärtlich hüllt der belebende Frosthauch die Natur mit seinen weißen Gewändern liebevoll ein und läßt nun auch die bisher ungeschorenen Ränder des Sees anmutig innehalten, erstarrte Momente der Schönheit. Ein Frachtschiff durchquert viele Meter entfernt das flüssige Element und generiert einen vernehmlichen Wellenschlag, welcher sich auf den vergehenden Weg macht, um den Strand zu beiden Seiten zu berühren. Die frostige Oberfläche in Ufernähe hebt und senkt sich lautmalerisch und das Eis beginnt, vernehmlich zu singen – in seiner ureigenen Melodie, die doch niemand verstehen kann. Es knistert und knirscht, ächzt und seufzt und ja, es singt wahrlich mit Hingabe – zutiefst beeindruckt unterbreche ich meinen Lauf und genieße das orchestrale Naturkonzert in der frühen Morgenstunde – geboren in einer wunderbaren Jahreszeit, die an Genuß ihresgleichen sucht.

Demungeachtet erlitt mein Lauf bereits vorher eine überraschende Unterbrechung. Jählings registrierte ich direkt auf dem Pfad vor mir eine Blindschleiche – eingerollt bei -03 °C. Sodann prüfte ich im Anschluß, ob noch Leben in ihr ist und ja, sie bewegte sich behutsam, wenngleich halb erstarrt. Sofort nahm ich sie mit mir und trug sie weiter in den Forst hinein und erschuf – nicht zuletzt dank der Vorarbeit der Wildschweine – ein behagliches Nest und gab ihr damit hoffentlich ein schützendes Heim. Möge sie die kalten Temperaturen gut überstehen und möge sie fern von den tödlichen Wegen bleiben. Und so setzte ich meine Reise fort, in diesem frostigen Gemälde der melancholischen Einzigartigkeit – dem singenden Eis entgegen…