Finstertränen im Sommerglanz

Ungeachtet der Irrelevanz im Kontext auf das Agieren als Täglichläufer nehmen die Witterungsbedingungen gleichwohl einen zentralen Rahmen ein, die mit allumfassender Vehemenz die tägliche Laufkonzeption latent tangieren, soll heißen körperlicher wie mentaler Natur. Entsprechend überraschte mich der heutige Tagesbeginn, jedoch in zutiefst freudiger Hinsicht. Eine verdichtete greifbare Dunkelheit, die ihresgleichen suchte; zusätzlich feiner Sprühregen und ein liebevoller leiser, zarter Windhauch, der sich nicht verleugnen ließ. Die Temperatur lag bei 12/13 °C, der Atem war sichtbar – und das, das am 04. Juli, im goldenen Sommerglanz! Korrekterweise sollte der heutige Tag so in dieser Form im Oktober erscheinen. Ich werde ihn dereinst daran erinnern. Vor exakt einem Jahr lief ich bei 33 °C, welche Differenz. Nein, ich jammerte nicht, ich war außer mir, vor Freude!

Nicht nur die Finsternis offenbarte sich in verdichteter Weise, nein, auch die Einsamkeit materialisierte sich allenthalben in dieser greifbaren, erschlagenden Art. Lächelnd goutierte ich die Verhältnisse und ließ mich nur noch gedankenlos dahin treiben. Ich versank in die Abgeschiedenheit der Dunkelwälder und manche Passagen zollten scheinbar der schlafenden Nacht ihren würdigen Tribut. Bereits im Sonnenlicht verdecken sie ähnlich einer zum Himmel hin geschlossenen Blätterallee die Sicht gen oben, allein bei den heutigen Bedingungen intensivierte sich die Schwärze; zudem schien ich selbst durch meine dunkle Bekleidung von der Düsternis absorbiert zu werden, so daß ich mit den Finstertränen der Dunkelheit verschmolz. Bemerkenswert, der große See ließ sich indessen nicht von der geliebten Einsamkeit inspirieren – mehrere Yachten kreuzten und zwei Hausboote schipperten gemächlich umher, getragen von einem nicht stillstehenden Naß von unten und permanenten Niederschlag aus höheren Sphären.

Mittlerweile vollzog der Sprühregen die willkommene Wandlung in die nächst mächtigere Ebene der nassen Belebung. Ich verzichte an dieser Stelle auf einen angemessenen Regenlaufbericht; zu schön war der Lauf und schlußendlich ließe er sich doch nicht in Worte fassen. Wie könnte ich es auch wagen, die nahezu vollkommene Natur zu beschreiben? Ich nahm die Gnade, die sich mir unerwarteterweise bot ohne zu zögern an und gab mich meinen Gefühlen hin. Freilich, ich liebe auch Schneeläufe; wenn es leise unter meinen Füßen knistert, die Schneeflocken sanft hernieder gleiten und doch, die wahre Erfüllung liegt für mich in den Regenläufen. Jene einzigartige Qualität bleibt unerreicht. Ich laufe und laufe im strömenden Regenfall, durchnäßt bis auf die Haut – nichts ist mehr trocken an mir. Laß diese Reise im verkörperten Frieden des Einklangs niemals enden. Körper und Geist in Harmonie verschmolzen, reduziert auf das elementare Leben per se – Empfinden, Fühlen und Genießen. Doch nichts ist von ewiger Dauer, alles vergeht – muß vergehen. So auch dieser Reigen. Dennoch, warum mußte der Lauf enden? Warum nur?

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