on 22. Dezember 2012 by Täglichläufer
Oh du kostbares Jahr, wo bist du nur geblieben? Soeben hast du dich verhalten aus dem wehenden Vorhang der Zukunft hervor geschält, um sodann lächelnd in die Vergangenheit einzutreten und das mit einer konsequenten Rasanz, die einmal mehr ihresgleichen sucht. In wenigen Tagen wirst du dein vergängliches Leben endgültig aushauchen und still für immerdar versiegen. Fürwahr, so vergeht alles im Sein und nichts wird überdauern. Grund genug, das Konstrukt „Zeit“ – der ich mit meinem Täglichlaufen sehr verbunden bin – mit einer Anekdote hochleben zu lassen. – – Leiser Schneefall. Behaglichkeit. Wärme. Stille. Harmonie. Kristalline Flocken kleiden Äste im finsteren Hain samtartig aus. Draußen vor der Tür, dort harrt es regungslos; wartet ungestüm – das diesjährige Weihnachtsfest. In Einklang und Harmonie vereint, begehen wir die feierlichen Tage im Kreis der geliebten Familie und genießen die Feierlichkeiten bei Kerzenschein und dem prasselnden Kaminfeuer. An die Wand geworfene sich bewegende Schatten, die fröhlich bedrohlich oder melancholisch hin und her tanzen und seltsam surreale Gebilde generieren. Wohlduftende Gerüche, die die Sinne beleben und an die längst vergangene Kindheit erinnern. Wohlige Geborgenheit. Das Fest der Liebe, der Besinnung und der Sanftheit. Oder auch Momente voller Streß, Hektik und Streit. Alles ist möglich und in den meisten Fällen liegt es nur an uns, wie wir damit umgehen.
Für viele Menschen ist Weihnachten der absolute Höhepunkt im Jahr – können es kaum erwarten – während andere wiederum Angst vor dieser Zeit haben. Für Alleinstehende, Einsame oder für jene, die geliebte Angehörige für immer verloren haben und die nie wiederkehren werden, wirkt das Familienfest freilich traurig. Auch im jenem Kontext, daß die heutigen Lebensformen nicht mehr den vorhergehenden Generationen entsprechen. Althergebrachte Traditionen der Altvorderen verblassen mehr und mehr. Sozialer Zusammenhalt verflüchtigt sich allenthalben und wird vielerorts bewußt negiert. Die Feiertage stellen eine Besonderheit dar, dennoch, auch sie werden von Höhen und Tiefen bestimmt – äquivalent unser Dasein und das Leben an sich. In jedem Fall wird die monetäre finale Konsumschlacht des Handels nun ihren bedeutendsten Sieg erringen und engagiert mit allumfassender Vehemenz verteidigen. Welch närrischer Irrtum. Wahre Geschenke kann man nicht kaufen. Wer kann schon Gesundheit, Liebe und Zufriedenheit käuflich erwerben? Kommerz, Kommerz über alles; Geld über alles in unserer einfältigen Menschenwelt, schnöder Mammon uns stets brüderlich im Zeichen der Heuchelei zusammenhält! – alle Jahre wieder das getreue Motto unserer törichten Gesellschaft. Doch so, wie wir es wollen und auch verdienen. So sei es.
Meinen geschätzten Kommentatoren wünsche ich ein gehaltvolles Weihnachtsfest innerhalb der Familie, welches von Liebe, Frieden und Harmonie dominiert sein möge. Ein ruhiges Weihnachtsfest mit vertrauten, geliebten Menschen, getragen von einer atemberaubenden Stille der Behaglichkeit in einer friedlichen Atmosphäre. Und nicht vergessen, zum Thema Weihnachtsschmaus, wer viel läuft, darf mehr essen. Wer täglich läuft, darf noch mehr essen. Ohne Reue. 😉 Möge das kommende, noch nicht geborene Jahr glücklich werden oder zumindest von belebender Gesundheit geprägt sein – denn nichts, aber auch gar nichts könnte wichtiger sein.

Es war einmal ein junger Bauer, der wollte seine Liebste treffen. Er war ein ungeduldiger Geselle und viel früher zum Treffpunkt gekommen. Er verstand sich schlecht aufs Warten. Er sah nicht den Sonnenschein, nicht den Frühling und die Pracht der Blumen. Ungeduldig warf er sich unter einen Baum und haderte mit sich und der Welt.
Da stand plötzlich ein graues Männlein vor ihm und sagte: „Ich weiß, wo dich der Schuh drückt. Nimm diesen Knopf und nähe ihn an deine Jacke. Und wenn du auf etwas wartest und dir die Zeit zu langsam geht, dann brauchst du nur den Knopf nach rechts zu drehen, und du springst über die Zeit hinweg bis dahin, wo du willst.“
Der junge Bauer nahm den Zauberknopf und drehte. Und schon stand die Liebste vor ihm und lachte ihn an. Er drehte abermals und saß mit ihr beim Hochzeitsschmaus. Da sah er seiner jungen Frau in die Augen:
„Wenn wir doch schon allein wären!“
„Wenn unser neues Haus fertig wäre!“
Und er drehte immer wieder. Jetzt fehlten noch die Kinder und er drehte schnell am Knopf. Dann kam ihm Neues in den Sinn und er konnte es nicht erwarten. Und drehte, drehte, daß das Leben an ihm vorbei sprang, und ehe er sich versah, war er ein alter Mann und lag auf dem Sterbebett.
Er merkte, daß er schlecht gewirtschaftet hatte. Nun, da sein Leben verrauscht war, erkannte er, daß auch das Warten des Lebens wert ist. Und er wünschte sich die Zeit zurück.
(Heinrich Spoerl)
Arme Leute
Eines Tages nahm ein Mann seinen Sohn mit auf das weit entfernte Land, um ihm zu zeigen, wie unsäglich arme Leute leben. Vater und Sohn verbrachten einen Tag und eine Nacht auf der Farm einer sehr armen Familie.
Als sie wieder zurückkehrten, fragte der Vater seinen Sohn: „Wie war nun dieser Ausflug?“ „Sehr interessant!“ sprach der Sohn. Und hast du gesehen, wie arm Menschen sein können?“ „Oh ja, Vater, das habe ich gesehen.“
„Was hast du also gelernt?“ fragte der Vater. Und der Sohn antwortete: „Ich habe gesehen, daß wir einen Hund haben und die Leute auf der Farm haben vier. Wir haben einen Swimmingpool, der bis zur Mitte unseres Gartens reicht, und sie haben einen See, der gar nicht mehr aufhört. Wir haben prächtige Laternen in unserem Garten und sie haben die Sterne. Unsere Terrasse reicht bis zum Vorgarten und sie haben den ganzen Horizont.“
Der Vater war sprachlos.
Und der Sohn fügte noch hinzu: „Danke Vater, daß du mir gezeigt hast, wie arm wir sind.“
(Philip E. Humbert)