Perspektivenhafte Metamorphose – Akt II.
Lautlos eroberte der schwarze Täglichläufer sein Laufareal, verschmolz in friedlicher Harmonie mit der Tiefe des Waldes und genoß die einsame, melancholische Weite, die ihresgleichen suchte und zärtlich vom Firmament gestreichelt wurde. In seinen Gedanken manifestierte sich ein Beitrag im Zeichen der imaginären Metamorphose aus längst vergangenen Tagen:
Nicht weit davon entfernt, immer noch im tiefen Forst huschte ein flinkes Eichhörnchen im Unterholz munter durch den Wald und sprang geschwind hier und dort über die unebenen Pfade, auf diesen oder jenen Ast in Perfektion balancierend. Auch die Eichhörnchendame sah die nicht wirklich ungewohnte Präsenz auf sich zu rennen, allein erschien ihr die Kreatur im Gegensatz zu der Ameise nicht gar so riesig und schlußendlich obsiegte die Neugierde. Sie versteckte sich hinter einem Baumstamm, lugte spitzbübisch hervor und beobachtete die nahende Dunkelheit. Selbige schwenkte das offenkundig unabhängige Oberteil in ihre Richtung und verlangsamte die Geschwindigkeit bis sie bewegungslos verharrte. Sodann vernahm das Eichhörnchen surreale Laute aus dem schwenkbaren Haupt, es hörte sich an wie: „Na, mein kleiner Wuschelputz?“, „Du bist ja ein süßes Kerlchen“, „Und sooo neugierig bist du“. Nun, weder war das süße Eichhörnchenmädchen ein Kerl noch ein Kerlchen und schon gar nicht neugierig!, zusätzlich verstand sie das menschliche Kauderwelsch per se nicht. Eins, zwei fix und schon erklomm die geschickte Sohlengängerin unbekümmert den hohen Baum und wunderte sich weiterhin über diese seltsame Begegnung mit der einhergehenden bewußten Aufmerksamkeit. Indessen das finstere Wesen mit seinem beweglichen, plappernden Kopf in hoher Fahrt davon lief. Was für eine komische Welt!
Einmal mehr turnte ein flinkes Eichhörnchen durch seinen heimatlichen Hain, als es erneut von diesem finsteren Menschen aufgeschreckt wurde. Und doch konnte es sich einer gewissen Neugierde nicht erwehren und beobachtete selbigen entsprechend. “Jetzt redet der mich schon wieder an; und – ist es nicht der gleiche, der neulich mein Familientreffen unaufgefordert störte und dabei so albern bis über beide Ohren grinste?“ – “morgen sehe ich den garantiert wieder!” mochte es denken und zog fast gelangweilt von dannen. „Ein komischer Kauz!“
Viele Kilometer von diesem einseitigen Dialog entfernt, thronte ein edler Eichelhäher in der hohen Krone eines Baumes. Auch er bemerkte das kleine, schwarze Etwas, welches mit rasanter Geschwindigkeit sich näherte. Freilich, für einen Eichelhäher war das alles andere als rasant. Doch nun reduzierte sich das Tempo und jetzt blieb der Schwarze gar stehen und nestelte mit seinen Greifwerkzeugen umher. Ein seltsames Gebaren! „Der hält einen Kasten hoch, direkt vor dem Schnabel, plötzlich surrt das Ding und es verändert sich in der Länge – das wird mir nun doch zu bunt, bloß weg hier!“ – ein letzter Blick und auch der Eichelhäher flog schleunigst davon, natürlich nicht ohne sein charakteristisches Meckern, ob dieses Eindringlings in sein Habitat. „Morgen werde ich den Störenfried gehörig ausschimpfen!“
Dieses Mal gelang es mir, zwei der herzigen Gesellen, von denen ich hier wiederholt spreche und an deren Leben ich während meines Täglichlaufens partiell partizipieren darf – auf ein Photo zu bannen. Freilich war das eine diffizile Angelegenheit, da mir hierbei jedwede Kooperation aufgekündigt wurde. Allein, kann man es ihnen verdenken? Denn sie sind die wahren Herrscher in den natürlichen Gefilden, es ist ihr Zuhause, ihr Heim. Ich – bin nur der Eindringling. Dessen bin ich mir bewußt.
10. Oktober 2012 um 09:54
Lieber Marcus!
Welch eine Überraschung dieser Beitrag doch für mich ist. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass du Neues veröffentlichen wirst.
Ein Lächeln hast du mir nun ins Gesicht gezaubert, so schön und lustig hast du das geschrieben. Die Natur hat wirklich immer etwas Schönes für uns zu bieten!
Die Fotos sind grandios!
10. Oktober 2012 um 09:57
In der Tat, meine liebe Brigitte – auch ich habe damit nicht gerechnet und doch ist es letztlich passiert. Das Leben ist immer eine Überraschung wert.
Das freut mich. 🙂 Die Natur ist einzigartig und Eichhörnchen liebe ich besonders, wenngleich ich damals sehr gern die glorreichen Sieben auf ein Bild gebannt hätte. 😉
10. Oktober 2012 um 09:59
Aber leider nicht immer eine positive..
Ich mag diese süßen Putzels auch so gerne. DAS wäre das Foto des Jahrhunderts geworden gell? Schade, dass du die Cam nicht dabei hattest.
Und wieder fällt mir das Eichkätzchen in der Speisekammer ein.. *lach*.
10. Oktober 2012 um 10:01
Das ist wahr.
Da hätte ich ein schönes Video aufnehmen können, aber die Racker halten ja selten still. Läufe mit der Kamera werden die Ausnahme bleiben.
*lacht* Das wirst Du nie vergessen, gell? Aber wie auch!?
10. Oktober 2012 um 10:11
Wieso Ausnahme? Mit einem Band umhängen oder in ein Laufrucksack geben?
10. Oktober 2012 um 10:13
Also wenn Marcus eines nicht hat, dann ist das ein Laufrucksack.
10. Oktober 2012 um 10:14
Warum nicht?
10. Oktober 2012 um 10:19
Korrekt.
10. Oktober 2012 um 10:18
Nein, derlei kommt nicht in Frage. Beide Varianten gefallen mir nicht.
10. Oktober 2012 um 10:23
Oh schade!
LG
10. Oktober 2012 um 10:02
Diese Dinger sind schon sehr hinderlich bei einem Lauf. Vor allem bei dir, weil du überhaupt nichts mit hast, wo du sie unterbringen könntest. Manchmal richtig schade.
Nö, das vergesse ich niemals. Das sind Kindheitserinnerungen die einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
10. Oktober 2012 um 10:03
Ideal wäre ein zweiter Läufer, der mich begleitet und diverse Utensilien mit sich führt, die ich früher oder später gebrauchen könnte. 😀
Aber im Ernst, ich habe schon viel verloren, was sehr sehenswert gewesen wäre.
Das sind sehr amüsante Erinnerungen. Die Welt für ein Video! 😉
10. Oktober 2012 um 10:04
Hallo Marcus,
das hast Du sehr witzig geschrieben, mit einem Hang zur Selbstironie. 😉
Endlich hast Du mal Fotos, die Deine Erzählungen untermalen. Die sind gelungen, das 1. ist total niedlich, das 2. schön. Ich danke Dir dafür.
LG
Beata
10. Oktober 2012 um 10:07
Die süßen Racker sind auch witzig und vor allem herzig. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht auf die Putzels treffe.
10. Oktober 2012 um 10:08
Also was wir damals nicht hatten, war eine Videocam *gg*. Und an ein Foto hat keiner gedacht, bzw. hat sich der Lauser viel zu schnell vom Acker gemacht.
10. Oktober 2012 um 10:10
Selbst wenn Ihr eine gehabt hättet, so hätte das nicht funktioniert. Die sind derart flink; zudem ist man darauf nicht vorbereitet.
10. Oktober 2012 um 10:11
Richtig, das wäre nix geworden. Aber im Kopf ist und bleibt die Erinnerung an diesen Lauser *lach*.
10. Oktober 2012 um 10:13
Das glaube ich Dir. Manche Momente zaubern auch nach Jahren noch ein Lächeln her und das macht sie so einzigartig. Und ein Photo kann die Erinnerung per se nicht ersetzen.
10. Oktober 2012 um 10:15
Solange „Alzi“ mich verschont, bleibt es auch in meiner Erinnerung gespeichert :))
10. Oktober 2012 um 10:20
Das hoffe ich doch sehr. Allein, gegen die Unwägbarkeit des Lebens sind wir machtlos.
10. Oktober 2012 um 11:18
Lange habe ich auf die Fortsetzung warten müssen. Ihre heitere Darstellung enttäuscht nicht und gibt einen kurzweiligen Eindruck aus ihrer Welt. Das Potenzial für weitere Artikel dieser Reihe kann nur schwer ausgeschöpft werden. Ich freue mich auf Akt 3. Alles Gute in ihrem Täglich-Laufen.
Herzlichst
Richard
10. Oktober 2012 um 11:19
Die Reihe könnte ich beliebig fortsetzen, aber dann würde der Perspektivenwandel auch relativ zügig langweilig werden. Zudem lassen sich die wenigsten meiner tierischen Verbündeten auf Photos bannen, um die Artikel damit zu garnieren.
10. Oktober 2012 um 11:51
Interessanter Wechsel der Sichtweise. Die Idee dafür zu finden, ist vermutlich nicht leicht. Gut formuliert. Das sollten mehr lesen, fördert den Respekt gegenüber anderen Lebewesen.
10. Oktober 2012 um 14:58
Wenn man versunken in der Einsamkeit die Welt im Laufschritt durchschreitet, entwickeln sich interessante Ideen aus dem Nichts heraus.
Respekt gegen Tiere, gegenüber dem Leben an sich – existiert in dieser Welt nicht. Für Geld tut die Spezies Mensch a l l e s und wenn der ganze Planet vernichtet werden muß, solange das Geld bringt, wird dies gemacht. Und, interessiert das jemanden?
10. Oktober 2012 um 15:45
Hi Marcus,
thx für das lustige Post! Ich habe kräftig gelacht!
Wer will, kann aber einen ernsten Hintergrund entdecken, wenn man das 1. Post dazu liest.
Ich bin nur baff, dass du dies mal Fotos dazu hast! War nicht leicht, oder?
MfG
10. Oktober 2012 um 15:46
Alles ist lustig. Alles ist ernst. Alles ist miteinander verwoben; manchmal sind die Fäden aus Eisen und oft bestehen sie nur aus einem Hauch von Nichts.
Nein, die Putzels sind diesbezüglich eher scheu. 😉
10. Oktober 2012 um 15:47
Foto 1 ist das Oachkoatzln, richtig (du erinnerst dich?)?
11. Oktober 2012 um 03:44
Hahaha, fast richtig… es heißt Oachkatzl, ist ja nur eines 🙂
11. Oktober 2012 um 09:01
Leider. Was gäbe ich für ein Photo von den „glorreichen Sieben“! 😉
11. Oktober 2012 um 16:21
Achso Thx für die Aufklärung!
MfG
12. Oktober 2012 um 13:18
Gerne. Ja, ja – die süßen Oachkatzl. 😉
10. Oktober 2012 um 15:48
Freilich. Goldig, gell? 😉
10. Oktober 2012 um 15:49
Noch was! Ich las eben teil 1 nach. Da hast du mir die Story aus Wildschweinsicht versprochen!!!
Super Feierabend!
10. Oktober 2012 um 17:20
Ich verspreche nur etwas, was ich auch halte. Ich stellte eine Fortsetzung in Aussicht – nicht mehr, nicht weniger.
Ich wünsche Dir ebenfalls einen genußvollen (Lauf)Abend.
10. Oktober 2012 um 19:54
Danke für diesen rührenden und humoristischen Beitrag, lieber Marcus. Die Bilder sind sehr gelungen und ich beneide Dich darum, die „Gesellen“ so getroffen zu haben, ich bin meist zu langsam 😉
Auch das macht das Laufen aus, den Blick für die Umwelt zu sensibilisieren, nicht nur mit sich selber beschäftigt sein. Ich würde mir diese Umsicht und Aufmerksamkeit auch im Alltag bei vielen Menschen wünschen, aber das bleibt ein Traum 😉
Wünsche Dir noch viele Dialoge oder Monologe, wie man es nimmt 🙂
Salut
Christian
11. Oktober 2012 um 08:59
Lieber Christian,
es ist eine wahre Herausforderung, diese Knuffels in Bildern festzuhalten. Um angemessene Photos zu erhalten, müßte ich mich im Wald eingraben, gut tarnen und über Stunden ausharren. Da sie mir ihre Mitarbeit verwehren und ich dazu keine Zeit und Lust habe, bleibt das nur ein Kompromiß. 😉
In der Tat wird das ein Traum bleiben. Sensible Menschen sind rar und jene, die die Natur achten und ehren, sind noch seltener zu finden – wie man tagtäglich überall erleben „darf“.
Es handelte sich um einen – gefühlten – Dialog, aber wenn ich ehrlich bin, nun ja… 😉
Alles Gute,
Marcus
11. Oktober 2012 um 17:00
Das sind aber schöne Fotos. Da gehört aber auch ein wenig Glück dazu, dass man eine Gelegenheit, diese Tiere zu fotografieren. Schön, dass Dir das gelungen ist und noch schöner, dass Du sie hier zeigst. Das war bestimmt ein ganz tolles Erlebnis für Dich!
Liebe Grüße
Kornelia
11. Oktober 2012 um 17:01
Dazu gehört schon mehr als Glück – solange man nicht wie oben beschrieben, handeln will. Nur schade, daß die Chancen sehr rar sind, was schlußendlich vielleicht ganz gut ist.
11. Oktober 2012 um 19:03
Lieber Marcus, das sind besonders schöne Begegnungen und noch dazu die gelungenen Fotos! Tiere in der freien Natur zu fotografieren ist eine Wissenschaft für sich. Vor allem muss man im richtigen Augenblick die Kamera zur Hand haben. Zumal wenn man laufend unterwegs ist, ist das bestimmt kein einfaches Unterfangen. Der Eichelhäher ist nach meinem Geschmack ein besonders schönes Exemplar. Und Eichhörnchen sind eh lustige Geschöpfe, beziehungsweise sie erwecken einen solchen Eindruck auf uns. Mit solchen Einblicken ist das Täglichlaufen freilich unübertreffbar. Täuscht mein Eindruck oder annimiert der Herbst nicht besonders zum aufmerksamen Beobachten? Mir geht es jedenfalls so; ich meine es ist das besondere Licht in diesen Monaten.
Liebe Grüße
Dietmar
12. Oktober 2012 um 13:27
Lieber Dietmar,
in der Regel sollte man auf den Auslöser drücken, wenn nichts zu sehen ist; denn die Putzels sind derart schnell, daß sonst der Platz bereits wieder leer ist. Oder man tarnt sich entsprechend, allerdings bin ich natürlich kein Profiphotograph und während des Laufens ist dies auch keine Option.
Der Eichelhäher ist wirklich herrlich und ihr tägliches Meckern ist stets amüsant. Wenn man mich fragt, wieso ich immer noch jeden Tag laufe – nach all den Jahren – die beiden Bilder geben eine symbolhafte Erklärung ab.
Ja, der Herbst hat seine besonderen Reize. Nicht nur die Lichtverhältnisse, auch das zarte Entkleiden der Blätterwelt mit ihren einzigartigen Einblicken lädt zum konzentrierten Beobachten ein. Wohl dem, der das läuferisch genießen darf.
Liebe Grüße
Marcus
14. Oktober 2012 um 17:36
Lieber Marcus,
da sind dem schwarzen „Störenfried“ ja ein paar schöne Schnappschüsse gelungen… Und danke für die lustige Schreibweise, hat echt Spaß gemacht das zu lesen… 🙂
Viele liebe Grüße
Petra
15. Oktober 2012 um 13:47
Da hatte das schwarze Etwas viel Glück, liebe Petra. 😉
18. Oktober 2012 um 09:24
[…] Gelebtes Täglichlaufen Das leben, was man liebt und lieben, was man lebt. « Perspektivenhafte Metamorphose – Akt II. […]
18. Oktober 2012 um 10:37
Herrlicher Beitrag, das sind die Begegnungen die im Kopf bleiben.
Schöner geht es doch überhaupt nicht.
LG
Marco
18. Oktober 2012 um 13:20
Nichts geht über die Natur mit ihren lieben Bewohnern – ohne, wäre ich längst kein Täglichläufer mehr.