Ich las die kuriosesten Geschichten, welch abenteuerliche Dinge manche Läufer auf ihren Streifzügen entdeckt haben. Auf meiner Liste standen bisher diverse tote Tiere, einzelne! Laufschuhe und als meinen größten Fund – ein Wildschweinskelett. Gestern fuhr ich am frühen Abend per Fahrrad in mein Laufareal, bewaffnet mit meiner Kamera. Ja, ich wollte bewußt etwas finden! Und zwar eine weiße Gans, die ich bis dato nur zweimal beobachten durfte. Gespannt zog ich also los; nicht wissend, daß ich zum Geldboten werden würde.
Auf dem Weg in den Wald kam ich an parkenden Autos vorbei, als ich plötzlich auf dem Boden eine Brieftasche sah. Ich hob sie auf und öffnete selbige. Mehrere Geldscheine, Kreditkarten, eine Tankquittung, ein Ausweis und weitere wichtige Dokumente kamen zum Vorschein. Auf eine Tiefenprüfung verzichtete ich, da sich meine Neugier nur auf den Ausweis konzentrierte. Der Name war mir unbekannt, das Gesicht hingegen jedoch vertraut – ein langjähriger Grußfreund von mir! Da ich ihn nahezu täglich treffe, sind mir seine Routen in etwa bekannt. Ich mußte nicht lange suchen, nach nur zehn Minuten spazierte er mir entgegen. Mein Anblick als Radfahrer verwirrte ihn leicht und sofort stellte er mir die Frage: „Was denn, heute mit dem Fahrrad!?!?“ Um die Verwirrung weiter zu steigern, fragte ich nun meinerseits: „Sind Sie Herr R.?“ – Wir kennen uns zwar seit Jahren, haben Gespräche geführt, dennoch, letztlich ist er nur ein Grußfreund mit Hund – ohne näheren Kontakt.
Er bejahte. „Vermissen Sie etwas?“, setzte ich nach. „Nein.“, so seine Antwort. „Sind Sie sicher?“ – er faßte in seine Tasche und sagte: „Ja, meine Autoschlüssel sind da; alles okay.“ Mit der Frage, ob er dies hier schon einmal gesehen hätte, hielt ich ihm seine Brieftasche hin. Die Verwirrung stand ihm in sein Gesicht geschrieben und meine Überraschung war geglückt. Er freute sich offenkundig und bedankte sich mehrfach, wenngleich ich den subjektiven Eindruck gewann, daß er leicht geschockt war und die Situation nicht wirklich realisierte, da er seinen Verlust zu diesem Zeitpunkt noch nicht bemerkt hatte. Wahrscheinlich war ich zu der richtigen Zeit am richtigen Ort – in der Nähe des Fundortes lagen die angezündeten Seiten eines Telefonbuches großflächig verstreut. Wäre die Geldbörse in die Hände dieser Irren geraten – ich vermute Jugendliche – wäre der Verlust für ihn sehr, sehr teuer geworden. Von der behördlichen Rennerei gar nicht zu reden.
Mir persönlich hat es sehr viel Freude bereitet ihm sein Eigentum zurückzugeben. Übrigens, die weiße Gans – als Hauptgrund meiner Phototour – habe ich nicht entdecken können. Dennoch, es hat sich gelohnt.