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Das Zepter der Kälte. Akt III.

Posted in Einzigartige Momente, Klimaanalysen, Statistik, Täglichlaufen. Status. on 29. September 2015 by Täglichläufer

Behutsam, nein, zärtlich ungestüm und gleichsam zutiefst liebevoll senkte es sich mit erhabener Anmut unerwartet hernieder und entfaltete einfühlsam mit einem kaltlächelnden Hauch seine prosperierende Macht – das Zepter der Kälte – wurde endlich von der mysteriösen Winterregentin voller Vorfreude geschwungen und ja, ich goutierte diesen ihren Enthusiasmus und warf mich ihr im Laufschritt mit mächtiger Leidenschaft entgegen. Erste Impressionen von zartem Weiß erspähten meine Augen und ich genoß diese belebende Dynamik wahrlich, wenngleich sie bar jedweder wörtlichen Beschreibung lebte. – So formulierte ich im Jahre 2013 – angesichts einer greifbaren Lebendigkeit wie Kälte, welche derart früh den frostigen Mantel hernieder warf.

Damals vollzog ich den ersten Kältelauf am 02.10. und ich war nicht geneigt anzunehmen, daß jener frühe Wert zeitnah unterboten werden könnte, doch ich sollte mich irren. Heute früh erfolgte der erste Kältelauf in dieser aktuellen Herbst/Winterphase und zum ersten Mal überhaupt zieht nun der September in diese meine Statistik (gerechnet ab 2000) ein – dies ist durchaus bemerkenswert und ja, ich hoffe, auf einen frostigen, schneereichen und edlen Winter, der all mein Hoffen realisieren und in keiner Weise enttäuschen wird. Dum spiro spero.

Letzter und erster Kältelauf im Jahr

Jahr Letzter Kältelauf Erster Kältelauf
2000 05.03.2000 16.12.2000
2001 27.03.2001 09.11.2001
2002 15.03.2002 13.10.2002
2003 09.04.2003 10.11.2003
2004 10.03.2004 19.11.2004
2005 07.03.2005 19.11.2005
2006 21.03.2006 27.12.2006
2007 23.02.2007 11.11.2007
2008 18.02.2008 21.11.2008
2009 24.02.2009 08.11.2009
2010 11.03.2010 18.10.2010
2011 27.03.2011 14.10.2011
2012 09.04.2012 12.10.2012
2013 10.04.2013 02.10.2013
2014 17.04.2014 28.10.2014
2015 29.04.2014 29.09.2015

Ein weiteres Ereignis sucht heute seinesgleichen. Angesichts der atemberaubend schönen Sonnenstrahlen, welche den Tagesreigen zärtlich wie galant eröffneten, verflüchtige sich jedwede Energie in meinem Körper wie Geist und wie von einer fremden Macht latent berührt, die gravitätisch auf mich einwirkte, erlahmte mein Laufschritt bis zum Stillstand und so harrte ich ganz banal der wunderschönen Natur, die sich direkt auf mein Herz konzentrierte. Mir steht es nicht zu, jenen Moment in Worte kleiden zu dürfen, doch darf das Rascheln, welches mich jählings überraschte, nicht unerwähnt bleiben. Freilich erspähte ich sofort die Quelle und gewahrte ein prachtvolles Reh; es nahm seinen Pfad durch die Sträucher und lustwandelte gen Damm. Ich stand nur still und beobachtete und das Reh nahm mich in keiner Weise wahr. Es zog seines Weges und verschwand schlußendlich – immer unter meiner Beobachtung. Ein Novum für mich. Bei aller Zutraulichkeit dieser herrlichen Waldbewohner wurde ich noch stets entdeckt; erst heute – nach all den vielen Jahren Täglichlaufen – gelang mir diese unbedarfte, ehrliche und unvergleichliche Impression. Ja, das ist Täglichlaufen – wie ich es liebe.

Das Zepter der Kälte. Akt II.

Posted in Klimaanalysen on 8. Oktober 2013 by Täglichläufer

Behutsam, nein, zärtlich ungestüm und gleichsam zutiefst liebevoll senkte es sich mit erhabener Anmut unerwartet hernieder und entfaltete einfühlsam mit einem kaltlächelnden Hauch seine prosperierende Macht – das Zepter der Kälte – wurde endlich von der mysteriösen Winterregentin voller Vorfreude geschwungen und ja, ich goutierte diesen ihren Enthusiasmus und warf mich ihr im Laufschritt mit mächtiger Leidenschaft entgegen. Erste Impressionen von zartem Weiß erspähten meine Augen und ich genoß diese belebende Dynamik wahrlich, wenngleich sie bar jedweder wörtlichen Beschreibung lebte.

Am 02.10. absolvierte ich meinen Lauf bei -02 °C – zwei weitere Kälteläufe sollten folgen – und diese Tatsache ist mir freilich einen eigenen Artikel wert. Derzeit ist meine Statistik im Kontext Kälteläufe auf insgesamt 841 angewachsen und allein in diesem Jahr vollzog ich bereits 89 im Zeichen der weißen Kühle. Möglicherweise werde ich 2013 den bisherigen Höchstwert von 2010 übertrumpfen. Das mag nun keine Besonderheit sein, aber bemerkenswert sind die Fakten, daß es in den vergangenen 13 Jahren nicht einmal so früh d e r a r t kalt wurde; auf jenen genannten Zeitraum bezogen, kam der Wert von -02 °C anderthalb bis zwei Monate zu früh. Zudem erfolgte der letzte Kältelauf im Frühjahr so spät wie nie zuvor. Anders formuliert – das Jahr 2013 preist die belebende Winterkälte in einem Maß, welches 13 Jahre nicht der Fall war. Aussagen, die weiter in die Vergangenheit führen, kann ich an dieser Stelle nicht treffen, da meine täglichlaufende Statistik erst ab dem Jahr 2000 lückenlos ist und selbstredend immer den Laufzeitpunkt betreffen.

Ich bin geneigt anzunehmen, daß der kommende Winter entsprechend außerordentlich frostig werden wird, die ersten latenten Ausläufer implizieren das in fühlender Form und wahrscheinlich werden neue Höchstmarken im Rahmen der Witterungsstatistik mich früher oder später anlächeln. Natürlich prognostiziere ich keine Vermutungen, die in der Zukunft schimmern, das überlasse ich gerne den gewichtigen Meteorologen – jenen, die das Wetter vorherSAGEn. So sei es.

2013_Damm

Ein Wanderer: „Wie wird das Wetter heute?“

Der Schäfer: „So, wie ich es gerne habe.“

„Woher wißt Ihr, daß das Wetter so sein wird, wie Ihr es liebt?“

„Ich kann nicht immer das bekommen, was ich gerne möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich bekomme. Deshalb bin ich ganz sicher: Das Wetter wird heute so sein, wie ich es mag.“

Was immer geschieht, an uns liegt es, Glück oder Unglück darin zu sehen.

(Anthony De Mello)

Die versunkene Welt

Posted in Klimaanalysen, Täglichlaufen. Laufalltag., Täglichlaufen. Laufberichte. on 9. Januar 2011 by Täglichläufer

In diesem Sommer werde ich seit 14 Jahren zur Läuferzunft zählen. In der Zeit habe ich sehr viel erlebt, aber jene Witterungsverhältnisse wie sie aktuell dominieren – die sind neu, ja einzigartig für mich, das gab es noch nie. Ein Novum. Der Tag begann mit einer einladenden Finsternis, die ihresgleichen suchte. Das Tauwetter setzt sich fort. In weiser Voraussicht wählte ich ein älteres Paar Laufschuhe und zwar das Exemplar, was nur noch aus Löchern besteht und durch dieselben zusammengehalten wird. Als leidenschaftlicher Täglichläufer pflege ich meine Laufschuhe nicht, nein, ich ruiniere sie – und dies zügig. Es sollte die richtige Wahl sein. Tiefhängende Wolken der Dunkelheit am Firmament ließen eine leise Ahnung in mir aufkeimen. Sollte ich heute meinen ersten Regenlauf in diesem noch jungen Jahr erleben? Ja, die Gnade wurde mir gewährt.

Obwohl die Rad- wie Fußwege mittlerweile vom Eis wie Schnee befreit sind, werden einige Nebenstraßen und die Wälder partiell weiterhin vom Glatteis beherrscht. Welche Herausforderung, diese Verhältnisse wohlbehalten zu überstehen! Ich kämpfe mich balancierend über das Eis, nicht unbedingt langsam und komme doch kaum vorwärts. Die ungestüme Energie in mir ist gefesselt, ich kann meine Kraft nicht entfalten. Sie ist gebannt. Eine Grußfreundin wandert durch das dichte Unterholz, welches von Nebelschwaden durchzogen ist und ruft mir lachend zu: „Marcus, endlich kann ich einmal mit dir mithalten!“. Wir unterhalten uns kurz, doch die eisige Konzentration fordert ihren Tribut. Plötzlich verflüchtigt sich die Eisfläche und ein Grasstreifen taucht vor mir auf, fester Untergrund. Endlich! Meine Beine finden ihren angemessenen Halt und mein innerer Motor entfaltet seine Macht, so daß ich mit höherer Geschwindigkeit mein Täglichlaufen genießen kann. Allein, dies währt nicht lange.

Der Weg am Waldrand wurde bereits Anfang Dezember überflutet, um sich für längere Zeit in den starren Mantel des Frostes zu kleiden. Selbiger wurde nun übermütig abgeworfen und die Flut dringt naß lächelnd weiter vor. Ich habe nur die Option im Wald zu laufen. Mittlerweile bestätigt sich meine regnerische Vermutung und ein zarter Sprühregen setzt ein, den ich leise jubelnd willkommen heiße. Neun Tage früher als im Vorjahr erfahre ich meinen ersten Regenlauf. Welch großartiges Geschenk! Gleichwohl richtet sich mein Fokus mehr auf die Nässe von unten – als jene von oben. Unmittelbar nach der kleinen Brücke erfolgt der nächste Halt, auch hier ist der Pfad nicht mehr existent. Die Flut hat fast die Gärten erreicht und ich versinke bis weit über die Knöchel im Wasser. Schmatz. Schmatz. Mit nassen und laut schmatzenden Schuhen erreiche ich sodann den zweiten Wald, der ebenfalls mit einer Überraschung aufwartet. Der liebliche Weiher hat seine feuchten Flutarme ausgestreckt und verzehrt auch hier den matschigen Pfad.

Und selbst der Damm macht seinem Namen alle Ehre und wird von beiden Seiten vom Wasser flankiert. Immerhin hat sich dort das Glatteis verflüchtigt; entspanntes Laufen steht im Vordergrund. Die große Wiese in der Mitte meines präferierten Laufareals ist nahezu komplett überflutet. Eine derart versunkene Welt, im Zeichen der Flut habe ich bis dato nicht erlebt. Der heutige Tag bildet einen absoluten Höhepunkt für mich. Ich bin geneigt anzunehmen, daß ich morgen einen weiteren Flutgipfel erleben werde. Denn, das Tauwetter hat erst begonnen. Wohin die nasse Reise gehen wird, wird die nächste Zeit offenbaren. Ein Geräusch werde ich jedenfalls nun öfter vernehmen. Schmatz. Schmatz.

Frostiger Schneetanz im Finsterglanz

Posted in Klimaanalysen, Täglichlaufen. Laufberichte. on 3. Dezember 2010 by Täglichläufer

Das Zepter der Kälte. Willkommen im lieblichen Winter. – Ja, er ist anwesend; ich werde ihn nicht mehr verleugnen. Die vollkommene Machtentfaltung des frostigen Witterungsregenten wurde am Mittwoch mit einer Überraschung vollzogen. Am 01.12. absolvierte ich meinen Lauf bei -10 °C, freilich in adäquater langer Bekleidung – das ist ein Novum. Ich laufe seit über 13 Jahren, aber es kam noch nie vor, daß ich mich derart frühzeitig in die entsprechende Winterbekleidung werfen mußte. Noch nie war es Anfang Dezember so klirrend kalt. Am 01.12.2001 herrschten warme 09 °C, 2003 & 2004 je 07 °C und im vergangenen Jahr immerhin noch 05 °C. Nun erfahre ich wiederholt die üblichen Reaktionen der Passanten, doch in umgekehrter Hinsicht. „Wie siehst duuu denn aus? In laaaang?“, „Dir ist doch nicht kalt!?“, „Lange Sachen! Das kannst du nicht machen!“. Ungläubiges Staunen. So sei es. – – –

In den vergangenen Tagen trat der kalte Witterungsregent endgültig persönlich auf – mit unumstößlicher Macht auf der natürlichen Bühne des Lebens thronte seine Hoheit. Unterkühlt lächelnd. – So schrieb ich am Montag. Seit gestern regiert der frostige Herrscher nicht mehr allein; ein würdiger zweiter Thron materialisierte sich aus der ewigen Dunkelheit und die Schneekönigin besetzte ihn mit ihrer kristallinen Anmut. Donnerstag. Die Welt ist weiß geworden, Schnee allenthalben, ca. 10-15 Zentimeter – soweit das Auge reicht. Erneut in langer rotschwarzer Bekleidung starte ich bei -09 °C meinen Morgenlauf. Nicht eine Straße, nicht ein Weg ist vom Schnee befreit. Räumfahrzeuge? Fehlanzeige. Der Autoverkehr zeichnet sich durch eine ungekannte Gemächlichkeit aus, nur wenige Raser ignorieren die Witterungsverhältnisse. Mit großer Vorfreude lasse ich die Zivilisation hinter mir und trete in die geliebte Natur ein. Die unberührten Wälder legten ihre weiß leuchtenden Gewänder an, auf den Ästen strahlt ein heller Hauch von Schnee. Jedwede Unebenheiten der Pfade im tiefen Forst wurden still egalisiert. Das Eis der eingefrorenen Weiher ist nun unter dem auserwählten Niederschlag verborgen. Und das eigentümliche Knirschen des Schnees wird zu meinem treuen Laufbegleiter, in jener prächtigen Traumwelt aus Eis, Schnee und der dichten Stille.

Eine graue Finsternis greift um sich, dehnt sich in der leeren Weite aus und vereinigt sich mit dem Horizont. Pure Einsamkeit fernab der Menschen. Ein starker Schneefall trübt die Sicht, unsichtbare Windböen wirbeln im Sturmesrausch die zahllosen Flocken gravitätisch umher und reißen sie mit sich. Hoch und nieder. Die Flut hat die Wiesen und Wege bis an den Waldrand erstürmt, doch bleibt das Wasser unter dem Eis verborgen; getarnt unter einer weißen Schicht Schnee. Ohne Schwierigkeiten passiere ich die versteckten Fallen und genieße die zauberhafte Märchenwelt des Winters – ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken. Ein Trugschluß. Denn Hochmut kommt vor dem Fall, wie mir später bewiesen wird. Die Abgeschiedenheit lädt mich in ihre Welt ein und ich folge nur zu gern. Nur ein unerschrockener Grußfreund mit seinem Hund wird mir auf dem Damm begegnen. Ich setze meinen Lauf fort, nehme mein Laufareal in Besitz – während die Schneeflocken eng umschlungen mit Hingabe ihren zauberhaften Tanz im Finsterglanz darbieten. Die Sturmböen gewinnen an Intensität, immer mehr Eiskristalle prasseln zärtlich auf mich ein, gleichzeitig vermindert sich stetig die Sichtweite.

Ich kann nicht anders, ich muß anhalten und diesen seltenen Genuß mit geschlossenen Augen in mir aufnehmen. Ich konzentriere mich auf die fühlbaren Impressionen. Einsam. In meinem winterlichen Laufareal. Umschlossen von der vollendeten Harmonie des Lebens. Das Dasein, das Leben, die Zeit halten an – auf ihren Wegen, frieren ein, für einen Moment nur – und simultan erhöhen sie dennoch ihre atemberaubende Geschwindigkeit. Einmal mehr scheint mein Geist seinen Körper zu verlassen und steigt rotierend in den finsteren Himmel auf, höher und höher. Ich sehe mich selbst verlassen in der Einsamkeit stehen – verharrend im Stillstand, nur umgeben von Abermillionen Schneeflocken, die wild ihren leise klirrenden Tanz aufführen. Eisschwerter schwingen durch die Luft, choreographisch dirigiert von unsichtbaren Kräften des omnipotenten Universums. Gefühle, Gedanken, Empfindungen verschmelzen mental – bar jedweder Beschreibung. Ich öffne meine Augen und just in dieser Sekunde scheint mein geistiges Ich in Überschallgeschwindigkeit in meinen Körper zurückzukehren. Ich kämpfe mich durch die weißen Massen, weiter und weiter und mit jedem Schritt, der knirschend unter meinen Füßen quittiert wird, neigt sich der Lauf innerhalb dieser seltenen Witterungsbedingungen seinem Ende entgegen. Nein, dieser Lauf darf nicht enden – er muß weitergehen, bis in die Unendlichkeit hinein. Aber alles, was beginnt, muß auch seinen würdigen Abschluß finden.

Schwarzdrosseln flankieren weite Teile meiner Laufstrecke – äquivalent einer Ehrenformation. Selbst die meisten Tiere zollen der Winterpracht ihren Tribut, glänzen in der Konsequenz mit Abwesenheit und haben schützende Zufluchtsorte aufgesucht. Der kalte Griff des Frostes greift gehaltvoller um sich, immer mehr Wasser erstarrt seufzend in der Bewegung. Gedämpfte Stille in der lautlosen Waldatmosphäre. In Gedanken versunken, trete ich den Heimweg an. Irgendwann auf dem Rückweg erreiche ich wieder die überfluteten Wiesen, welche die Wege in ihr kaltes, erstarrtes Element entführt haben. Mittlerweile sehe ich wie ein Schneemann aus, nur die Möhre im Gesicht fehlt. Schnee in den Haaren und an den Schläfen fühle ich kleine Eisbrocken. Über diesen, vermutlich heiteren Anblick sinnierend, verringert sich meine Konzentration und ich verlasse geringfügig das sichere Terrain am Waldrand. Nur für einen Moment, aber dieser Augenblick war lang genug, um den schrägen Eisweg zu berühren und wegzurutschen. Im Bruchteil einer Sekunde ist meine Bewegung gefällt und ich stürze zu Boden. Der erste Schneetag und schon stürze ich – 2010, das Jahr der Stürze! Etwas ungehalten, über meine Unzulänglichkeit nehme ich den Laufschritt wieder auf.

Bis auf leichte Schmerzen in der linken Körperhälfte, die unbedeutend sind, offenbarte sich der 12. Sturz in 13 Laufjahren als harmlos. Wehmütig verlasse ich den Wald in einer melancholischen Stimmung und kehre in die Zivilisation zurück. Auf der Brücke begegne ich zwei Nachbarn mit ihren Hunden, „Ich habe dich gar nicht erkannt!“ – werde ich scherzend begrüßt. Warum nur? – frage ich mich. Ein kurzes Gespräch entsteht; im Anschluß beende ich den heutigen Lauf und lasse ihn in Gedanken Revue passieren. Ein wunderbarer Schneelauf, im Zeichen der allumfassenden Mächte des Daseins unter der Herrschaft der kalten Winterregenten. Ja, ich habe es genossen. Allein, wie könnte ich es auch nicht genießen?

Das Zepter der Kälte

Posted in Klimaanalysen, Täglichlaufen. Status. on 29. November 2010 by Täglichläufer

Zu Beginn fühlte ich nur den nebligen Odem. Die ersten Sendboten der Eislegionen galoppierten bereits im Oktober direkt in meine Wahrnehmung. Anschließend folgten erhabene Kälteausläufer und nicht viel später der zarte, weiße Hauch des starrenden Winters. Doch in den vergangenen Tagen trat der kalte Witterungsregent endgültig persönlich auf – mit unumstößlicher Macht auf der natürlichen Bühne des Lebens thronte seine Hoheit. Unterkühlt lächelnd. Mit seiner eisernen Faust ließ er die klirrenden Muskeln spielen und fror die lebendige Landschaft ein; welch Bild der gefangenen Stille! Ich begrüßte die eisige Ungerührtheit mit großer Freude im Hinblick auf den Wandel der Jahreszeiten und gleichzeitig blickte ich wehmütig den Rückzug der herbstlichen Wärme hinterher. Zwiespältige Empfindungen. Die diesjährige Intensität indes, ist einmalig in meinen Laufaufzeichnungen, die über ein Jahrzehnt zurückreichen.

Das Jahr 2010 zeichnet sich durch Kälte wie Nässe gleichermaßen in einem besonderen Rahmen aus. Allein 40 Regenläufe durfte ich absolvieren – welch elementare Gnade des vollkommenen Genusses! Was gleichzeitig der absolute Rekord in meinem Agieren als Täglichläufer ist. Meine Zeit als normaler Läufer sei hierbei unberücksichtigt, auch führte ich damals keine diesbezügliche Statistik. Somit hat 2010 das Jahr 2007 als nassen Rekordhalter abgelöst. Hinsichtlich der Kälte dominiert bisher noch 2009, jedoch fehlen nur noch sieben Kälteläufe bis zum Gleichstand bei derzeit 72 Kälteläufen (heute folgt sicherlich 73) und die frische Tendenz scheint sich rigoros fortzusetzen. Somit kann ich meine Abhärtungsintention exzellent der Realität anpassen. Und der Anblick, bei -04 °C in kurzer Bekleidung zu laufen, generiert witzige Reaktionen – vom Kreischen und Schreien, über Wortmeldungen der Passanten, Hupen der Autofahrer und erschreckte Polizisten mit ungläubigen Gesichtern. Die heitere Seite des Täglichlaufens im Winter. Ich harre der Zukunft und lasse mich überraschen, was für landschaftliche Stilleben in den nächsten Tagen die Welt beglücken werden. Voller Hoffnung.

Ich vertraue auf den frostigen Winterregenten, welcher nun das Zepter der Kälte unangefochten schwingt und seine Beobachter mit kühler Ehrerbietung honoriert. Die Welt ist eine andere, sie ist leiser geworden. Ruhiger. Eingefrorene Weiher, erstarrt in den Wellen der Unendlichkeit. Tränen im Stillstand. Überflutete Wiesen, die die Wege gierig verschlungen haben und mich dazu zwingen, fast im Wald zu laufen, fern der bekannten Pfade. Fußspuren der Existenz. Die Äste im Forst sind weiß ausstaffiert, graue Wolken ziehen über ihre kahlen Kronen hinweg, in den Horizont der weiten Leere hinein. Obsiegende Einsamkeit in der Abgeschiedenheit allenthalben. Berstendes Eis in den dunklen Wäldern. Die prosperierende Kraft und das allumfassende Leben der Natur sind nach wie vor mannigfaltig zu sehen, zu fühlen – gleichwohl sind die Herzschläge des Daseins langsamer geworden, doch nicht weniger hörbar. Erstarrtes Leben in der verborgenen Eiswelt. Das Zepter der Kälte. Willkommen im lieblichen Winter.

Von applaudierenden Passanten, lachenden Kindern, einem Sturz und der aktuelle Temperaturvergleich

Posted in Klimaanalysen, Täglichlaufen im Fokus on 10. Februar 2010 by Täglichläufer

Applaudierende Passanten. Dienstag. Auf der Brücke stehen ca. zehn Personen, welche – als ich näher komme – sich gegenseitig zurufen, „Jeden Tag, jeden Tag!“. Unschwer zu erraten, wer gemeint ist. Immer die gleiche Reaktion. Bevor ich sie passiere, räumen sie den Radweg, stellen sich in einer Reihe auf und applaudieren, lachende Gesichter strahlen mich an, sie feuern mich an, jeder ruft mir etwas anderes zu. Als ich sie lächelnd auffordere, mich zu begleiten, lehnen sie lachend ab.

Lachende Kinder. Ich laufe an einer Kindertagesstätte vorbei, welche auf einem Eckgrundstück ihr Domizil hat. Zahllose Kinder spielen draußen im rückwärtigen Bereich. Ich nähere mich dem angrenzenden Garten und als sie mich erblicken, rufen sie: „Da rennt jemand, ein Renner!!!“ Ein großes, lautes Theater beginnt. Sekunden später verschwinde ich aus ihrem Sichtfeld, biege rechts ab und komme wieder zum Vorschein. Prompt höre ich, „Daaaa ist er wieder, daaa ist er wieder!“ – das frohe Gelächter stimmt wieder an.

Sturz. Nur wenige Minuten nach diesem freundlichen Zusammentreffen erobere ich einmal mehr die derzeitigen Glatteiswege. Vierzig Minuten zuvor konnte ich mich geradeso vor einem Sturz retten, erneut mit einer komischen Tanzeinlage, die jedes Ballett neidisch machen würde – oder auch nicht. Während ich mich auf die aktuelle Situation konzentrierte, war es schon zu spät. Ich stürzte und landete auf meiner rechten Seite im Schnee, gut abgefangen und weich gefallen. In einem Wimpernschlag der Zeit aus der Bewegung gerissen und in die Starre gefällt. So lag ich für einen Moment, starrte in den blauen Himmel, die Sonne kitzelte mich und nun fing auch ich an zu lachen. Winterfreuden.

Freundlicher Läufer. Zum Abschluß meiner täglichen Runde erspähe ich nach einer Biegung vor mir einen Läufer, den ich anschließend einhole und den letzten Kilometer mit ihm gemeinsam absolviere. Meine Einschätzung, daß es sich um einen Wettkampfläufer handelt, wurde sogleich bestätigt. Ich hingegen, enttarnte mich als Täglichläufer. Unter dem Glatteis leiden jedoch beide Einstellungen. Verbunden im Handeln und im Eis. –

Temperaturvergleich Januar 2005-2010. Für mich als Täglichläufer ist das Wetter irrelevant. Es tangiert meine Laufphilosophie des gelebten Täglichlaufens in der Ausführung per se nicht. Gleichwohl wirken sich die Witterungsverhältnisse im Winter durchaus auf meine Bekleidungswahl aus – trotz der Abhärtungskomponente und meiner Fokussierung auf kurze Laufbekleidung. Bei Minustemperaturen, die langsam in die Zweistelligkeit tendieren, passe ich meine Laufbekleidung entsprechend an. Auch nötigen mir Gewitter und Glatteis Respekt ab, freilich, dies versteht sich von selbst. Ansonsten sind jedwede Gedanken über das Wetter sinnlos, das Wetter IST – warum müßig darüber nachdenken? Es liegt nicht in meiner Macht, die Witterungsbegebenheiten in irgendeiner Form zu modifizieren. Ich habe die freie Entscheidung – entweder jammere ich herum – über Dinge, die ich nicht ändern kann – oder ich versuche die Schönheiten und den Genuß in den Widrigkeiten zu erkennen, die stets da sind und beginne damit, die Wetterwelt zu lieben. Nur was ich mit dem Herzen willkommen heiße, kann ich annehmen.

Nichtsdestotrotz interessieren mich die täglichen Gradzahlen, meine Affinität im Hinblick auf die Statistik zeichnet hierfür verantwortlich. Das Ergebnis kanalisiert sich im heutigen Temperaturvergleich des Monats Januar von 2005-2010. Diese kleine Analyse ist weder repräsentativ noch erhebt sie Anspruch auf korrekte Werte. Der Ausgangspunkt konzentriert sich auf meinen Laufzeitpunkt. Soll heißen, wenn ich früh bei -10 C° gelaufen bin und nachmittags steigt die Temperatur auf 03 C° an, so birgt nur der erste Wert eine Relevanz für mich. An Tagen, wo ich zwei Läufe absolvierte, zählt nur die Gradzahl des ersten Laufes.

Die gesammelten Daten enthüllen ein beständiges Wechselspiel. Wie jeder interpretieren kann, ist nichts so beständig wie die Unbeständigkeit. Mit der erlebten Temperaturspitze von -16 C° bleibt der Januar 2009 unerreicht, wenngleich der diesjährige sich durch seine unerbittliche Dauerfrostphase auszeichnete – von einer Ausnahme abgesehen. In einem ähnlichen Rahmen verlief die zweite Januarhälfte 2006, allerdings nicht ganz so extrem. Und der Januar 2007 brach in eine konträre Richtung auf – in wärmere Regionen. Abschließend betrachtet, lag der Höchstweit bei 12 C° und der Tiefstwert bei -16 C°.

Wenn der Winter uns in den vergangenen Jahren mit Höhen wie Tiefen liebkoste und mancher wärmer und der andere wieder kälter war, so ist eines sicher. In der kalten Jahreszeit ist die Saat des Frühlings versteckt. Doch nur den aufmerksamen Beobachtern wird es gelingen, dieses Geheimnis zu lüften.

Das perfekte Wetter

Posted in Klimaanalysen on 27. Oktober 2008 by Täglichläufer

Heute früh lief ich 15 Kilometer im Regen. Die Temperatur betrug zu diesem Zeitpunkt ca. 10 C°. Der Lauf war angenehm, vor allem sehr einsam, was ich besonders schätze. In der feuchten Natur traf ich nur eine wetterfeste Hundehalterin, die ihren Rottweiler „Smash“ ausführte. Ich war versucht meine Eindrücke in einem Laufbericht festzuhalten, doch so wunderbar war das Wetter für mich nicht. Der Regen war zu schwach, ebenso der Wind; nicht stürmisch genug.

Sturm und Regen, gekrönt von Nebel bilden die idealen Wetterbedingungen für mich. Sobald es draußen gießt, zieht es mich wie von Geisterhand in die Natur. Subjektiv betrachtet, durfte ich dieses Jahr nur wenige Regenläufe absolvieren. Grund genug, meine Laufdatei zu befragen und eine Übersicht zu erstellen. Das Ergebnis fand ich sehr überraschend, denn 25 Regenläufe hätte ich nie vermutet. Meine Erinnerung hätte mir maximal zehn nasse Läufe offeriert. Offenkundig sind die beiden letzten Jahre eher feuchter Natur. Wobei das nicht repräsentativ ist, da ich nicht bei jedem Regenguß gelaufen bin.

So bleibt mir nur dieses Bild vor Augen. Nicht endende Sturmböen, die einem die Wolkentröpfchen mit Macht in das Gesicht treiben und ihre festen Umarmungen nicht lösen wollen. Dunkelheit. Nässe. Einsamkeit. Mein Traumwetter für den puren Laufgenuß. Der Herbst hat erst begonnen sein Repertoire auszuspielen. Ich bin gespannt, was er zu bieten hat und gebe mich der Vorfreude hin.