Vor wenigen Tagen vollzog ich einen erneuten Erkundungslauf in mir unbekannte Regionen und setzte somit den Aufbruch in die neue Welt fort. Wie erst vor kurzem erwähnt, verlasse ich mein geliebtes Laufareal selten, so daß Erkundungen in der absoluten Minorität sind. Demungeachtet verspüre ich eine latente Sehnsucht in Richtung dieses riesigen Waldes, der sich bisher höchst konsequent vor meiner bewußten Wahrnehmung verbarg. Allein, der Weg dorthin – am Waldrand entlang – zollte einer greifbaren Einsamkeit seinen Tribut, genau wie ich es liebe. Der Forst selbst besteht aus großen Bäumen; eine schier unendliche Anzahl, die sich empor gen Himmel richten; träumerisch recken, nach ihm greifen und doch nie erreichen. In Kombination mit weiten Moosfeldern und dichtem Gras erfährt der sensible Beobachter eine idyllische Atmosphäre – eine Aura der fühlbaren Harmonie.
Zu Beginn musizierten zahllose Vögel und boten herrliche Gesänge feil. Auch der Kuckuck und ein Specht gewährten mir ihre Aufwartung. Die Pfade indes, sind partiell ungebändigt zugewachsen – von einem Weg zu reden, wäre übertrieben. So lief und lief ich in diesem noch unerforschten Wald und selbiger schien kein Ende zu nehmen. Höhen und Senken alternierten beständig; vielleicht ein Symbol auf das Leben selbst? Was mir jedoch sofort auffiel, war das Verstummen jedweden sicht- wie hörbaren tierischen Lebens im Zentrum des Waldes. Lautlosigkeit. Pure Stille. Keine Geräusche. Keine Tiere. Nichts. Wie ungewöhnlich! Einen derartigen Hain habe ich bisher nicht erlebt. Wer weiß, welches Wesen dort lebt und für diesen ruhigen Respekt verantwortlich zeichnet. Trotz aller Bemühungen, welche sich leider als vergeblich erwiesen, gelang es mir nicht den Grund jener ungewöhnlichen Ruhe zu eruieren. Freilich scheint dies nur einen begrenzten Teil des Forstes zu betreffen, denn später setzten die Gesänge wieder ein.
Für meine Verhältnisse ist der Wald relativ groß und obwohl ich nur auf dem „Hauptpfad“ blieb; bis dato ließ ich die vielen Seitenwege noch unerkundet, erschlug mich die Weitläufigkeit mit Engagement. Nicht nur die manifestierte Stille wußte ich zu schätzen, nein, auch die Abwesenheit menschlicher Präsenz. In Zukunft werde ich weitere Erkundungsläufe absolvieren und die Strecken entsprechend meinem Laufgebiet hinzufügen. Irgendwann erreichte ich dann den Ausklang des Weges; ich befand mich nun auf einem richtigen Pfad und zwischen einigem Geäst, was ich berührend passierte, offenbarte sich vor mir ein großer See – um den hier die allgemein bekannte „Läuferautobahn“ führt, welche die meisten Läufer in meiner Stadt präferieren. Ich kehrte um und verwirklichte den Rückweg durch den wunderbaren Wald. Zuvor erlebte ich noch eine witzige Begegnung, mit einem älteren Nordic-Walker, vielleicht 75 Jahre alt – aber der Wert ist nur geschätzt. An dieser Stelle wechsele ich die Perspektive und erzähle das Treffen aus der Sicht des Sportlers. Wenn ich seine Gedanken auch nur erraten kann, so gilt das nicht für die Wahrnehmung.
Unter Einsatz seiner Stöcke absolvierte er allein den Rundkurs des Sees, als sich plötzlich zu seiner linken Hand die Blätterwand bewegte, teilte und aus dem Dickicht ein schwarz gekleideter Mann mit einem großen Sprung direkt vor ihm auf dem Weg landete, kurz grüßte und innerhalb der nächsten Sekunde im Blattwerk der rechten Seite verschwand. Fernab der üblichen Wege. Und ward nicht mehr gesehen. Eine sich auflösende dunkle Erscheinung für eine Sekunde. Wie aus dem nichts. – Was mag er wohl gedacht haben? Da er mir noch einen freundlichen Gruß nachrief, war der Schreck hoffentlich nicht zu immens für ihn, so daß ich geneigt bin anzunehmen, er interpretierte die Situation als nicht bedrohlich. Mittelfristig werde ich den stillen Wald komplett in seinem vielfältigen Spektrum erkunden und eine Phototour wird sich ebenfalls anschließen.