Einsam im Regenwind
Der düstere Morgen begann voller Hoffnung. Es herrschten angenehme 09 °C, eine alles verzehrende Finsternis entfaltete rigoros ihren nassen Odem der Lebendigkeit und die Bäume trotzten gewichtiger Windböen. Da die hehren Himmelstore bereits seit gestern Abend unaufhörlich für Regen verantwortlich zeichneten, traute ich jener prächtigen Einladung im Kontext der Permanenz nicht und doch sollte ich nicht enttäuscht werden. Ich begab mich in den Laufschritt und wurde sofort von der lieblichen Sturmregentin umarmt, ja, ich wurde regelrecht entführt, sie riß mich stürmisch mit, wir tanzten im Hauch der Vergänglichkeit und nur zu gerne folgte ich ihr in die ihre Regenwelt. Eine melancholische Einsamkeit expandierte allenthalben, nicht einem Menschenwesen sollte ich begegnen, welch eine seltene Gnade.
Als ich die einschüchternde Pforte der Abgeschiedenheit am Eingang des Waldes passiere, erwarten mich keine Pfade mehr; sie haben sich längst in zahllose Inseln verwandelt, die aus weitläufigen Seenlandschaften erhaben heraus ragen. Zu jenem Zeitpunkt war nichts mehr an mir trocken und so erobere ich mit einem glücklichen Lächeln See um See und durchquere den friedvollen Hain der stimmungsvollen Zufriedenheit. Im lautmalerischen Hintergrund konzertieren Kuckuck und Pirol im Duett, wetteifern um holde Federmaiden und ließen sich durch nichts beirren und boten ihre kongeniale Sangeskunst feil, die ich wahrlich genoß. Ich ließ mich von der traumhaften Natur der Ruhe verzaubern und parallel im Laufschritt treiben, äquivalent ein einsamer Rinnsal, der sich seinen Weg zufällig sucht und nur von der ureigenen Stimmung unbewußt geleitet wird.
Im zweiten Forst wirkt sich der unablässige Regen noch bedeutsamer aus, zumal der Boden nichts mehr davon aufnehmen kann. Dementsprechend obsiegen auch hier die neu geschaffenen Seen, die ehedem als Waldwege auftraten. Wieder einmal sind die Witterungsbedingungen meine Verbündeten, da freilich die Vandalen und sonstigen Narren von der einzigartigen Natur ferngehalten werden. Als ich den Damm erreiche, werde ich von einem Pirolkonzert ohnegleichen willkommen geheißen. Der Damm selbst liegt scheinbar verlassen und vergessen mitten im Wald der tiefen Stille und nur die Regentropfen prasseln und säuseln ihre eigene Melodie der temporären Unendlichkeit. Das Gros der tierischen Bewohner hat sich versteckt und schützende Orte aufgesucht; bis auf wenige Enten werde ich nichts erspähen.
Immer wieder streichelt der Sturm mit böigen, grazilen Händen über die unermeßlichen Schilfwälle, die den Damm schützend zu beiden Seiten flankieren. Beeindruckende Wellen der maritimen Macht werden indessen reuelos an das Ufer geworfen, die Gischt spritzt hoch empor und von oben fallen dicke Wasserperlen in einem imaginären Himmelsfall hernieder. Ein gewaltiger abgebrochener Ast versperrt mir sodann den Weg, doch kann ich an der linken Seite des Dammes unterhalb hindurch laufen; ein surreales Gemälde der Endlichkeit, welches zudem gefährlich ist, da er seine Verbundenheit mit dem Baum noch nicht für immerdar aufgegeben, aber ächzend angekündigt hat. Der graudunkle Horizont hat sich mit den tiefen Seetälern in Harmonie für immer und immer vereinigt und nur das satte Grün der Wälder kontrastiert auf diesem Bild der Dunkelheit. Für einen Moment schließe ich meine Augen und nehme jenen Weltgesang auf einer divergierenden Ebene der sinnierenden Stille wahr.
In jenen Sekunden betrete ich eine komplett andere Welt, ein konträres Paralleluniversum der wahren Bedeutsamkeit, welches ich nicht in Worte kleiden kann und will. Fühlen im friedvollen Frieden der belebenden Natur; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Manche Impressionen erfordern ein gehaltvolles Schweigen, um ihre ergreifende Wirkung auch par excellence zu registrieren und hernach zu festigen. Ich setze meinen Lauf in der von Regen beherrschten leeren Weite fort und werde noch zahlreiche Orte in meinem Laufareal tangieren, die für berührende Augenblicke der gefühlvollen Nachdenklichkeit sorgen werden, die primär der einzigartigen Regenwelt geschuldet sind, welche ich von Herzen präferiere, nein, liebe! – die ich hier aber nicht weiter thematisiere. Irgendwann endete mein formidabler Lauf im Zeichen der Elemente, der in meiner Erinnerung einen exponierten Thron einnehmen wird. Einsam im Regenwind. Ich harre auf die Fortsetzung.
26. Mai 2013 um 11:47
Naaaaa endlich! Endlich ist er da, dein geliebter Regenlauf. Was musstest du doch lange darauf warten. Die letzten Tage hat dir das Wetter ja ständig einen Streich gespielt, bzw. der Regen!
Wenn man Regenläufe liebt, muß man von deinem Bericht mehr als begeistert sein. 😉
Mir persönlich wäre das etwas zu naß. Denn als lieblich kann ich kalte Regengüsse nicht empfinden.
Dann will ich mal hoffen, dass dir noch paar so Läufchen gelingen. Sofern der Regen dir hold ist.
26. Mai 2013 um 11:53
Was lange währt, wird gut respektive großartig. Es ist ein Jammer, wenn es 99% des Tages regnet und ich genau in dem einen Prozent meinen Lauf absolviere und das passiert nicht selten. Umso größer war meine Freude heute morgen.
Der Bericht erzählt nur ein unvollständiges Bild von dem, was ich erleben/genießen durfte.
Der Regen war mehr als lieblich, doch kalt war es nicht.
Ich hoffe das freilich; das war erst der neunte in diesem Jahr. Dum spiro, spero.
26. Mai 2013 um 12:04
Lieber Marcus,
ich danke Dir für den stimmungsgeladenen Laufbericht. Der Regen ist Dir zu gönnen, lange hast Du drauf gewartet. Du schaffst es immer wieder mit Deinen Berichten den Eindruck zu vermitteln, als ob man als Leser mit Dir läuft. Hautnah dabei sozusagen. Das kann nicht jeder.
Ich freue mich auf die Fortsetzung. 😉
LG
Beata
26. Mai 2013 um 14:28
Man läuft richtig mit ihm. Ich habe alle Laufposts gelesen und sie sind alle klasse!
26. Mai 2013 um 15:21
Danke für die Blumen. Mittlerweile sind es 111.
26. Mai 2013 um 12:10
Bisher hatte ich nicht viel Glück, was Regenläufe angeht, umso mehr habe ich den heutigen genossen. Richtig dabei bist Du erst, wenn beim Lesen über Dir eine Gewitterwolke erscheint und es kräftig gießt. 😉
26. Mai 2013 um 12:12
*lach* Mir reicht das Lesen ohne Regen. 😉
Die Fotos gefallen mir sehr.
LG
26. Mai 2013 um 12:13
Das ist aber noch nicht authentisch genug. 😉
Ich liebe Wolkenformationen.
26. Mai 2013 um 12:17
Dann hast du den Lauf umso mehr genossen, da er ja eine Seltenheit darstelle. Gestern das war echt fies!
Also 9 Grad und Regen müssen einfach kalt sein. Wenn dann noch der Wind dazu kommt, erst recht. Ne das wäre mir nichts, schon gar nicht, wenn man so läuft wie du. *bibber*
Würde das jedoch noch vielen Anderen gefallen, so würdest du NICHT durch den einsamen und verlassenen Wald laufen. Darum passt das schon so 😉
26. Mai 2013 um 12:20
Gestern war eher das gewohnte Spiel, aber das interessiert mich heute nicht mehr.
Das ist alles relativ. Für mich ist das nicht kalt, nicht im Ansatz. Da ich bei -05 °C in der gleichen Bekleidung laufe, von den Handschuhen abgesehen, kann das also nicht kalt sein. Der Körper gewöhnt sich an viele Dinge, wenn der Geist denn will.
Wie wahr, wie wahr. Mein nächster Bericht wird also davon handeln, wie unschön der Regen ist. 😯
26. Mai 2013 um 14:25
**, wie unschön der Regen ist. 😯 **
Das glaubt dir eh keiner!
26. Mai 2013 um 15:21
Abwarten, abwarten! 😉
26. Mai 2013 um 12:23
Eben! Was interessiert uns das Gestern! Heute zählt, das Hier und Jetzt!
Das mag schon sein. Doch ich kann mich an Kälte nicht gewöhnen. Ich friere sehr leicht und mir ist auch ständig kalt. Darum könnte ich mir sowas niemals vorstellen. Da wehrt sich mein Geist ganz arg dagegen 😯
LOL, das lassen wir dann lieber bleiben gell?
26. Mai 2013 um 12:27
Dem schließe ich mich gerne an.
Jeder Mensch ist verschieden. Und Du brauchst Dich auch nicht an die Kälte gewöhnen. Bei mir hat sich das einst entwickelt, Abhärtung gehört zu meinem Täglichlaufen dazu und mir tut das gut. Auch kann das sehr humoristisch sein, wenn ich an die Reaktionen der Passanten denke. 😉
Genau. Regen ist wirklich unschön; viel zu naß. 😦
26. Mai 2013 um 12:30
Da fällt mir ein October and April – passt ja perfekt gell? hihi
Ich würde auch doof gucken… wobei, ich kenne das ja schon von dir. Also guck ich mal nicht doof. Ich nehms einfach so hin.
Jaaaaaaaaaa viel zu naß und unangenehm!
26. Mai 2013 um 12:31
Korrekt. Vollendete Gegensätze – das ist doch herrlich, gell?
Wobei die Umgebung (jene, die mich kennen und täglich beobachten) entsprechend konditioniert ist, soll heißen, hier schreien sie nur auf, wenn ich in langer Bekleidung laufe. Aber das kommt zum Glück selten bis nie vor.
26. Mai 2013 um 12:32
Schöner Bericht mit gut eingefangenen Eindrücken. Für Mai aber zu kalt und zu feucht.
26. Mai 2013 um 12:35
Danke, Joachim. Ich kann über das Wetter nicht klagen.
26. Mai 2013 um 13:00
Wow, was für ein Lauf. Und endlich lese ich hier auch mal was von einem richtig schönen Regenlauf. Das macht Spaß, gell? In Gedanken bin ich mit Dir gelaufen. Dabei hatte ich doch heute meinen eigenen Regenlauf.
Die Natur mit ihren Geräuschen und auch ihren Gerüchen fühlt sich gleich ganz anders an. Und auch die Einsamkeit ist eine andere als an anderen Tagen. Ich kann gut verstehen, dass Dir das ganz besonders gut gefallen hat. Solche Läufe sind eine Besonderheit und man muss sie einfach genießen.
Freut mich wirklich sehr, dass Du heute in diesen Genuß gekommen bist. Wer weiß, vielleicht kommen kurzfristig noch mehr solch schöne Genußläufe dazu? Das wär doch was !
Liebe Grüße
Kornelia
26. Mai 2013 um 13:01
Regenläufe sind eine Rarität – das war heute erst mein 286. – ab 2000 gerechnet; umso mehr weiß ich sie zu schätzen und genieße jede Sekunde im strömenden Regen. Partiell war das heute schon fast Schwimmen. 😉
Irgendwie habe ich den Eindruck, daß Du weitaus öfter in diesen Genuß kommst. Aber bei Dir ist das Klima schon generell anders.
Mit etwas Glück wird morgen ein ähnlicher Tag, möge es so bleiben.
26. Mai 2013 um 14:24
Klasse, Marcus, einfach klasse! Thx für dein super Laufpost, der letzte ist ewig her. Aber die Warterei hat sich gelohnt! Genial formuliert, aber das ist nichts neues von dir. Das Mistwetter ist genau das richtige für dich!
Wer traut sich da schon raus?
Die geilen Fotos sind auch wie immer richtig klasse!
Ich wünsche dir mehr Regen in der nächsten Zeit!
MfG
26. Mai 2013 um 15:19
Übertreibe nicht so, Otto – zuletzt habe ich mit Höhenmetern gekämpft, das war doch erst vor kurzem. „Mistwetter“ 😯 Es handelt sich vielmehr um traumhafte Bedingungen.
Mehr Regen ist immer gut – danke. 😉
26. Mai 2013 um 17:06
In der Tat, lieber Marcus. Regenläufe sind eine Rarität und daher sollte man sie auch als Besonderheit annehmen. Ich hatte in dieser Woche dreimal das Vergnügen. Und überhaupt zeigt sich der zuende gehende Mai aus Läufersicht ganz überwiegend als sehr angenehm kühl, jedenfalls in der hiesigen Region. Freilich, Frühlingswetter kann man sich auch anders vorstellen. Und so hat jeder seine eigene Sicht.
Alles Gute
Dietmar
26. Mai 2013 um 17:07
Lieber Dietmar,
wenn Du gleich drei Regenläufe in einer Woche absolvieren durftest, so scheint das belebende Naß nicht gar so rar bei Dir zu sein. Der Genuß sei Dir gegönnt; ich selbst harre nun auf die Fortsetzung, die wahrscheinlich lange auf sich warten lassen wird.
Von mir aus darf der Frühling/Sommer gerne so bleiben – ich war nie der Hitzefreund.
Alles Gute,
Marcus
26. Mai 2013 um 18:51
Lieber Marcus,
trefflich beschrieben und mit den richtigen Worten bekleidet liest sich Dein heutiger Beitrag. Der Wind macht den Regen allerdings zu einem unangenehmen Gesellen, v.a. wenn die Tropfen eiskalt waagrecht daherkommen, da wird es mir sogar zuviel. Mir fehlt die Kältehärte im Mai 😉
Ich wünsche Die aber noch mehr Regenläufe, die die beschriebenen Eindrücke und Emotionen aufleben lassen.
Salut
Christian
27. Mai 2013 um 09:14
Lieber Christian,
für mich gehören die Sturmböen dazu, ich liebe das – und von Kälte war zumindest hier (bei 09 °C) keine Rede. Doch bei aller Kälteliebe gebe ich gerne zu, daß sich der Körper wieder sehr schnell an die warmen Temperaturen gewöhnt hat, entsprechend wirken die frischen Werte sehr belebend.
Wie auch immer, der Winter naht. 😉
Alles Gute,
Marcus
27. Mai 2013 um 12:45
Ich danke für den anspruchsvollen Lauf-Bericht, an dem sie uns Leser teilhaben lassen. Den Vorrednern kann ich nur zustimmen, denn ihre anschauliche Darstellung des Erlebten ist über jeden Zweifel erhaben und lädt dazu ein, es ihnen gleichzutun. Das jeweilige Ergebnis wird sich zeigen.
Herzlichst
Richard
27. Mai 2013 um 14:09
An dieser Stelle schließe ich mich meiner Vorrednerin an, denn wenn das viele Menschen nachmachen, so wären meine Wälder auch bei Regen entsprechend gut besucht und das wäre nicht angenehm. Ich bin froh, daß die Masse an Läufern den Regen verabscheut.
27. Mai 2013 um 16:42
Ich übertreibe nicht, Da liegen Wochen zwischen. Freue mich schon auf den nächsten!
Hat mein Regenwunsch was gebracht?
Super Abend!
MfG
27. Mai 2013 um 16:43
Leider nicht. Es war zwar ähnlich tiefdunkel, doch der Regen fehlte leider.
28. Mai 2013 um 08:20
Lieber Marcus,
Das ist genau Dein Wetter-ich freu mich für dich! Aber ich muss zugeben, dass ich mich zur Zeit über etwas Sonne freuen würde…
Dein Laufbericht ist wieder einmal toll geschrieben.
Ich wünsche dir eine tolle Woche
Liebe Grüße
Petra
28. Mai 2013 um 10:22
Liebe Petra,
ich drücke Dir die Daumen für viel Sonne und führe gleichzeitig einen Regentanz auf, der hier für angenehme Rahmenbedingungen sorgen wird. 😉 Aber wahrscheinlich werden wir beide enttäuscht.
Ich hoffe, Dir geht es gut und Dein Täglichlaufen hat nach wie vor Bestand.
Alles Gute,
Marcus
31. Mai 2013 um 20:48
Hi Marcus,
2x ja 🙂 – ja, es geht mir gut und ja, ich laufe noch täglich! Am 18. September werden es bereits 5 Jahre sein und ich wünsche mir sehr, dass das Schicksal mir keinen Strich durch die Rechnung macht…
Ich wünsche dir ein wunderbares Wochenende!
Viele liebe Grüße
Petra
1. Juni 2013 um 09:21
Das freut mich sehr für Dich. Fünf Jahre bilden schon ein gewichtiges Datum; ich hoffe, Du wirst an jenem Tage stolz zurück blicken. Ich werde an Dich denken, aber wie könnte ich auch nicht, denn der 18. ist ein magisches Datum. Ich selbst habe dann ein halbes Jahr absolviert, wenn… 😉
18. Juni 2013 um 09:16
[…] hadere ich gar mit den omnipotenten Witterungsmächten; nein, denn dieser formidable Lauf, den ich im einsamen Regenwind absolvieren durfte, suchte seinesgleichen und dementsprechend trat ich in jenen Sekunden in eine […]
28. Dezember 2013 um 10:10
[…] Auch im Mai zeichnete ein Regenlauf kausal für einen der schönsten Augenblicke verantwortlich. Im einsamen Regenwind lief ich in die weite Abgeschiedenheit hinein, die ihresgleichen suchte und dementsprechend trat […]