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Das Buch des Lebens

Posted in Pro Leben on 31. Juli 2012 by Täglichläufer

Der Juli lebt nicht mehr. Wer am späten Abend in der allumfassenden Natur lustwandelt, wird erkennen, daß die würzige Luft von einem herbstlichen Hauch geprägt ist; wir nähern uns behutsam dem Jahresende. Soeben begann das neue unerwartet irreale Jahr, hoffnungsfroh und doch vergeht es demnächst für alle Zeiten. Äquivalent unser eigenes, temporäres Dasein. Wir werden geboren – ohne gefragt zu werden, ohne vor die Wahl gestellt zu werden – und erhalten unser persönliches Buch des Lebens in die Hand gelegt. Nur der Name steht in eisernen Lettern geschrieben, für viele andere Dinge wie Begebenheiten sind wir selbst verantwortlich. Stunde um Stunde, Tag um Tag, Jahr um Jahr vergeht erbarmungslos. Wir schreiten beständig von der noch nicht gelebten Zukunft in die unendliche Vergangenheit.

Immer mehr Seiten schlagen wir in stiller Hoffnung auf, blättern sie achtlos oder respektvoll um. Manch einer bewahrt dieses imaginäre Buch mit tiefer Wertschätzung auf, pflegt es intensiv und lebt dementsprechend; andere wiederum, treten es mit Füßen, reißen einzigartige Seiten heraus und beschmutzen es gedankenlos oder mit Absicht. Doch irrelevant wie man sich schlußendlich verhält, es existiert kein Garant dafür, wie viel Seiten am Ende in unserem Buch vorkommen werden. Ob man mit Wertschätzung oder Verachtung lebt, für nichts gibt es Garantien und in beiden, divergierenden Formen entwickeln sich dünne Heftchen und dicke Folianten. Das Leben ist unberechenbar. Gnadenlos.

Man wird also geboren; lebt, l i e b t, lacht und weint – indessen vergeht ungerührt die Zeit, unser einziges Leben fließt rasant dahin und wir nehmen das selten intensiv und konzentriert wahr. Man ist ja jung, unendlich viel Jahre haben wir noch zur Verfügung. Entsprechend beschäftigen wir uns oft mit bedeutungslosen Dingen, vergeuden nicht selten die kostbare Zeit – oder auch nicht. Wir streiten miteinander, versöhnen uns und beschreiten Wege, die wir vielleicht gar nicht gehen wollen, was uns freilich nicht hindert, es dennoch zu tun. So füllt sich das Lebensbuch immer mehr, das Aussehen verändert sich mit den Jahren, die Seiten vergilben, werden schwächer, hängen nur noch lose zusammen und die einzelnen Passagen werden älter und älter – oder auch nicht. Und irgendwann wird sich das gewichtige Buch schließen, oft ohne Vorwarnung, so daß es sich nie mehr öffnen läßt und wieder werden wir hierbei nicht gefragt. Auch hier haben wir keine Wahl, kein Recht auf Mitbestimmung. Das Ende wie der Anfang. Der Kreis schließt sich.

Dieses symbolhafte Buch bleibt geschlossen. Für immer und immer. Jener Mensch, der dahinter stand, der es verkörperte, atmet nicht mehr. Er hat sich auf seine letzte Reise begeben, ist aufgebrochen in das unendliche Reich der Vergänglichkeit, dieser letzte Weg ohne Wiederkehr. Und jene, die traurig hinterher blicken, zurückbleiben, werden es nie verstehen. Wie auch? Wie kann das nur möglich sein, diese unerträgliche, schmerzvolle Endgültigkeit? Herzzerreißende Ohnmacht. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Machtlosigkeit. Egal, was wir machen oder tun, es bleibt unabänderlich. Erinnerungen treten auf, aus längst vergangenen Tagen – allmächtige Erinnerungen von wunderbaren Momenten, die einst selbstverständlich waren, ja, die man damals gar nicht beachtet hat, möglicherweise weil sie viel zu banal erschienen, die jetzt zu wertvollen Augenblicken werden, die die Welt bedeuten würden; wenn sie doch nur real wären! Nur einmal noch! Allein, sie sind vergangen, für immer, kehren nicht zurück. Inhaltslose Leere. Im Geist leben jene Personen weiter, solange wir selbst noch leben, so lange werden wir uns mit einem Lächeln oder in Tränen an sie erinnern. Aber irgendwann schließt sich auch unser eigenes Lebensbuch und erst dann wird es so sein, als ob jene Menschen, die wir so geliebt haben, niemals lebten. Dann sind sie wahrhaftig gegangen.

Diesen Artikel widme ich zwei lieben Menschen. Gelesen wird er jedoch nur von einer Person (und kann Dich doch nicht im Ansatz trösten). Das ist das Leben. Es ist nicht fair, das war es nie. Aber hatten wir je die Wahl?

Ausgeliefert. Auf Lebenszeit. II.

Posted in Pro Leben on 12. Januar 2011 by Täglichläufer

Die ersten Tage des neuen Jahres wurden gewandt in das weite Weltenreich der Erinnerungen verbannt. Ohne die geringste Option einer etwaigen Wiederkehr. Wie sehnsüchtig habe ich den geliebten Winter mit seiner weißen Schneepracht erwartet! Nun verbirgt er sich temporär an einem unbekannten Ort der Starre und verwehrt mir bis dato seinen kalten Hauch des Frostes. Freilich wird er uns erneut mit seinem Glanz beehren, doch dem Wandel der Jahreszeiten muß sich auch der liebliche Winter beugen. Die Zeit vergeht und fließt im Fluß des Lebens ungerührt dahin. Einst formulierte ich: „Seither rasen die absolvierten Lauftage/Jahre von der Zukunft in die Vergangenheit – mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit, die ihresgleichen sucht. Tag für Tag, Jahr um Jahr – man ist der Lebenszeit machtlos ausgeliefert. Äquivalent einem Raubtier, welches uns seit der Geburt liebevoll begleitet und langsam verfolgt – bis es uns dereinst immer schneller jagt, die Liebe sich in Kälte wandeln wird, um uns dann routiniert aus dem Spiel zu nehmen. Hoffnungslos.“

Auch dieses Jahr bildet keine Ausnahme. Soeben erst hat das neue Jahresspiel begonnen, demungeachtet ist es bald vorbei. Die Tage rasen in die Vergangenheit, die Wochen folgen und so vergeht unsere kostbare Lebenszeit. Gleich einer unaufhörlichen Sanduhr. Und subjektiv betrachtet, gelingt es uns nur gelegentlich, dieses unbarmherzige Rieseln zu verlangsamen. Innehalten. Mit bedeutenden Momenten des Glücks, der Liebe und der Freude; aber auch mit Leid, Trauer und unangenehmen Augenblicken. Nicht selten empfinden wir gar eine Intensivierung des Zeitenflusses, ja, in manchen Situationen scheint er noch viel rasanter in das Vergessen zu fließen. In der Majorität handelt es sich um die kostbarsten Momente überhaupt – Sekunden, die zu Äonen werden und Stunden, die zu einem Bruchteil einer Sekunde zusammenschmelzen. Allein an uns liegt es, wie wir empfinden, rechnen und das wahre Leben wahrnehmen und leben. Wissen wir es stets zu schätzen? Würdigen wir es angemessen?

Was ist von Bedeutung? Was ist unwichtig? Worauf sollte man sich konzentrieren? Sind manche Dinge es wirklich wert, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken? Um den natürlichen Kreis zum Täglichlaufen zu schließen – mein Stil vereint diese Gedanken – für mich – in ambivalenter Art und Weise. Partiell scheint sich die Zeit zu verdichten, um sich an anderen Tagen unendlich auszudehnen. Mit Lichtgeschwindigkeit versiegt mein täglicher Lauf im unendlichen Nichts, die Sekunden und Kilometer fliegen nur so in die Vergangenheit, um wiederum später gar nicht zu vergehen. Intensivstes Empfinden. Rare Momente des Fühlens in der gelobten Einsamkeit, die all jene Widersprüche in sich vereinen. Eine Quelle des Friedens, der Ruhe und der Harmonie. Im eigenen Weltgesang. Nicht fortwährend, gleichwohl oft. Mein Täglichlaufen – nur für mich allein. Wie wir die Welt sehen, mit den Augen oder mit dem Herz, Erkenntnisse erfahren oder nicht – liegt nur an uns selbst. Aber die Zeit, immer wieder die Zeit – sie läuft weiter. Seit Anbeginn. Bis zu jenem Zeitpunkt, an dem unser aller Herzschlag aufhört zu pochen und ganze Zeitenalter darüber hinaus. Heute wandeln wir gewichtig mit ernst bedeutender Miene auf dieser unseren Erde und morgen sind wir längst vergessen. Für immer und immer. Ausgeliefert. Auf Lebenszeit. Fortsetzung folgt. – – –

An manch einem warmen Sommertag hatte die Eintagsfliege um die Krone eines alten Baumes getanzt, gelebt, geschwebt und sich glücklich gefühlt und wenn das kleine Geschöpf einen Augenblick in stiller Glückseligkeit auf den großen, frischen Blättern ausruhte, so sagte der Baum immer: „Arme Kleine! Nur ein Tag währt dein ganzes Leben! Wie kurz das ist! Wie traurig!“

„Traurig?“ erwiderte dann stets die Eintagsfliege, „was meinst du damit? Alles ist so herrlich licht, so warm und schön, und ich selbst bin glücklich!“

„Aber nur einen Tag, und dann ist alles vorbei!“

„Vorbei?“ sagte die Eintagsfliege, „Was ist vorbei? Bist du auch vorbei?“

„Nein, ich lebe vielleicht Tausende von deinen Tagen, und meine Tage sind ganze Jahreszeiten! Das ist etwas so Langes, dass du es gar nicht ausrechnen kannst!“

„Nein, denn ich verstehe dich nicht! Du bist Tausende von meinen Tagen, aber ich habe Tausende von Augenblicken, in denen ich froh und glücklich sein kann! Hört denn alle Herrlichkeit dieser Welt auf, wenn du einmal stirbst?“

„Nein“, sagte der Baum, „die währt gewiß länger, unendlich viel länger, als ich denken kann!“

„Aber dann haben wir ja gleich viel, nur daß wir verschieden rechnen!“

(Hans Christian Andersen)

Ein lebendiger Moment von Bedeutsamkeit

Posted in Gedichte & Zitate, Pro Leben on 24. August 2010 by Täglichläufer

Über den scheinbaren Sinn des Lebens habe ich einst einen separaten Artikel veröffentlicht. Das Fazit nach Tolstoi ist evident und läßt keine anderen Schlüsse zu. Unser wichtiges menschliches Agieren auf diesem Planeten ist am Ende nur eine Beschäftigungstherapie. Politik, Wirtschaft etc. p. p. – nichts davon ist wirklich wichtig. Das System muß am Leben erhalten werden, weil unsere Spezies sonst keinen Sinn in ihrer Existenz erkennt. Wie dem auch sei, während meines Täglichlaufens erlebe ich eine andere Welt, eine konträre Welt voller Leben – in der alles bedeutend ist. Von der kleinen Blume am Rand des Weges, die den Windböen beharrlich trotzt und von niemanden beachtet wird. Bis hin zu unaufhörlichen Wellen, die an das Ufer geworfen werden und sich in der Zeit verflüchtigen; wie wir selbst. Heute wandeln wir auf Erden, beschäftigen uns mit Dingen, die es nicht wert sind und bereits morgen sind wir verschwunden. Was ist also wahrhaft wichtig? Familie? Oder Geld? Das Leben selbst?

Ist der Moment des Augenblicks nicht viel bedeutsamer? Die kleinen Details im Leben; ein Lächeln, der Sonnenuntergang oder die einsamen Regentropfen, die erst leise vom Himmel fallen, um anschließend die Luft würzend zu beleben? Vielleicht sollten wir – mehr – leben? Darüber kann man nachdenken.

Ein Investmentbanker stand in einem kleinen mexikanischen Fischerdorf am Pier und beobachtete, wie ein kleines Fischerboot mit einem Fischer an Bord anlegte. Er hatte einige riesige Thunfische geladen. Der Banker gratulierte dem Mexikaner zu seinem prächtigen Fang und fragte, wie lange er dazu gebraucht hätte.

Der Mexikaner antwortete: „Ein paar Stunden nur. Nicht lange.“ Daraufhin fragte der Banker, warum er denn nicht länger auf See geblieben sei, um noch mehr zu fangen. Der Mexikaner sagte, die Fische reichten ihm, um seine Familie die nächsten Tage zu versorgen.

Der Banker wiederum fragte: „Aber was tun Sie denn mit dem Rest des Tages?“ Der mexikanische Fischer erklärte: „Ich schlafe morgens aus, gehe ein bißchen fischen; spiele mit meinen Kindern, mache mit meiner Frau Maria nach dem Mittagessen eine Siesta, gehe ins Dorf spazieren, trinke dort ein Gläschen Wein und spiele Gitarre mit meinen Freunden. Sie sehen, ich habe ein ausgefülltes Leben.“

Der Banker erklärte: „Ich bin ein Harvard-Absolvent und könnte ihnen ein bißchen helfen. Sie sollten mehr Zeit mit Fischen verbringen und von dem Erlös ein größeres Boot kaufen. Mit dem Erlös hiervon wiederum könnten sie mehrere Boote kaufen, bis Sie eine ganze Flotte haben. Statt den Fang an einen Händler zu verkaufen, könnten Sie direkt an eine Fischfabrik verkaufen und schließlich eine eigene Fischverarbeitungsfabrik eröffnen. Sie könnten Produktion, Verarbeitung und Vertrieb selbst kontrollieren. Sie könnten dann dieses kleine Fischerdorf verlassen und nach Mexiko City oder Los Angeles und vielleicht sogar New York City umziehen, von wo aus Sie dann ihr florierendes Unternehmen leiten.“

Der Mexikaner fragte: „Und wie lange wird dies alles dauern?“

Der Banker antwortete: „So etwa 15 bis 20 Jahre.“

Der Mexikaner fragte: „Und was dann?“

Der Banker lachte und sagte: „Dann kommt das Beste. Wenn die Zeit reif ist, könnten sie mit ihrem Unternehmen an die Börse gehen; ihre Unternehmensteile verkaufen und sehr reich werden. Sie könnten Millionen verdienen.“

Der Mexikaner sagte: „Millionen. Und dann?“

Der Banker sagte: „Dann könnten Sie aufhören zu arbeiten. Sie könnten in ein kleines Fischerdorf an der Küste ziehen, morgens lange ausschlafen, ein bißchen fischen gehen, mit ihren Kindern spielen, eine Siesta mit ihrer Frau machen, in das Dorf spazieren, am Abend ein Gläschen Wein genießen und mit ihren Freunden Gitarre spielen.“

(nach Heinrich Böll: Anekdote von der Senkung der Arbeitsmoral)

Wertvolles Dasein

Posted in Pro Leben on 7. August 2010 by Täglichläufer

Nach vielen Beiträgen und Gedanken im Kontext des Täglichlaufens ist es nun an der Zeit, einmal mehr in nachdenklichere Regionen aufzubrechen. Ich formulierte bereits eigene Worte; über das höchste Gut, was uns allen zuteil geworden ist – das Leben. Und daß wir mit all unserem Geld nicht eine Minute Lebenszeit kaufen können, ja, es ist wertvoller als sich die Majorität der Menschheit im schnellebigen Alltag vorstellen kann – der Wert läßt sich nicht berechnen. Aber die folgende Geschichte verdeutlicht das fragile Konstrukt des Lebens anschaulicher – als ich es formulieren will. Das Leben ist.

Ich ging zu einer Party. Mama, ich erinnerte mich, was du sagtest. Du ermahntest mich, keinen Alkohol zu trinken. Also trank ich stattdessen Wasser. Ich fühlte mich richtig stolz, Mama, so wie du es mir vorausgesagt hattest. Ich habe nicht getrunken, um später zu fahren, obwohl mir die anderen sagten, es sei nichts dabei. Ich weiß, ich tat das Richtige, Mama, ich weiß, du hattest immer Recht.

Nun ist die Feier zu Ende und alle fahren sie fort. Als ich in mein Auto stieg, wußte ich, ich würde sicher nach Hause fahren, weil du mich so erzogen hast, verantwortungsbewußt und aufmerksam. Ich fuhr also los, aber als ich auf die Straße auffuhr, sah mich der andere Wagen nicht, Mama, er fuhr einfach über mich drüber.

Als ich so lag auf dem Asphalt, hörte ich den Polizisten sagen, “Der Unfallverursacher war betrunken”, Mama – und nun bin ich es die dafür bezahlen wird. Ich liege hier sterbend, Mama. . .

Ich wünsche, du wärst bald hier. Wie konnte das geschehen, Mama? Mein Leben zerplatzt wie eine Seifenblase. In einer Sekunde. Überall um mich ist Blut, das meiste davon ist mein eigenes. Ich höre den Arzt sagen, daß ich bald sterben werde. Ich wollte dir nur sagen, Mama, ich schwöre, ich habe nichts getrunken. Es waren die anderen Mama, die anderen haben nicht nachgedacht. Er war wohl auf derselben Party wie ich. Der einzige Unterschied ist, er hat etwas getrunken. Und ich werde jetzt sterben. Warum betrinken sich die Menschen und fahren dann Auto, Mama?

Es kann Leben zerstören. Jetzt fühl ich heftige Schmerzen. Es sticht wie ein Messer. Der Typ, der mich anfuhr, der geht, Mama. Und ich finde, das ist nicht fair. Ich liege hier im Sterben und alles, was er kann, ist zu starren.

Sag meinem Bruder, er soll nicht weinen, Mama! Schreibt “Papas Mädchen” auf meinen Grabstein. Jemand hätte ihm sagen sollen, kein Alkohol hinter dem Steuer. Hätte er nachgedacht, wäre ich noch am Leben. Mein Atem wird kürzer, Mama, ich bekomme solche Angst. Bitte weine nicht um mich, Mama. Du warst immer da als ich dich brauchte. Ich habe nur noch eine letzte Frage, bevor ich mich verabschiede. Ich bin nicht betrunken gefahren, also warum bin ich diejenige, die stirbt?

(Unbekannt) – In Teilen von mir modifiziert.

Einzigartiges Leben

Posted in Fauna, Gedichte & Zitate, Photos, Pro Leben, Pro Natur on 7. April 2010 by Täglichläufer

Das Leben ist grün geworden. Allenthalben blüht, grünt und wächst es ohne Unterlaß. Schleichend legen die Wälder ihre frühlingshaften Gewänder an, vollziehen den Wechsel und laden gleichsam aufmerksame wie stille Beobachter zum Verweilen ein, um am natürlichen Kreislauf des Lebens teilzunehmen. Die gefiederte Vogelwelt hingegen, ist längst einen Schritt weiter und betreibt engagiert ihre Brutvorbereitungen. Ihre zahlreichsten Vertreter, als da wären – Graugänse, Bläßhühner und Stockenten dominieren unangefochten das Geschehen. Aber auch die stolzen Bussarde und die grazilen Schwäne preisen derzeit die Zweisamkeit. Kurzum, jeder Lauf wird zu einem Erlebnis und oft genug unterbreche ich selbigen, um mit einem Lächeln die Fauna zu beobachten oder gar mit der Tierwelt zu reden. Freilich, die Kommunikation von meiner Seite aus – ist längst nicht ausgereift, doch dies tut meiner Freude keinen Abbruch.

Und auch in diesem Jahr darf ich mich zu dieser oder jenen Minute als Retter beweisen, wie im folgenden Beispiel des Tagpfauenauges, den ich nicht in einem Spinnennetz seinem Schicksal überlassen wollte. Die Arachniden mögen mir meine neuerliche Intervention verzeihen. Obwohl der Schmetterling einen hohen Preis entrichten mußte, konnte er – nachdem ich ihn von den tödlichen Fäden befreite – gen Himmel davon fliegen. Die zahmen Goldfische indes, bedurften nicht eines Befreiungsschlages. Im Gegenteil, wie der geneigte Kommentator unschwer erkennen kann, begrüßen wir uns per Hand-, respektive Flossenschlag.

Die erwachende Lebendigkeit ist derzeit einzigartig. Ich bin froh, ein Täglichläufer zu sein, der Körper und Geist mit einem täglichen Lauf in der Natur würdigen darf. Und kann. Auch als ein Akt der eigenen Wertschätzung. Insbesondere der persönlichen Selbstachtung – den Körper als Geschenk der temporären Existenz ehren. Ein Garant für Zufriedenheit, Harmonie und Frieden.

Verhalten zur Natur

Ich sehe täglich die Natur.
Doch an beglücktem Tage nur
wirft sie von ihrem holden Seyn
in’s Herz mir einen Widerschein.
Wer sie besieht mit Herzensöde,
dem bleibt sie stumm und kalt und spröde.

(Karl Mayer)

Ausgeliefert. Auf Lebenszeit.

Posted in Pro Leben on 28. August 2009 by Täglichläufer

Täglichlaufen. Wenn ich auch mein Denken diesbezüglich in zahllosen Artikeln auf meiner Seite en détail erläutert habe, so wird folgender Punkt stets mein Bewußtsein dominieren. Eine Thematik mit der ich mich schon viel zu oft beschäftigt habe. Die Zeit. Immer wieder die Zeit. Das Täglichlaufen hat meine Zeitwahrnehmung auf eine gänzlich andere – konzentrierte Ebene gehoben und das Wissen, daß es sich hierbei um ein künstliches Konstrukt des menschlichen Geistes handelt, tangiert diesen Eindruck mitnichten. Diese bewußte Sensibilisierung begann sich im Endstadium meines ersten Täglichlaufjahres zu offenbaren, fokussiert durch die tägliche Dokumentation. Seither rasen die absolvierten Lauftage/Jahre von der Zukunft in die Vergangenheit – mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit, die ihresgleichen sucht. Tag für Tag, Jahr um Jahr – man ist der Lebenszeit machtlos ausgeliefert. Äquivalent einem Raubtier, welches uns seit der Geburt liebevoll begleitet und langsam verfolgt – bis es uns dereinst immer schneller jagt, die Liebe sich in Kälte wandeln wird, um uns dann routiniert aus dem Spiel zu nehmen. Hoffnungslos.

Wie bereits vor kurzem in meinem Beitrag Staub im Wind angesprochen, sind wir – die Menschen respektive unser Leben – nicht mehr als ein Wimpernschlag in der Unendlichkeit. Staub im Wind, ein Hauch im Nichts. Dieser Umstand wird mir nicht nur durch das Täglichlaufen sehr intensiv vor Augen geführt. Auch mein genealogisches Hobby trägt das seine dazu bei. Wenn ich beispielsweise Kirchenbucheinträge lese, in denen Heiraten, Geburten und Todesdaten erfaßt wurden, so ist dies ein zutiefst surreales Gefühl. Ich lese von Hochzeiten, von den Paten, von Feiern, der Geburt geliebter Kinder und nicht zu vergessen – das beständige und unaufhaltsame Sterben am Ende. Die Menschen hinter den Einträgen und Buchstaben lebten, liebten und feierten – sich und das Leben. Beim Studieren dieser Daten verliere ich mich nur zu gerne in den Fragmenten meiner Vorfahren, doch dann schlägt die Einsicht erbarmungslos zu. Wie lange ist das her? Wann lebten jene Personen, von denen ich soeben las? Vor 300 Jahren. Vor 250 Jahren. Vor 200 Jahren. Das Lebensglück längst vergangener Zeiten. Erschreckend. Verging für sie damals die Zeit ebenso rasant?

Eine Laune der Natur hat mich zu einem ihrer Nachfahren bestimmt, hineingeworfen in die menschliche Welt. Eine Welt, die mit gebührlichem Abstand zu einer kümmerlichen, absurden Posse mutiert. Lächerliche Probleme, die uns unablässig beschäftigen und dennoch nicht gelöst werden wollen. Gewolltes Leid, globales Elend, Armut im Überfluß und die verinnerlichte, ja, fast schon genetisch bedingte Gier nach Geld und Kriegen. Zu viele Menschen, die sich und ihr Handeln in der jeweiligen Kaste als wichtig definieren und doch nur kleine, hilflose Marionetten sind – und auf Kosten ihrer Kinder, der zukünftigen Generationen agieren. Zerrbilder ihrer selbst. Großunternehmen, Staaten und Organisationen, die letztlich alle vereint den finanziellen Aspekten unseres monetären Lebens hinterher hetzen, um doch nichts Sinnvolles zu erreichen. Und das wirkliche Sein vergessen. Das wahre Leben ist nicht käuflich zu erwerben – das war es noch nie. Gesundheit, Liebe, Familie, Harmonie und Zufriedenheit. Doch man muß den Wert des Lebens erkennen, bevor man leben kann. Ja, ich existiere in der bizarren Welt der Menschen, die ich nie verstehen werde. Ich schließe mit einem nachdenklichen Gedankenspiel, welches sich nahtlos in das Thema einfügt.

Stellen Sie sich vor, Sie haben bei einem Wettbewerb folgenden Preis gewonnen: Jeden Tag, stellt Ihnen die Bank 86.400 Euro auf Ihrem Bankkonto zur Verfügung.

Doch auch dieses Spiel hat – genau wie jedes andere – gewisse Regeln. Die erste Regel lautet:

Alles, was Sie im Laufe des Tages nicht ausgegeben haben, wird Ihnen wieder weggenommen, Sie können das Geld nicht einfach auf ein anderes Konto transferieren, Sie können das Geld nur ausgeben. Aber jeden Tag, wenn Sie erwachen, stellt Ihnen die Bank erneut 86.400 Euro für den kommenden Tag auf Ihrem Konto zur Verfügung.

Die zweite Regel ist:

Die Bank kann das Spiel ohne Vorwarnung beenden, zu jeder Zeit kann sie sagen: Es ist vorbei, das Spiel ist aus. Sie kann das Konto schließen und Sie bekommen kein neues mehr.

Was würden Sie tun?

Sie würden sich alles kaufen, was Sie möchten? Nicht nur für Sie selbst, auch für alle anderen Menschen, die Sie lieben? Vielleicht sogar für Menschen, die Sie nicht einmal kennen, da Sie das nie alles für sich allein ausgeben könnten? In jedem Fall aber würden Sie versuchen, jeden Cent so auszugeben, daß Sie ihn bestmöglich nutzen, oder?

Wissen Sie, eigentlich ist dieses Spiel die Realität. Schon immer.

Jeder von uns hat so eine derartige Bank. Wir sehen sie nur nicht, denn die Bank ist die Zeit. Täglich bekommen wir 86.400 Sekunden Leben für den Tag geschenkt und wenn wir am Abend einschlafen, wird uns die übrige Zeit nicht gut geschrieben. Was wir an diesem Tag nicht gelebt haben, ist verloren, für immer verloren. Gestern ist vergangen. Jeden Morgen beginnt sich das Konto neu zu füllen, aber die Bank kann das Konto jederzeit auflösen, ohne Vorwarnung. Einfach so.

Was machen Sie also mit Ihren täglichen 86.400 Sekunden? Sind sie nicht viel mehr wert als die gleiche Menge in Euro? Vielleicht sollten wir jetzt anfangen zu leben?

(Unbekannt) – In Teilen von mir modifiziert.

Unser höchstes Gut

Posted in Pro Leben on 10. März 2009 by Täglichläufer

In unserer Zeit existieren folgende Paradoxa. Wir haben hohe Gebäude, aber eine niedrige Toleranz, breite Autobahnen, aber enge Ansichten. Wir verbrauchen mehr, aber haben weniger, machen mehr Einkäufe, aber haben weniger Freude. Wir haben größere Häuser, aber kleinere Familien, mehr Bequemlichkeit, aber weniger Zeit, mehr Ausbildung, aber weniger Vernunft, mehr Kenntnisse, aber weniger Hausverstand, mehr Experten, aber auch mehr Probleme, mehr Medizin und doch weniger Gesundheit.

Wir rauchen zu stark, wir trinken zu viel, wir geben verantwortungslos viel aus; wir lachen zu wenig, fahren zu schnell, regen uns zu schnell auf, gehen zu spät schlafen, stehen zu müde auf; wir lesen zu wenig, sehen zu viel fern. Wir haben unseren Besitz vervielfacht, aber unsere Werte reduziert. Wir sprechen zu viel, wir lieben zu selten und wir hassen zu oft. Wir wissen, wie man seinen Lebensunterhalt verdient, aber nicht mehr, wie man lebt. Wir haben dem Leben Jahre hinzugefügt, aber nicht den Jahren Leben. Wir kommen zum Mond, aber nicht mehr an die Tür des Nachbarn. Wir haben den Weltraum erobert, aber nicht den Raum in uns. Wir machen größere Dinge, aber nicht bessere.

Wir können Atome spalten, aber nicht unsere Vorurteile. Wir schreiben mehr, aber wissen weniger, wir planen mehr, aber erreichen weniger. Wir haben gelernt schnell zu sein, dennoch können wir nicht warten. Wir produzieren neue Computer, die mehr Informationen speichern und eine Unmenge Kopien herstellen, aber wir verkehren weniger miteinander. Es ist die Zeit des schnellen Essens und der schlechten Verdauung, der großen Männer und der ignoranten Seelen, der leichten Profite und der schwierigen Beziehungen. Es ist die Zeit des größeren Familieneinkommens und der Scheidungen, der schöneren Häuser und des zerstörten Zuhause. Es ist die Zeit der schnellen Reisen, der Wegwerfwindeln und der Wegwerfmoral, der Beziehungen für eine Nacht und des Übergewichts. Es ist die Zeit der Pillen, die alles können. Sie erregen uns, sie beruhigen uns, und – sie töten uns.

Vergeßt nicht, mehr Zeit denen zu schenken, die Ihr liebt, weil sie nicht immer mit Euch sein werden. Sagt ein gutes Wort denen, die Euch jetzt voll Begeisterung von unten her anschauen, weil diese kleinen Geschöpfe bald erwachsen werden – schneller als Ihr ahnt – und nicht mehr bei Euch sein werden. Schenkt dem Menschen neben Euch eine innige Umarmung, denn sie ist der einzige Schatz, der von Eurem Herzen kommt und Euch nichts kostet. Dieser Schatz ist EHRLICH. Sagt dem geliebten Menschen: „Ich liebe Dich“ und meint es auch so. Ein Kuß und eine Umarmung, die von Herzen kommen, können alles Böse wiedergutmachen. Geht Hand in Hand und schätzt die Augenblicke, wo Ihr zusammen seid, denn eines Tages wird dieser Mensch nicht mehr neben Euch sein. Dann ist alles zu spät und jede Chance vertan.

Findet Zeit Euch zu lieben, findet Zeit miteinander zu sprechen, findet Zeit, alles was Ihr zu sagen habt miteinander zu teilen – denn das Leben wird nicht gemessen an der Anzahl der Atemzüge, sondern an der Anzahl der Augenblicke, die uns den Atem berauben.

(Nach George Carlin)

Womöglich regt dieser Text zum Nachdenken an; mit der Konsequenz unser Leben konzentrierter und bewußter wahrzunehmen. Was ist wirklich wichtig? Das neue Auto? Oder das Gespräch mit einer guten Freundin oder den alten Eltern, die wir lange nicht besucht haben? Buntes bedrucktes Papier im Safe? Oder doch der Moment, wo wir unseren Kindern vor dem Zubettgehen eine Geschichte vorlesen? Sich dem Streß hingeben, um eine Gehaltsklasse aufzusteigen? Um sich noch mehr unnütze Dinge leisten zu können – von denen wir sowieso nichts haben, da unsere freie Zeit weiter reduziert wird? Oder Innehalten und die Blume am Wegrand betrachten? Die Biene, wie sie von Blüte zu Blüte springt? Die Wolken am Himmel betrachten?

Wir hetzen nur so dahin, machen uns zu Sklaven der Zeit und merken nicht, wie schnell sie in Wahrheit vergeht. Wir denken, „was geht mich das schon an; ich bin jung“. Doch die Jahre erobern die Vergangenheit mit einem wahnwitzigen Tempo. Jahre bedeuten nichts. Unser Dasein ist endlich. Ein Wimpernschlag in der Unendlichkeit. Es ist ein großes Geschenk, daß wir für einen Moment am Leben partizipieren. Man kann diese Existenz nicht in widerwärtiges Geld aufrechnen – dazu ist es zu kostbar.

2009_maerz_flut

Vielleicht sollten wir unser höchstes Gut, unser Leben, diese – einmalige – Chance nutzen, sinnvoll nutzen. Und sei es nur mit einem bewußten Lauf, der in den Sonnenuntergang führt. Sich bewegen, ist schließlich ein erster Schritt für eine stabile Gesundheit und damit ein Weg in die Zufriedenheit. Wenngleich sich diese Erkenntnis vor den meisten Menschen verbirgt. Und natürlich können wir dem Dämon des Geldes nicht entkommen; wir sind hochgradig abhängig. Dennoch können wir unsere Existenz bewußter gestalten, mit dem Sinn für das Wesentliche. Leben wir den Moment. Mit dem Herzen. Mit wachen Augen, die das Jetzt in unserem Bewußtsein berühren.