on 12. November 2008 by Täglichläufer
Ich bin ein Mensch, der sehr naturverbunden ist. Diese Affinität führt dazu, daß ich selbst Insekten vor dem Ertrinken rette, sofern sich mir die Option dazu bietet. Mein Laufen ist letztendlich auch ein Weg, der mich wieder in die Natur zurückgeführt hat. Ich mag die Flora & Fauna und genieße den Regen, der mein Gesicht freudig von oben begrüßt. Während meiner Läufe konnte ich viele tierische Freundschaften schließen. Ich liebe die Natur. Ich achte, schätze und respektiere sie. Wenn ich mich den natürlichen Elementen hingebe, die Würze des Regens einatme, die Zärtlichkeit des Windes genieße, an „meinen“ Schafen, an „meinem“ Bussard und an Schwänen oder Enten in geringer Distanz vorbeilaufe, ja, dann fühle ich mich, als ob ich dazu gehören würde. Gleichwohl ist mir die Illusion dessen bewußt.
Nicht selten entstehen dabei deprimierende Gedanken, besonders im Kontext, daß das Naturschutzgebiet, in dem ich laufe akut in seiner Existenz bedroht ist. Immerhin zähle ich zur Gattung „Mensch“. Eine Spezies, welche vor sehr vielen Jahren den Pakt der Natürlichkeit aufkündigte, sich von der Natur abwandte und seitdem alles daran setzt den Lebensraum Erde zu zerstören. Vorsatz, Fahrlässigkeit oder Dummheit – das ist irrelevant – allein das Ergebnis ist von primärer Bedeutung, welches an Evidenz nicht zu übertreffen ist. Wir vernichten mittelfristig nicht nur unseren eigenen essentiellen Lebensraum, nein, wir besitzen die unfaßbare Unvernunft und radieren selbst Arten aus, die wir nicht einmal kennen. Hunderte, Tausende – pro Tag. Sinnbildlich formuliert, sitzen wir auf dem Baum des Lebens und sägen Ast für Ast ab. Das Paradoxon manifestiert sich in der Tatsache, daß wir mittlerweile in der Krone angekommen sind und wie im Wahn am letzten noch verbleibenden Ast sägen – dort hat die Menschheit ihr Heim. Besonders perfide mutet an, daß unsere kümmerliche Intelligenz durchaus ausreichend ist, um unsere prekäre Lage zu realisieren. Doch wen interessiert das, wenn jeder Zentimeter bares Geld bringt? Darüber kann man nachdenken.
Die menschliche Entwicklung ist eine Historie des Krieges, des Hasses, der Gier, der Ignoranz sowie perfektionierter Lernresistenz. Ein Krieg nach dem nächsten, unterbrochen durch wenige Jahre Frieden, die bei jenen Menschen, welche diese brutalen Schrecken nicht erlebt haben, die Lust nach kriegerischer Auseinandersetzung schüren. Die wissende Generation der Älteren, die einst schmerzliche Erfahrungen sammelten, wird irgendwann nicht mehr leben und uns warnen können. Dann sind Szenarien wie 1914, wo der Krieg mit Begeisterung gefeiert wurde an der Tagesordnung. Für mich bedeutet jeder Krieg eine Komposition der Sinnlosigkeit. Unser kollektiver Primärfokus liegt im Erdenken und Konstruieren immer absurderer Vernichtungstechnologien. Stellvertretend fallen mir als herausragende Beispiele sofort die Atom- und Vakuum Bomben ein. Nicht zu reden von Biowaffen und unzähligen weiteren Absurditäten, die überall auf der Welt in den Laboren entwickelt werden. Verfügt eine Spezies, die Technologien zur Selbstvernichtung kreiert über (soziale) Intelligenz? Hiroshima? Nagasaki? Zeichen von Intelligenz und Vernunft? Nein. Fratzen der Menschlichkeit. Oder handelt es sich nur um Ignoranz?
Viele Kriege basierten auf Religionsstreitigkeiten, diese Thematik ist bis heute aktuell. Ein Widerspruch in sich: Religion missionierend durch Waffen und Gewalt. Oder Rassismus. Wie viele Menschen starben, weil sie die „falsche“ Hautfarbe hatten? Wie umnachtet muß man sein, um Menschen zu diskriminieren, weil sie unterschiedliche Hautfarben haben? Gehören wir nicht alle einer Rasse an?
Millionen Menschen haben nicht genug zu essen. Dabei wäre es ein Kinderspiel für alle Notleidenden ausreichend Nahrung sicherzustellen. Von der Logistik, Organisation und Technik kein Problem. Allein der Willen fehlt. Gäbe es Fonds, die explizit auf dieses tödliche Elend basieren würden, für die Welt der Hochfinanz wären diesen Fonds profitable Investitionsobjekte. Der geneigte Leser möge mir meinen Zynismus verzeihen. Doch die kalte Wahrheit tut weh. Anstatt eine Gemeinschaft, unabhängig von Land, Kultur und Hautfarbe zu bilden, verlieren wir uns in kleinkarierten Disputen und verzichten auf jedwedes Handeln.
Anschließend weitere fragwürdige „Erfolge“ unserer Gattung. Die Punkte stammen vom Internetportal des „SPIEGEL“ und sind dort en Détail unter der Kategorie Wissenschaft nachzulesen. Dabei habe ich mich in meiner bescheidenen Auswahl auf einen kurzen Monatsausriß beschränkt. Ich möchte nicht wissen, wie weit ich diese Liste hätte fortführen können. Traurig, oder? Nein. Die Realität. Unsere Wirklichkeit. Themenfelder wie Ölkatastrophen, Vernichtung der Regenwälder, Verschmutzung der Weltmeere mit Plastik, die Zerstörung des Planktons (Beginn der Nahrungskette) usw. usf. lasse ich außen vor.
31.10.2008 Erwärmung der Pole ist von Menschen gemacht
29.10.2008 China wird weltgrößter Klimasünder
29.10.2008 Der globale Raubbau an der Erde wird immer dramatischer
29.10.2008 Bis 2035 benötigen wir zwei Erden, um wie bisher zu leben
28.10.2008 Arktis-Eis wird immer dünner
26.10.2008 Weniger als 400 Glattwale – die Ozeanriesen sterben aus
22.10.2008 Top-10 der Umweltverpestung – wie die Welt vergiftet wird
17.10.2008 Arktis-Temperaturen steigen auf Rekordhoch
17.10.2008 Klimawandel in der Arktis nimmt dramatische Ausmaße an
15.10.2008 Schimpansen verschwinden aus Westafrika
12.10.2008 Plünderung der Meere könnte zu Todeszonen führen
06.10.2008 Jede vierte Säugetierart ist vom Aussterben bedroht
06.10.2008 Mehr als ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten bedroht
Wir vernichten zahllose Lebensformen und können nicht im Ansatz ermessen, welche Kettenreaktion damit in Gang geraten ist – Korrelation der Arten – die sich am Ende in einen Bumerang verwandeln wird. Wir haben die Fähigkeit verloren, wenn wir sie denn je besaßen, mit unserer Umwelt im Gleichgewicht zu koexistieren und adäquat zu interagieren. Die Spezies Mensch steht für Zerstörung par excellence – der Motor, der uns antreibt. Natürlich gab und gibt es zu allen Zeiten Ausnahmen, die sich dem engagiert widersetzen. Ihnen gebührt meine Bewunderung. Vor allem dafür, daß sie im Angesicht der immer schnelleren Fahrt in den Abgrund ihre Hoffnungen, ihre Ideale und ihr Engagement nicht aufgeben. Diesen Menschen danke ich von Herzen.
Kein Zweifel, es bestehen sinnvolle Projekte und Programme von wunderbaren Menschen mit dem Ziel Einhalt zu gebieten. Doch auch diese hehren Ziele müssen sich letztendlich dem Primat des Geldes und der wirtschaftlichen Effizienz beugen. Vor nicht langer Zeit wurde der Lebensraum Planet Erde in Geld aufgerechnet. Was sind Gorillas wert? Wie wertvoll ist ein Blauwal? Die Bedeutung von Pflanzen- und Tierarten unserer Biosphäre für ihre Umwelt – ihr Nutzen in Geld. Soweit ist es mit der Menschheit gekommen. Wir berechnen den Wert des LEBENS in Geld. Grotesk und widerwärtig. Meines Erachtens wird nicht mehr viel Zeit vergehen müssen, bis auch bei den Verantwortlichen die Erkenntnis gereift ist, daß Wirtschaftlichkeit irgendwann grundlegend irrelevant ist. In der nahen Zukunft wird es nur noch um das Überleben gehen. Um unser Überleben. Sie holt uns ein. Die nackte, brutale Realität als Spiegel unseres Handelns – in der kein Geld mehr helfen wird. – Weil es zu spät ist. Dann ist das Spiel aus. Für immer.
Wieviel Mensch verträgt die Erde noch?
Quo vadis, Homo sapiens sapiens?
Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.
(Albert Einstein)