Meine Zeit
So bäumt es sich also auf – das nebulöse Winterphantom und vollführt seinen eleganten wie abschließenden Tanz; nur erhaben gewandet in weißen, kristallinen Kleidern, welche atemberaubend wundervoll erklirren und die natürliche Welt erstarren lassen. Vor einem Jahr um diese Zeit obsiegten Temperaturen von 08 °C und der Frühling frohlockte, doch heute absolvierte ich meinen kältesten Lauf seit 2013 und zwar bei -14 °C – begleitet von einem zornigen Wind der Harmonie. Zudem senkte sich ein Schneeschleier hernieder, welcher zwar nur als Hauch verschämt lächelte – ungeachtet dessen den einsamen, malerischen Forst leuchtend weiß veredelte.
Die bittere Konsequenz dieser lieblichen Kälte manifestierte sich leider, leider in einer langen Hose – alles Hadern half freilich nichts und so lief ich nach über 14 Monaten wieder komplett in langer Bekleidung; natürlich ohne Kopfbedeckung. Ich verabscheue im Täglichlaufen nichts mehr als lange Bekleidung – eben weil mir bewußt ist, wie angenehm sie sein kann. Und auch in diesem Kontext war die logische Folge unausweichlich – ich sorgte für blankes Entsetzen in meinem Laufareal und alle Beobachter erstaunten, wie ich es wagen kann, den gewohnten Status quo zu hintergehen. Doch ja, ich gelobe Besserung – vielleicht schon morgen; die Witterungsbedingungen werden es lehren.
Erstarrt schlummern die Haine, Sonnenstrahlen durchbrechen die hohen Wipfel, durchkreuzen die einander schlagenden Finsteräste und kitzeln den schneehauchbedeckten Boden, welcher die Bewohner des Waldes offenbart – denn ihre Spuren sind sichtbar und lassen eine umtriebige Aktivität erkennen. Unzählige Wasservögel ziehen sich zurück in noch freie Wasserflächen oder sitzen an der Grenze des erfrorenen Lebens auf dem Eisrand. In dem Bereich meiner Augen bilden sich Eisstrukturen, der leise Sturm will auch mich einfrieren und ich laufe ihm von dannen, trotzend – und der Schnee unter mir goutiert jeden einzelnen Schritt mit seinem herrlichen Knirschen.
Die Welt, das Leben mag erstarrt und eingefroren sein – es ist an Einsamkeit nicht zu übertreffen und doch ist dies nur Schein – alles lebt; allenthalben. Dieser Eisgesang ist ein einziger Genuß, der zu den seltensten überhaupt gezählt werden darf. Und so preise ich das grandiose Winterwetter von Herzen – möge es noch andauern, es ist meine Zeit. Wahrlich.