Wollige Zeiten
In meiner letzten Rückschau habe ich es bereits thematisiert, nun erringt meine heute abgeschlossene Tätigkeit als amtlich bestallter Futterlehrling ihre zusammenfassende Würdigung in Form eines eigenen Beitrages. So sei es. Seit Januar war ich zuständig für die tägliche Fütterung meiner geliebten Wollfreunde. Freilich kennen mich die lieben Wollmäuse schon seit vielen, vielen Jahren – doch für ihr kulinarisches Wohl war ich bis dato nie in Vollkommenheit verantwortlich. Um den obligaten Anpassungsprozeß zu erleichtern, konstatiere ich nicht wirklich ernsthaft, daß ich in der ersten Zeit in einem weißen Shirt lief – so ging ich optisch ohne Probleme als Schaf durch, allerdings als schwarzes – bedingt durch meine eigene dunkle Wolle auf dem Kopf. Wenngleich ich fürchte, von wahrer Anpassung konnte keine Rede sein, Hauptsache, es gibt Köstlichkeiten zu verspeisen.
Und so verging Tag für Tag in absoluter Eintracht und gewissenhafter Regelmäßigkeit. Jeden Morgen erschien ich aus dem Wald und nach nur wenigen Tagen begrüßten sie mich bereits aus großer Entfernung mit einem wunderbaren Konzert in allen nur erdenklichen mäh-chtigen Tonlagen und stimmlichen Nuancen, die ihresgleichen suchten. Oh ja, es war eine große Freude, diese von Herzen kommende Begeisterung alltäglich erleben zu dürfen. Ein erwachsenes Wollie sprang sogar fast 60 cm aus dem Stand hoch – von den Kleinen bin ich das gewöhnt, aber nicht von den Großen. Nach und nach zogen weitere Wollies auf ihre heimatliche Weide ein – insgesamt wurden bisher vier Nachwuchsschafe geboren und ja, sie sind an berauschender Süße nicht zu überbieten. Interessant war für mich auch, daß ich ein Neugeborenes streicheln durfte – die stolze Schafmama tolerierte das – indessen sie ihre wolligen Verwandten aber wegknuffte. Was war das für ein großartiger Moment, als ich ein Babywollie auf dem Arm hielt und es mit seinem zarten Stimmchen nach seiner Mama rief. Die Kleinen springen, rasen, tanzen und jagen mit tief ausgeprägter Lebensfreude nur so dahin. Ich selbst kann mich von diesem Schauspiel nur sehr schwer lösen.
Umgekehrt gilt das freilich auch, denn die wollige Damenwelt konnte sich ebenso nur schwer von mir lösen und in der herzigen Konsequenz wurde ich stets von ihnen umringt. Zugegeben, einmal wählte ich einen etwas ungünstigen Standort und salopp gesprochen, könnte man durchaus formulieren –„Was stehe ER Lausewenzel störend im Wege?“. Und das bei der Futterausgabe! – folglich beschloß ein junger Bock mich ein wenig auf die Hörner zu nehmen und delegierte mich höchst charmant zur Seite – zum Glück (noch) in schmerzfreier Weise. Aber ich sah mich stets als Lehrling in dieser verantwortungsvollen Aufgabe, nicht als Meister und jene Erfahrungen gehören nun einmal unweigerlich dazu. Zudem bildete diese Begebenheit eine absolute Ausnahme; sonst herrschte immer Harmonie zwischen uns. Doch nichts währt für immerdar, so endet auch meine Zeit als Futterlehrling. Die nahe Zukunft wird eine harte Herausforderung für mich werden, denn ich werde weiterhin meine wolligen Knuffels im Morgengrauen passieren, darf sie aber nicht mehr kulinarisch versorgen – wovon sie natürlich nichts wissen und enttäuscht voller Unmut jammern werden. Ergo müssen sie sich wieder einem neuerlichen Rhythmus unterwerfen und ich mich selbst auch, aber das ist das Leben. Für mich war es abschließend betrachtet, eine wunderbare Zeit. Und ich bin geneigt anzunehmen, umgekehrt denken sie ähnlich. Was waren das für wollige Zeiten!
6. Februar 2015 um 11:47
Ich danke ihnen für die amüsante Beschreibung ihrer Aufgabe als Schäfer. Sicherlich ein Amt mit Verantwortung. Die Liebe zu den Tieren kann man jedem ihrer Sätze entnehmen. Weiterhin viel Freude mit den Schafen.
Herzlichst
Richard
6. Februar 2015 um 11:48
Trotz meiner heiteren Beschreibung habe ich das Amt sehr ernst genommen; besonders auch in dem Kontext, weil ich kein Experte auf dem Gebiet bin. Da nützen die wenigen Schäfer-Verwandten vor Jahrhunderten auch nicht viel.
6. Februar 2015 um 12:19
Lieber Schäfer Marcus 😉
so muss ich Dich ja wohl nennen oder eher Interims-Schäfer 🙂
Es scheint, dass Du und auch die Schafe eine große Freude in den vergangenen Wochen hattet. Die Begeisterung Deinerseits liest sich sehr schön zwischen den Zeilen und über die Freude der Schafe hast Du vortrefflich berichtet. Ja manchmal sehnt man sich nach einer solchen Tätigkeit auf Dauer….
Salut
Christian
6. Februar 2015 um 12:20
Lieber Christian,
die Freude war in der Tat sehr, sehr groß. Es ist auch wirklich eine dankbare Freude; die Putzels muß man einfach tief in das Herz schließen. Ich komme soeben von einem neuerlichen Besuch zurück und soll an dieser Stelle liebe Grüße ausrichten. 🙂
Mit höchst schäferlichen Grüßen,
Marcus
6. Februar 2015 um 12:26
Schöne Motivation sich jeden Tag in die Kälte zu wagen.
6. Februar 2015 um 12:27
Eine der schönsten, die es nur geben kann.
6. Februar 2015 um 12:43
Als Schäfer singt man doch neuerdings oder täusche ich mich da? 😉
Aber bei den süßen Tieren würde ich wahrscheinlich auch täglich vorbeischauen wollen.
6. Februar 2015 um 13:39
Au Schreck – ich als singender Schäfer. Da würden die Putzels flüchten und wie! Wenn ich mir das so vorstelle – ein ausgeprägtes „Wir lagen vor Madagaskar…“ über die Weide hinaus zu schmettern. 😀 😉
6. Februar 2015 um 17:19
looool
7. Februar 2015 um 09:59
😀
6. Februar 2015 um 14:34
Lieber Marcus,
das ist ein wunderschöner Bericht von Dir. Ich habe so gelacht! *lach* Ich hoffe, Du hast Dich nicht ernstlich verletzt bei der Attacke von dem Schafbock. Das Foto mit den Babys ist einfach süß! Ich kann Dich verstehen, ein Weiterziehen fällt da schwer.
Lassen sich die Kleinen streicheln?
Herzlichen Dank für das Post.
LG
Beata
6. Februar 2015 um 14:35
Liebe Beata,
danke der Nachfrage, aber nein, es ist nichts passiert; Bockie hätte auch anders gekonnt, wenn er gewollt hätte. 😉
Ich liebe die Knuffels einfach und freue mich wirklich, sie täglich beobachten zu dürfen.
Bis auf das jüngste und das älteste Putzelchen lassen sie sich streicheln. 🙂
Alles Gute,
Marcus
6. Februar 2015 um 14:37
P.S: Hätte ich Dich auch als Schäfer anreden müssen? *Lach* 😉
6. Februar 2015 um 14:38
Als Schäferlehrjunge vielleicht. 😉
6. Februar 2015 um 15:22
Ich finde es total schön zu lesen, wieviel Freude Dir diese „Pflicht“ bereitet hat. Für Tiere da zu sein, sie zu pflegen, zu füttern, ihre Zuneigung zu erfahren ist was Tolles und geht zu Herzen. Dein Bericht gibt das genauso wieder. Freut mich sehr für Dich.
Lieben Gruß
Kornelia
6. Februar 2015 um 16:51
Wohl wahr, wohl wahr – da stimme ich Dir gerne zu. Wenn alle Pflichten so wären, wie die bis dato erlebte!
Täglichlaufen und Schafe – eine wunderbare Kombination.
Alles Gute,
Marcus
6. Februar 2015 um 17:14
Lieber Marcus,
klasse Geschichte mit deinem Schäferamt! Vom Streakmeister zum Schäfermeister! Das nenne ich Karriere!:mrgreen:
Ich war heute in deiner Nähe, was du nicht gemerkt hast. Mein Beweis:
Schon toll auf eine Herde Schafe aufzupassen. Haben die denn gehört? Machen die nicht, was sie wollen? Dein Fazit liest sich jedenfalls super.
MfG
6. Februar 2015 um 17:15
Lieber Otto,
merci für Dein grandioses Photo. Tatsächlich habe ich Dich nicht bemerkt. 😉
Was heißt hören? Sie sind sehr anhänglich, insbesondere, wenn es an das Essen geht, aber wir sind auch nicht anders.
Alles Gute,
Marcus
6. Februar 2015 um 17:19
Ich schätze du hast das Amt bald wieder inne. Richtig?
Super Abend!
6. Februar 2015 um 17:20
Wer weiß, was das Leben in dieser Richtung lehren wird.
6. Februar 2015 um 19:07
Was für eine wundervolle Geschichte, lieber Marcus und welche schöne Fügung für Dich. Deine Begeisterung ist nachvollziehbar. Hoffentlich sind die Schafe aber nicht zu sehr enttäuscht, wenn sie demnächst bei Deinen Besuchen leer ausgehen. Aber vielleicht ist ja Deine Karriere als amtlich bestallter Futterlehrling irgendwann mal ausbaufähig.
Alles Gute
Dietmar
7. Februar 2015 um 09:58
Heute war ich das letzte Mal als amtlich bestallter Futterlehrling tätig, wobei das gewichtige Amt bereits gestern endete. Tja ja, da sagst Du etwas – die tun mir jetzt schon leid, wenn sie warten und rufen, rufen und warten und ich darf nicht mehr. Sie werden die Welt nicht mehr verstehen; aber letztlich werden sie sich wieder umgewöhnen (müssen).
Alles Gute,
Marcus
7. Februar 2015 um 14:11
Mein lieber Marcus!
Schade, dass du mir nun nichts mehr von deinen Fütterungen erzählen wirst. Richtig schade!
Ich weiß wie sehr du diese Rolle geliebt hast. Die Armen werden nun immer jammern, wenn du an ihnen vorbei läufst und nicht wissen was nun los ist. Die tun mir jetzt schon leid. Du warst eben doch sehr zuverlässig zur fast gleichen Zeit bei ihnen!
Vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung.
Die Lamperl sind sowas von süß, da fehlen mir echt die Worte.
7. Februar 2015 um 14:15
Tja, meine liebe Brigitte, die Zeit verging rasant wie noch immer. Und so endet es. Ja, es ist mehr als schade.
Das befürchte ich auch, nein, ich weiß, daß es so kommen wird. Da werden sie mehr als enttäuscht sein. An die von mir an den Tag gelegte Regelmäßigkeit haben sie sich jedenfalls sehr schnell gewöhnt.
Lassen wir uns überraschen.
Die Lamperl sind wirklich unglaublich süß, aber das gilt für die anderen auch alle.
7. Februar 2015 um 14:18
Du hast doch erst gestern mit der Lehre angefangen? 😯 Und doch ist die Zeit schon wieder vorbei?
Was wohl in deren süßen Köpfen vorgehen wird? Gar nicht auszudenken. *heul*
Klar sind die Großen nicht minder süß. Aber die Lamperl haben halt den Babybonus 😀
7. Februar 2015 um 14:20
Gestern? Heute! Die liebe Zeit, Tempus fugit…
Enttäuschung pur. Aber sie werden sich auch wieder an die alten Muster zurückgewöhnen.
Das Kindchen-Schema wirkt wunderbar. Wenn ich an die zarten Stimmchen denke, so süß. Wobei so ein Wollbaby gar nicht mal sooo leicht ist. 🙂
7. Februar 2015 um 14:22
Leider, leider und uns reißt es einfach mit.
Ich bin ja schon gespannt wieviele Lamperl es hier auf der Weide geben wird, wenn der Winter hoffentlich bald vorbei ist!
Da freu ich mich schon drauf.
7. Februar 2015 um 14:23
Gestern geboren, heute gelebt und morgen lange tot und vergessen. So war es immer.
Da bin ich auch gespannt, aber die hast Du ja schon länger nicht gesehen. Immerhin ist der Frühling so gut wie da. 🙂
7. Februar 2015 um 14:27
Manchmal seh ich sie von Weitem auf ihrem Heimatgrundstück. Es geht ihnen sicher gut. Hier liegt eben viel zu viel Schnee, da gibts kein Mampfi auf der Weide.
7. Februar 2015 um 14:28
Ganz sicher. Möge der Schnee bald vergehen; wobei, es handelt sich bei Dir um Bergwollies, die müßten den Schnee eigentlich gut finden respektive tolerieren.
7. Februar 2015 um 14:30
Vermutlich halten sie gut die Kälte aus. Aber sie haben dort einen feinen Stall in dem sie übernachten. Frieren süssen sie wohl nicht. Leider wird uns der Schnee noch länger begleiten.
7. Februar 2015 um 14:32
Das nehme ich auch an. Einen angemessener Stall ist natürlich viel besser, selbst wenn sie die Kälte gut aushalten. Letztes Jahr hat es Anfang Mai noch geschneit. Schaun mer ma, wie dieses Jahr sich entwickeln wird.
18. Februar 2015 um 13:03
[…] Das leben, was man liebt und lieben, was man lebt. « Wollige Zeiten […]
24. Oktober 2015 um 12:19
[…] Zeit ist wahrlich reif für die Fortsetzung einer Thematik, welche zu Beginn des Jahres bereits eine gewisse Würdigung fand. Seit vergangenen Montag bin ich […]