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Der traurig, melancholische Sturm

Posted in Photos, Sturmschäden, Täglichlaufen. Laufalltag. on 23. Juni 2013 by Täglichläufer

In der heißen Sommernacht zum 21.06. verdunkelte sich das weite Firmament der Unendlichkeit, der leuchtend blaue Himmel wurde von finsterem Gewölk regelrecht aufgesogen und scheinbar für immerdar verschluckt. Eine gnadenlose Finsternis obsiegte, die freilich nicht absolut regierte, sondern mit roten Farbtupfern gepunkteten Wolkenschiffen einherging, die auf der Atmosphärenbühne unaufhaltsam aufzogen. Und so begann es, die heulende Parade der Sturmregenten marschierte mit ungekannter wie unbarmherziger Macht auf und lud ein – zum Gewitterspektakel der Fährlichkeiten. Vereint mit Starkregen sollte das brausende Schauspiel mehrere Stunden andauern. Lichtblitze zuckten verhängnisvoll, erhellten in beeindruckenden Momenten das tiefschwarze Himmelshabitat; Donner grollte ungestüm. Die säuselnden Windböen demonstrierten ihre Allgewalt kaltlächelnd ohne jedwede Rücksichtnahme, spielten ihre ureigene Melodie und tanzten lärmend hernieder und vernichteten alles, was heldenhaft wagte, sich ihnen entgegenzustellen und den einzigartigen unausgesprochenen Tribut nicht entrichten wollte. Unsichtbare Sturmhände griffen gierig ächzend nach den hehren Bäumen, zerrten brutal an ihnen; die ihre unschuldigen Äste wehrhaft hoch empor gen Horizont streckten, um sie voller Zorn dem kostbaren Leben zu entreißen.

Doch jene widersetzten sich kühn und gaben sich der trügerischen Hoffnung hin, die aufgehende Morgensonne mit ihrem grünen Blattwerk wispernd begrüßen zu dürfen. Sie sollten sich irren. Lauthals tobend intensivierten sich die wütenden Windreiter und galoppierten rasant durch den verletzenden, wehenden Weltgesang, der an uralte Zeiten erinnerte, die doch nicht mehr sind; es währte nicht lange und die ersten Äste brachen sodann in den wartenden Tod und die mit unbändiger Kraft behandschuhten Sturmhände verbanden sich eisern mit den Hünen der floralen Welt, um sie hernach diktatorisch dem Boden für alle Zeitenreiche zu entreißen und den Ästen in die Endlichkeit folgen zu lassen. Der behutsamen Verrottung respektlos preisgegeben. Gefallenes Leben. Wer mit stolzer Stärke verharrte, strebte verdrossen in das Totenland, die biegsamen und augenscheinlich schwächelnden Schilfwälder jedoch, feierten wiederholt ihren überlebenden Triumph. Indessen stimmten die Vertreter der Haine ihr trauriges Klagelied an, ein herzzerreißender Hauch von Schmerz erfüllte die düstere Natur, nur begleitet von Melancholie, die sich allenthalben entfaltete. Ein leises Wimmern in der schwarzen Nacht. So zieht er also von dannen, der traurig, melancholische Sturm… – –

…und offenbart uns beschränkten Menschenwesen unsere Ohnmacht wie Bedeutungslosigkeit. Dieses eben beschriebene nächtliche Ereignis suchte an lokaler Zerstörungskraft seinesgleichen. Selbst der Orkan „Kyrill“ im Januar 2007 war im direkten Vergleich nur eine unbedeutende Brise. Mein Damm gleicht einem Schlachtfeld und zahlreiche Bäume – so viele wie nie zuvor – fielen dem vergessenden Tod anheim. Mein Täglichlaufen wird derzeit durch dementsprechende Klettereinlagen garniert. Solange ich laufe, gehörten die Bäume zu meinen stillen Beobachtern, nun ist ihr Leben endgültig verloren. Alles hat seine Zeit. Gefallene Liebe, gefallenes Leben.

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Gefallene Liebe. Gefallenes Leben. Akt II.

Posted in Sturmschäden, Täglichlaufen. Laufalltag., Täglichlaufen. Laufberichte. on 25. August 2011 by Täglichläufer

Das Leben wiederholt sich. Freilich, ich war nicht geneigt anzunehmen, daß ich eine ähnliche oder gar identische Begebenheit respektive den Auftakt derselben erneut erleben würde. Doch ja, das Leben wiederholt sich; das gleiche alte Lied und demgemäß wiederhole ich selbst mich auch, so sei es:

„Sie war schon da. Noch bevor ich kam. Lange vor meiner Zeit. Zu Beginn nahm ich sie nicht bewußt wahr. Ich sah nur die Gesamtheit, nicht die einzelnen Teile. Seitdem lächelte sie mich an, doch ich lief immer vorbei. Vor einigen Monaten begann es. Sie bewegte sich und kam mir näher. Unmerklich, fast schon heimlich. Stück für Stück, unaufhörlich. Irgendwann fiel sie mir auf – ganz plötzlich. Ab diesem Zeitpunkt konzentrierte ich mich auf sie, ja, sie gefiel mir. Hoch gewachsen, eine stolze Haltung und sehr schön anzusehen. Von Tag zu Tag kamen wir uns näher. Ich freute mich sie jeden Tag zu sehen, wenngleich sie sich langsam veränderte. Die anfängliche Zurückhaltung wich einer latenten Zudringlichkeit, immer stärker. Vergangenen Mittwoch kamen wir uns so nah wie nie zuvor – unser Treffen hatte etwas Bedrohliches an sich. Am Donnerstag folgte ein weiteres Stelldichein. Bei unserer Begegnung streichelte sie liebevoll über meine Haare, nicht wissend, wie gefährlich sie wirklich ist. Ich vertraute ihr, ich ließ sie gewähren und sie ließ mich gehen. Dies war unser letztes Treffen in all ihrer Herrlichkeit. Am Freitag ist sie gefallen – gefallene Liebe. Für immer. Verloren.

Nun, man könnte sich jetzt fragen, wovon ich schreibe. Von einer schönen Frau? Natürlich. Meine Zuneigung galt einer Baumdame. Ein großer Baum, welcher auf der rechten Seite den Damm flankierte, einer von vielen. Es gab einmal eine Zeit, da stand sie aufrecht, hoch in den Himmel gewachsen – stolz und unnahbar. Irgendwann begann eine Entwicklung, die zu einer leichten Neigung führte. Selbst für mich, der täglich diesen Ort passiert, entzog sich die Veränderung zu Beginn. Doch eines Tages fiel mir die Neigung auf, ich konnte sie nicht mehr übersehen. Seitdem beobachtete ich den wunderbaren Baum konzentriert. Die Angst vor dem aufrechten Leben trieb die Baumdame in die Besessenheit sich auf die Seite zu legen. Unaufhaltsam. In ihren letzten Tagen erzeugte sie fast ein Dach, welches sich in drei Metern Höhe quer über meinen Damm ausbreitete. Das baldige Ende war jetzt nur eine Frage der Zeit.

Am Mittwoch hatte der Baum noch zwei Meter bis zum Boden zu überwinden. Ohne Probleme konnte ich durchlaufen. Innerhalb weniger Stunden senkte sie sich um weitere fünf Zentimeter, nun berührten die Blätter zärtlich meinen Kopf. Der Anblick war für mich leicht surreal, jedoch faszinierend – wenngleich die Bedrohung ein ungutes Gefühl in mir auslöste. Die Gefahr war nicht zu leugnen. Als ich am Freitag den Damm erreichte und die erste Biegung absolvierte, erspähten meine Augen das natürliche Hindernis. Wohlan, sie war gefallen. Nimmermehr wird sie erhaben die Welt unter sich betrachten können. Für einige Zeit wird der umgeknickte Baum den Weg blockieren, die Blätter verfärben sich und fallen ab. Zahllose Spaziergänger werden Äste abbrechen, um ein leichteres Vorbeikommen sicherzustellen. Bis irgendwann Personen erscheinen, die mit Sägen bewaffnet den Baum in seine Bestandteile auflösen werden und ihn entfernen; so als ob er nie existiert hätte.

Nicht viel anders unser menschliches Dasein. Wie dieser Baum werden wir klein geboren, wachsen neugierig in die Höhe und sind – hoffentlich – stark, um einen temporären Augenblick am Leben zu partizipieren. Bis dereinst der menschliche Körper zerfällt – ebenso der Geist – und wenn der finale Existenzpunkt erreicht ist, fallen wir ebenfalls danieder. Und lösen uns auf. Vergessen und nicht vermißt. Wie der Baum. Staub im Wind. Gefallene Liebe. Gefallenes Leben. Der Lauf der Endlichkeit.“ – – –

Nahezu an der gleichen Örtlichkeit wie einst vor zwei Jahren harrt erneut eine reizend liebliche Baumdame im Zeichen der kraftvollen Fragilität meiner laufenden Existenz und gewährt mir die elementare Gnade eines geheimnisvollen Rendezvous, welches ich über kurz oder lang nicht ausschlagen kann. Sie selbst genießt das Leben noch aufrecht, reckt sich mühelos gen Himmel und tastet mit ihren Blättern nach der ewigen Versuchung, wenngleich sich ein gewaltiger Geästarm beträchtlich zur Seite neigt und ja, es hat begonnen – sie streichelt bereits zärtlich meine Haare. Eine verhängnisvolle Liebe hat ihren Anfang gefunden und – wenn ich den Zeitraum auch nicht abschätzen will – so werden sich in absehbarer Zukunft die naturgemäßen Fährlichkeiten einstellen; gleichwohl nur für meine Wenigkeit.

Bereits am Dienstag erlebte ich ein imposantes Beispiel dieser Art; vielleicht sollte es mich auf kommende Zeiten einstimmen. Während ich im Laufschritt über meine präferierte Dammstrecke defilierte, vernahm ich plötzlich ein lautes Krachen und Bersten über mir – sodann brach in drei Metern Entfernung ein ansehnlicher Ast ab und schwang anschließend wie ein Pendel hin und her, bis sich irgendwann seine unstete Energie verflüchtigte und er still hernieder hing. Die greifbare Stille im Tod. Eine beeindruckende Machtdemonstration der entschlossenen Natur. Wird es meiner neuen zarten Baumliebe ähnlich ergehen? Wahrscheinlich. Der Moment wird gegenwärtig werden, nur wann – das wird sich zeigen. Das ist das Leben. Gefallene Liebe. Gefallenes Leben. Der Lauf der Endlichkeit.

Gefallene Liebe. Gefallenes Leben.

Posted in Sturmschäden, Täglichlaufen. Laufalltag., Täglichlaufen. Laufberichte. on 4. Oktober 2009 by Täglichläufer

Sie war schon da. Noch bevor ich kam. Lange vor meiner Zeit. Zu Beginn nahm ich sie nicht bewußt wahr. Ich sah nur die Gesamtheit, nicht die einzelnen Teile. Seitdem lächelte sie mich an, doch ich lief immer vorbei. Vor einigen Monaten begann es. Sie bewegte sich und kam mir näher. Unmerklich, fast schon heimlich. Stück für Stück, unaufhörlich. Irgendwann fiel sie mir auf – ganz plötzlich. Ab diesem Zeitpunkt konzentrierte ich mich auf sie, ja, sie gefiel mir. Hoch gewachsen, eine stolze Haltung und sehr schön anzusehen. Von Tag zu Tag kamen wir uns näher. Ich freute mich sie jeden Tag zu sehen, wenngleich sie sich langsam veränderte. Die anfängliche Zurückhaltung wich einer latenten Zudringlichkeit, immer stärker. Vergangenen Mittwoch kamen wir uns so nah wie nie zuvor – unser Treffen hatte etwas Bedrohliches an sich. Am Donnerstag folgte ein weiteres Stelldichein. Bei unserer Begegnung streichelte sie liebevoll über meine Haare, nicht wissend, wie gefährlich sie wirklich ist. Ich vertraute ihr, ich ließ sie gewähren und sie ließ mich gehen. Dies war unser letztes Treffen in all ihrer Herrlichkeit. Am Freitag ist sie gefallen – gefallene Liebe. Für immer. Verloren.

Nun, man könnte sich jetzt fragen, wovon ich schreibe. Von einer schönen Frau? Natürlich. Meine Zuneigung galt einer Baumdame. Ein großer Baum, welcher auf der rechten Seite den Damm flankierte, einer von vielen. Es gab einmal eine Zeit, da stand sie aufrecht, hoch in den Himmel gewachsen – stolz und unnahbar. Irgendwann begann eine Entwicklung, die zu einer leichten Neigung führte. Selbst für mich, der täglich diesen Ort passiert, entzog sich die Veränderung zu Beginn. Doch eines Tages fiel mir die Neigung auf, ich konnte sie nicht mehr übersehen. Seitdem beobachtete ich den wunderbaren Baum konzentriert. Die Angst vor dem aufrechten Leben trieb die Baumdame in die Besessenheit sich auf die Seite zu legen. Unaufhaltsam. In ihren letzten Tagen erzeugte sie fast ein Dach, welches sich in drei Metern Höhe quer über meinen Damm ausbreitete. Das baldige Ende war jetzt nur eine Frage der Zeit.

Am Mittwoch hatte der Baum noch zwei Meter bis zum Boden zu überwinden. Ohne Probleme konnte ich durchlaufen. Innerhalb weniger Stunden senkte sie sich um weitere fünf Zentimeter, nun berührten die Blätter zärtlich meinen Kopf. Der Anblick war für mich leicht surreal, jedoch faszinierend – wenngleich die Bedrohung ein ungutes Gefühl in mir auslöste. Die Gefahr war nicht zu leugnen. Als ich am Freitag den Damm erreichte und die erste Biegung absolvierte, erspähten meine Augen das natürliche Hindernis. Wohlan, sie war gefallen. Nimmermehr wird sie erhaben die Welt unter sich betrachten können. Für einige Zeit wird der umgeknickte Baum den Weg blockieren, die Blätter verfärben sich und fallen ab. Zahllose Spaziergänger werden Äste abbrechen, um ein leichteres Vorbeikommen sicherzustellen. Bis irgendwann Personen erscheinen, die mit Sägen bewaffnet den Baum in seine Bestandteile auflösen werden und ihn entfernen; so als ob er nie existiert hätte.

Nicht viel anders unser menschliches Dasein. Wie dieser Baum werden wir klein geboren, wachsen neugierig in die Höhe und sind – hoffentlich – stark, um einen temporären Augenblick am Leben zu partizipieren. Bis dereinst der menschliche Körper zerfällt – ebenso der Geist – und wenn der finale Existenzpunkt erreicht ist, fallen wir ebenfalls danieder. Und lösen uns auf. Vergessen und nicht vermißt. Wie der Baum. Staub im Wind. Gefallene Liebe. Gefallenes Leben. Der Lauf der Endlichkeit.