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Dunkle Hingabe

Posted in Faszination Nachtlauf on 29. Oktober 2008 by Täglichläufer

Zugegeben, wirkliche Nachtläufe finden bei mir eher selten statt. Wahrscheinlich macht sie genau das zu einer von mir intensiv geschätzten Besonderheit. Tiefschwarze Dunkelheit im Forst. Leichter Wind. Menschliche Einsamkeit. Stille? Ja. Und nein. Die gehaltvolle Ruhe mit ihrer theatralischen Stimmung in der Nacht ist einzigartig, nicht zu vergleichen wenn der Wald am Tage verlassen erscheint. Geraschel. Überall. Hier ein Knacken, dort ein Knistern. Tierlaute. Von vorn. Von hinten. Bäume, die sich im Wind biegen und eine Geräuschkulisse wie in einem alten Gemäuer erzeugen. Durch abgefallenes Laub gedämpfte Laufschritte, die im unbehaglichen Nichts verhallen. Man kann sich ängstigen. Doch ich liebe es. Denn was kann die Dunkelheit dafür, daß sich die meisten Menschen vor ihr fürchten? Nur beim Verlassen des Waldes wird es temporär unangenehm, da bereits Straßenlaternen blenden.

Mit schwarzer Bekleidung ohne Beleuchtung perfekt an die Finsternis angepaßt. Schritt für Schritt tiefer in den Wald. Die Wege stechen ein wenig heraus, differenzieren im Schatten. Ein beruhigendes und sicheres Gefühl den Wald nachts vorsichtig zu durchqueren. Jede Innenstadt ist unsicherer. In einiger Entfernung taucht der Damm auf, ebenfalls scheinbar verlassen von Leben. Eine Illusion. Die Nacht wimmelt vor mannigfaltigen Leben, nur sieht man es nicht immer. Der Himmel mit Wolken verhangen, gibt ein Fenster zum Mond preis. Das aufmunternde Licht spiegelt sich im aufgewühlten See wider und erhellt doch kaum die ummittelbare Umgebung. Die Wolken ziehen dahin, die Zeit und das Leben wandern weiter, dennoch, in diesem Moment kommt es mir vor, als ob die Zeit stillsteht. Das Leben hält inne, atmet tief durch, um mir diesen Augenblick der gefühlsbetonten Romantik zu schenken, welchen ich nur zu gern ergreife.

Keine störenden Gedanken, nur die Konzentration auf das Jetzt in einer menschenleere Weite und Einsamkeit – umhüllt von der ruhigen Finsternis, mit ihrer lauten Stille. Diese Welt mit ihrer besonderen Atmosphäre als Läufer zu später Stunde bereisen zu dürfen, erzeugt ein Gefühl von Glück. Den absoluten Höhepunkt darf man im Winter erleben. Weiß gekleidete Wege, die jeden Schritt mit dem eigentümlichen Knirschen des Schnees quittieren. Leuchtend zarte Helligkeit, die einem aufopfernd den Weg in die Nacht weist. Atemberaubender Schneefall in der Dunkelheit. Große Flocken, die leise zu Boden rieseln und mich leicht berühren. Ich kann es nicht näher beschreiben, man muß es fühlen. Begreifen, nicht nur mit den Augen, mit den Sinnen. Empfinden mit allen Sinnen.

Die wahren, geheimnisvollen Momente des Glücks offenbaren sich für mich bei besonderen Verhältnissen. Im Regen. Im Sturm. Im Schnee. Im Nebel. In der Nacht. Sich den Elementen hingeben, mit ihnen zu verschmelzen, ein harmonischer Teil von ihnen – der Natur werden. Eine Erkenntnis, die für mich Leben bedeutet. Natürlich, oder?

Nico, Zeit und Lust für einen gemeinsamen Nachtlauf?