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1997-2012. 15 Jahre Laufen.

Posted in Laufen. 15 Jahre. on 10. Juni 2012 by Täglichläufer

Im Sommer 1997 – ein konkretes Datum kann ich nicht benennen – gab ich mich erstmalig dem wunderbaren Laufgenuß hin. Doch halt, was schreibe ich hier? Das war damals weder Laufen noch wunderbar noch konnte von irgendeinem Genuß die Rede sein. Nach wenigen Metern war ich dem gefühlten Koma sehr nahe und die Luft, wohin hatte sich nur der belebende Sauerstoff verflüchtigt? Und weil all dies noch nicht ausreichte, gesellte sich noch ein sogenanntes Seitenstechen dazu. Oh, du komische pustende, anstrengende Laufwelt! Wie kann man nur freiwillig laufen, wieso tue ich mir das an? Schließlich habe ich das Laufen grundsätzlich schon immer von Herzen verabscheut. Ja, so begann es damals, vor nunmehr 15 Jahren. Viele, viele Jahre sind im vergänglichen Zeitenrad des Lebens verschieden und ja, ich laufe immer noch. Was ich früher haßte, liebe ich heute.

Welch eine konträr anmutende Entwicklung habe ich schlußendlich vollzogen. Wer hätte das gedacht? Ich? Nein, nie. Dies mag nun übertrieben pathetisch klingen, aber das Laufen hat einen anderen Menschen aus mir gemacht. Gleichwohl muß ich eingestehen, daß es das Täglichlaufen war, nicht das normale Laufen. Wäre mir einst nicht der ungewollte Wandel zum Täglichläufer gelungen, so hätte ich den Laufsport längst eingestellt. Meinen Weg habe ich hier ausführlich beschrieben. Was habe ich in jenem Sommer vor 15 Jahren nur in Gang gesetzt, an welchem surrealen Rad habe ich unbewußt nur gedreht? Was für unwirkliche Pfade habe ich seitdem beschritten? In der Rückbetrachtung erscheint es selbst für mich unvorstellbar.

Nach zwei Jahren mutierte ich zum Täglichläufer. Ausgerechnet ich! Und nach abermals zwei Jahren vollzog ich den unbeabsichtigten Serienauftakt am 18.03.2001, der bis heute Bestand hat. Mittlerweile sind 11 Jahre und bald drei Monate Täglichlaufen in Serie zusammen gekommen. Allein im Rahmen dieser Täglichlaufserie bin ich einmal um die Erde gelaufen – und darüber hinaus. Ausgerechnet ich! Der Antisportler, der Laufen von Herzen haßte. Das Leben hat einen seltsamen Humor. Ich muß mich an dieser Stelle wiederholen, all dies wollte ich nie – ich habe es nie bewußt geplant. Wie könnte man das auch planen? All das ist aus dem Nichts heraus entstanden; freilich habe ich irgendwann den Wert erkannt und es schätzen wie lieben gelernt, so daß ich diese Intention, die ich später generierte, manifestierte und bis dato in Ehren halte.

Meinen intensivsten Triumph durfte ich am 18.03.2011 vollziehen und erleben, zehn Jahre Täglichlaufen in Serie, hinweg über alle Hindernisse, Hürden, gesundheitliche Widerstände und nicht zuletzt gegen den größten Feind, den es nur geben kann – mich selbst. Im Laufe der Jahre hat sich mein Denken fundamental verändert, mittlerweile kann ich über Begriffe wie Disziplin, Selbstdisziplin und Motivation nur noch lächeln. Definitionen, die ich einst für mich selbst in Anspruch nahm, sind obsolet geworden. Das banale, reduzierte Fazit begründet sich wie folgt – ich liebe das Laufen in der einzigartigen Natur von Herzen und ich habe die daraus resultierenden Vorteile zu schätzen gelernt. Alles andere ist überflüssig, bedeutungslos geworden.

Sicherlich bin ich sehr stolz, wie sich meine irreale Reise entwickelt hat, aber darauf bilde ich mir nichts ein, ist es denn eine Besonderheit zu Atmen? Nein, mitnichten. Was könnte natürlicher als Täglichlaufen sein? In all den Jahren bin ich sehr vielen Menschen begegnet, die mich lange Zeit begleitet haben und es heute noch tun. Doch einige von ihnen, die mich täglich beobachteten, leben nicht mehr – das Geschehen wurde von ihnen oft amüsant kommentiert – sie haben ihre temporäre Existenz auf diesem Planeten ausgehaucht. Menschen kommen und gehen. Mein Laufen, Täglichlaufen lebt noch immer, wenngleich das fragile Konstrukt dereinst zerbrechen wird, muß. Doch noch werde ich diese meine tägliche Konstante hochleben lassen. Besonders wehmütig blicke ich auf meinen ehemaligen Sportlehrer zurück, der die ersten Anfänge latent beobachtete – ohne das wirklich zu wissen.

Diesen Artikel widme ich meinem verehrten Sportlehrer, den ich einst nicht im Ansatz verstand; diesem Lebenssportler, der für den Sport lebte und durch selbigen aus dem Leben schied. Und freilich, er verstand mich nicht, warum ich mit meinem nicht trainierten Körper nicht laufen konnte oder wollte und somit schlechte Noten zu recht erhielt. Warum ich Sport verabscheute. Zeiten ändern sich, Menschen auch. Manchmal. Seine Leidenschaft, seine Liebe, Hingabe und daß er Sport als sein Leben betrachtete – dafür L E B T E – ja, heute verstehe ich ihn. Ich bin nun selbst so geworden, gleichwohl in anderer Art und Weise. Doch mein früheres I C H werde ich nicht vergessen, es lebt weiter in mir – der Antisportler. Wie gern würde ich mich heute mit ihm unterhalten, mit ihm laufen, diesen Artikel zeigen oder an seinen Sportstunden teilnehmen. Dieser Wunsch bleibt mir für immer und immer verwehrt. Das ist das Leben.

Vor 15 Jahren trat ich in die Laufwelt ein, ich lasse mich überraschen, wie lange ich ihr noch angehören darf. Das „täglich“ wird sich irgendwann auflösen, absorbiert vom allumfassenden Nichts – wie es geboren wurde, doch das Laufen selbst – das wird wahrscheinlich darüber hinaus weiterleben. Und ja, nach all der Zeit frage ich mich manchmal in schwachen Momenten heute noch, wieso laufe ich eigentlich? In diesen seltenen Augenblicken sind die 15 Jahre gar nicht so weit entfernt. Laufen. Täglichlaufen. Ich werde es nie verstehen. Aber ich liebe es von Herzen. Und, ich lebe es.