Der 18.09.2011 – 14 Kilometer, 3649 Jahreskilometer. Wohlan, ich habe es tatsächlich vollzogen – mein glückliches Halbjahresjubiläum: Zehn Jahre & Sechs Monate Täglichlaufen. Jeden einzelnen Tag in dieser langen Zeit habe ich meinen Körper wie Geist mit einem Lauf geehrt. Ausnahmslos. Das eine bedingt das andere, alles bedingt alles. Ich gestehe, dies ist selbst für mich in manchen Momenten unvorstellbar. Doch das Leben hat Recht – und meine Gesundheit pflichtet zusätzlich bei, goutiert es mit konstitutioneller Dankbarkeit. Nach dem tiefgreifenden Jubiläum von einer Dekade, dieser zentralen Zäsur in meinem Leben im geliebten, gelebten Stil des Täglichlaufens hat sich das allumfassende nebelhafte Zeitenrad einmal mehr knirschend gedreht und ein neuerliches halbes Jahr in den ewigen Schlund der unendlichen Vergänglichkeit geworfen. Für immer und immer. Um die Tradition zu wahren, sollte nun erneut ein würdiger Artikel hier veröffentlicht werden. Soll heißen, in ausufernden Dimensionen. Doch nach meinem exponierten Ausnahmejubiläum wie Ausnahmeartikel im März ist jedwedes detailliertes Sinnieren über diese Thematik obsolet, gänzlich überflüssig. Demgemäß beschränke ich mich auf wenige Zeilen und verzichte auf das „dekadente Ausufern“. Wie ich auch schon nicht mit der Realisierung besagter Dekade gerechnet habe, so erschienen mir weitere sechs Monate im Stil des gelebten Täglichlaufens im März freilich nahezu unfaßbar. Allein wer sich seit vielen Jahren dem Täglichlaufen mit Hingabe widmet, weiß, wie herausfordernd ein einzelner Tag respektive Lauf sein kann – und temporär sein muß.
Demungeachtet darf ich offenkundig diese Konzeption auch zukünftig praktizieren, wofür ich natürlich zutiefst dankbar bin; ich weiß das einmalige Geschenk zu schätzen – die Freude obsiegt entsprechend. Der Wein ist kaltgestellt, harrt seiner verzehrenden, halt nein!, verschluckenden Bestimmung; heute wird gefeiert! Vielleicht ist das auch ein immenser Vorteil; nichts erwarten, nichts wollen und ohne törichte Ziele den täglichen Lauf auf dem Pfad der inneren Ausgewogenheit genießen. Explizit in jenem Kontext worauf mein Täglichlaufen kausal basiert. Nichtsdestoweniger als sagenhaftes Heil der tiefen Zufriedenheit interpretieren und leben. Für den Unwissenden mag das zweifellos pathetisch anmuten – wer ebenfalls eine Dekade absolviert hat, wird zustimmen. Auch in der Zukunft werde ich meine Intention in dieser Art leben, denn sie ist für mich der einzig wahre Weg im Täglichlaufen.
Es bedarf nicht vieler Worte, ich nehme den Tag mit diesem für mich bedeutenden Ereignis lächelnd an und bin einmal mehr stolz auf das, was ich in den vergangenen Jahren erreicht habe. Wie viel Menschen wünschen sich Laufen zu dürfen und können doch nicht. Bei wie viel Personen will sich der Körper der Bewegung hingeben, wird aber von einem beschränkten Geist darin gehindert und in Ketten gelegt. Und meiner Wenigkeit wird diese bewegende Gnade seit mehr als einem Jahrzehnt zuteil. Ja, ich würdige das in elementarer Ergebenheit. – Wohin die Reise gehen wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich lasse mich überraschen. Vielleicht endet es morgen oder erst in drei Jahren. Möglicherweise definiere ich einen bewußten Schlußpunkt, was natürlich vom jetzigen Standpunkt aus betrachtet – sehr unwahrscheinlich ist. Doch die Zukunft ist noch nicht geboren. Mein Lied vom Täglichlaufen, ich singe die Ballade mit Inbrunst weiter und – koste es mit allen Sinnen aus, denn die Liebe dafür ist in meinem Herzen geboren. Wo auch sonst.
Strahlender Sonnenschein, der von finsteren Wolken mehr und mehr verdeckt wird. Latente Dunkelheit expandiert in der natürlichen Weite, hält das leuchtende Licht gleich einer nur verhalten glimmenden Fackel in der Ferne verborgen, gefangen im mannigfaltigen Raum der Unendlichkeit. Leiser Wind rast über die Schilfwälder, biegt sie behutsam in die obligate Demut; hinzu gesellen sich mächtige Sturmböen, die zahlreiche Blätter mit sich reißen und in der Finsternis anschließend lautlos hernieder tanzen. Das aufgewühlte Seewasser perlt in behutsamen Kontraktionen wieder und wieder an den Strand. Im Zentrum dieser Düsternis ein schwarzer, kleiner Punkt der sich ungestüm vorwärts bewegt – im Laufschritt, äquivalent den galoppierenden Sturmreitern der Ewigkeit durchdringt er den raschelnden Hain der Einsamkeit. Die täglichlaufende Präsenz manifestiert ihre unbedeutende Existenz Tag für Tag, Lauf um Lauf und verschmilzt scheinbar immerdar mit dem natürlichen Hintergrund. Staub im Wind. Mein Täglichlaufen. Welch ein Geschenk – ich werde nicht müde und kann dies gar nicht oft genug wiederholen! Ich kann diese Gnade nicht in Worte kleiden – und ich will das auch gar nicht. Die Reise setzt sich fort; über stolze Höhen mit ihren ureigenen Wipfeln und durch herausfordernde Tiefen mit all ihren Widrigkeiten. Ich lebe es, weil ich es liebe und liebe es, weil ich es lebe.