Den Weg gehen – VIII. Harmonie.

Täglichlaufen in Serie. Acht Jahre – Acht Monate. Zwar ein unbedeutendes Datum, allerdings eine interessante Zahlenkonstellation. Erneut wurde ein Täglichlaufkapitel vom sagenumwobenen Reich der verblaßten Erinnerungen aus der Zukunft angezogen, um dort für alle Zeiten absorbiert zu werden. Das gewichtigste Ereignis in diesem Jahr sollte sich in meinem zehnjährigen Jubiläum als Täglichläufer materialisieren. Wer hätte das einst gedacht? Selbst ich hätte dies als ein unmögliches Vorhaben deklariert. Doch im Nachhinein stellt sich die Welt anders dar, gänzlich konträr zu meinem damaligen Denken, gleichwohl hat das Leben Recht und ich bin froh, daß ich vor einer Dekade den Pfad des Täglichläufers – unbewußt – gewählt habe. Trotz aller Härten würde ich ihn auch mit dem heutigen Wissen exakt wieder so gehen – wie ich es tat. Und diese Erkenntnis – der Sieg über mich selbst – läßt mich stolz lächeln; die Widrigkeiten und Herausforderungen bilden den Nährboden von liebevoller Härte und gewachsener Selbstdisziplin und die daraus gewonnene tägliche Permanenz einer Fortführung meiner Philosophie generiert die gelobte Zufriedenheit und eine mentale wie körperliche Gesundheit, die ich nicht mehr missen möchte. Ich bin dankbar, daß ich das Gefühl des Täglichlaufens in seinen vielen Facetten erfahren, empfinden durfte und weiterhin hoffentlich darf.

Jener vergangene Monat wird als sehr harmonischer Abschnitt in meine Annalen eingehen. Wie im letzten Rückblick bereits formuliert, ist die alte Stärke mit voller Inbrunst zurückgekehrt und hat sich mit der inneren Ruhe vereint, so daß bei den absolvierten Läufen mehrheitlich der lächelnde Genuß obsiegte. Die Wettermächte taten das ihrige und etablierten mit edler Hingabe einen dunkelschönen Oktober/November-Wechsel. Der Jahreszeit entsprechend sanken die Temperaturen von 12 C° auf 01 C° – freilich auf den jeweiligen Laufzeitpunkt bezogen. Somit erfolgten die ersten beiden „Kälteläufe“ zu Beginn des diesjährigen Novembers – nahezu 20 Tage früher als im Vorjahr. Eine wirkliche Anpassung war auf Grund der milden Phasen nicht möglich, ja, offensichtlich auch gar nicht nötig, da die kühlen Gradzahlen sich kaum auf mein Empfinden auswirkten. Im Gegenteil, die klare, kalte Atmosphäre erwies sich mehr als angenehm. Enttäuschend hingegen gerieten die Regenläufe, nur zwei an der Zahl. Ich wage jedoch weiter auf die Gnade der nassen Witterungsgewalt zu hoffen.

Rückblickend betrachtet, verlief der Monat sehr unspektakulär. Die von mir so geliebten Läufe in der Melancholie, geboren in der Einsamkeit dominierten engagiert die letzten Tage. Allein im Laufschritt in der Abgeschiedenheit die dunklen Wälder erkunden; die endlose Himmelsschlacht zwischen eingesperrter Sonne, atemberaubenden Wolken und kräftigen Sturmböen zu beobachten, bildeten die Basis für eine sanfte Ruhe, welche oft knisternd und greifbar war – nur „gestört“ durch zahlreiche Tiere, die sich wie stets in Gelassenheit übten. Die unzähligen Waldpolizisten, ebenfalls bekannt als Eichelhäher in Kooperation mit den Fischreihern enttarnen sich hierbei als Ausnahmen, da sie grundsätzlich erbost ob meiner Präsenz sind – regelrechte Schimpfkanonaden muß ich über mich ergehen lassen, was mich wiederum oft lachen läßt.

Langsam aber sicher neigt sich das Jahr seinem Ende entgegen. Was eben noch so fern in der Zukunft lag, liegt jetzt fast vergessen in der Vergangenheit. Tag um Tag schält sich aus dem Nebel der Dunkelheit, präsentiert uns das temporäre Licht und wankt erneut auf die nächtliche Finsternis zu. Der beständige Kreislauf unseres Lebens. Aus Tage werden Jahre und wir registrieren mit Erstaunen, wo die Zeit geblieben ist. Wir werden sie nie aufhalten können, jedoch in besonderen Momenten ist es uns möglich, sie festzuhalten – sie für den Hauch eines Augenblicks einzufrieren. Wenn uns das mit einer vollkommenen Hingabe gelingt, dann leben wir.

19.10.2009 16 KM – 02 Radfahrer überholt, Gespräch mit Freundin
20.10.2009 14 KM – Damm: Gras gemäht
21.10.2009 14 KM
22.10.2009 14 KM
23.10.2009 14 KM – 04 Vereinsläuferinnen überholt
24.10.2009 13 KM – Fasan beobachtet
25.10.2009 13 KM – Rückkehr der Schafe
26.10.2009 14 KM – 02 Vereinsläuferinnen überholt
27.10.2009 14 KM
28.10.2009 14 KM – Zehnjähriges Täglichläuferjubiläum
29.10.2009 12 KM
30.10.2009 13 KM
31.10.2009 13 KM
01.11.2009 14 KM
02.11.2009 12 KM – Gespräch mit Hundehalter
03.11.2009 12 KM – Radfahrer überholt
04.11.2009 12 KM – Gespräch mit Hundehalter
05.11.2009 08 KM
06.11.2009 14 KM
07.11.2009 14 KM
08.11.2009 13 KM
09.11.2009 14 KM – Schafe beobachtet
10.11.2009 14 KM – Spaziergang mit einer Bekannten
11.11.2009 14 KM
12.11.2009 14 KM – am Seeufer angehalten
13.11.2009 14 KM – am Seeufer angehalten
14.11.2009 14 KM
15.11.2009 14 KM – am Seeufer angehalten
16.11.2009 14 KM – langes Gespräch mit einer Freundin
17.11.2009 14 KM – Radfahrer überholt
18.11.2009 14 KM – Täglichlaufen: 08 Jahre und 08 Monate

23 Antworten zu “Den Weg gehen – VIII. Harmonie.”

  1. Ja Spotzl, so kanns gehen, die Zeit vergeht wie im Flug. Wieder ist ein Monat um und kehrt nicht wieder.

    Es freut mich, dass du einen schönen Laufmonat hattest. Ich weiss, dass du diese Jahrezeit sehr magst (im Gegensatz zu mir). Für dein Laufer sicher besser als die Hitze im Sommer.

    Schön, dass du mir nun wieder jeden Tag von den Schafen berichten kannst, da sie ja wieder da sind *freu*. Im Frühjahr brauch ich die Racker dann ja, pass gut auf sie auf *lach*

    Ich wünsche dir ein schönes weiteres Laufmonat.

  2. Die Zeit rast immer schneller, je älter wir werden – so scheint es. Doch das ist ein Irrtum, die Zeit vergeht immer gleich schnell – nur unser Leben wird täglich kürzer.

    Ja, der Monat war wirklich schön. Und die angenehmen Temperaturen tragen auch dazu bei, wobei man sich an die Hitze natürlich gewöhnt.

    Heute standen sie alle in einer Reihe an der Hecke und mampften. Der Schafbock sogar aufgerichtet, zumindest kurz. 😀 *lacht* Die sind wirklich herzig.

  3. Klar scheint es nur so, die Zeit wird sich wegen uns nicht ändern ;).

    Ich stell mir das richtig süss vor, wie sie da stehen und mampfen. Echt putzig.

  4. Wobei die „Zeit“ sowieso nur ein menschliches Konstrukt ist.

    Mittlerweile sind sie gar nicht mehr auf ihrer Weide. Jedes Mal, wenn ich dort vorbei laufe, sind sie ausgebrochen. 😀

  5. Nachtrag: Und erkunden die kulinarische Welt in der Nähe. 😉

  6. Das sind eben Leckermäulchen und die wissen wo es was Gutes gibt. Mich wundert aber, dass es da noch keine Beschwerden gab, wenn die da so frei rumlaufen.

  7. Das stimmt. 🙂

    Wer soll sich da aufregen? Die Gegend ist sehr abgelegen und wird auch meistens nur am Wochenende genutzt. Und die dort dauerhaft wohnen, sind schon wieder zu weit weg – dahin spazieren die Putzels nicht.

  8. „Erneut wurde ein Täglichlaufkapitel vom sagenumwobenen Reich der verblaßten Erinnerungen aus der Zukunft angezogen, um dort für alle Zeiten absorbiert zu werden.“
    Du hast echt ein Talent für realistische und gleichzeitig poetische Formulierungen – Kompliment! 🙂 (Natürlich auch für die Doppel-Acht 😉

    Liebe Grüße!

  9. Besten Dank, Gabriela! Die Realität poetisch einzukleiden, ermöglicht wenn schon nicht interessante Sichtweisen, doch auf jeden Fall eine sanfte Betrachtung! 🙂

  10. Hallo lieber Marcus,

    die Zeit anhalten, ja, manchmal wäre das zu schön. Allerdings denke ich ist es gut das wir dazu nicht in der Lage sind. Überhaupt bin ich der Meinung ist es gut, dass der Mensch so zu Einigem nicht in der Lage ist. Den Jungbrunnen zu finden, die Zeit anzuhalten, Gedanken zu lesen, in die Zukunft zu sehen usw.! Er beeinflusst diese Welt so oder so schon viel zu stark und sein Wissen war auch nicht immer ein Segen für unseren Planeten.

    Die Zeit anhalten, ja, aber mit dem Einfrieren hast Du wie immer Recht, es gibt Momente, in denen uns das auf verschiedenste Weise gelingt. Und diese Augenblicke bleiben dann unvergessen.

    Das Leben ist schön!

    Ich wünsche Dir eine wunderbare Woche,
    Steffen

  11. Korrekt, die Welt ist allezeit schön! 🙂

    Bei den unzähligen Schäden, die wir tagtäglich dieser Erde antun, käme es darauf wohl auch nicht mehr an. Das durch uns ausgelöste globale Leiden ist fast schon absolut. Jedoch, ich bin davon überzeugt, daß das Endspiel längst begonnen hat.

    Viele Erlebnisse werden zur Erinnerungen, die wir irgendwann komplett vergessen, doch wenige Momente bleiben unvergessen. Jene sind besonders wertvoll.

    Ich wünsche Euch viele solche Augenblicke! Genießt das Leben!

  12. 8 Jahre und 8 Monate: meinen Respekt und meine Hoch8ung! Wer hätte ged8, dass mal so eine lange Phase zusammenkommt. Alle 8ung!

    Ich wünsche dir weiterhin dass die Kälte dir nichts ausm8 und die Sonne gütig auf dich herabl8, wenn der Regen Pause m8.

    Gib gut auf dich 8!

    Stefan

  13. Besten Dank, Stefan! Ich habe gel8! 😀

    Eine schöne Antwort von Dir, die ich glatt irgendwie „einrahmen“ müßte. 😉

  14. Hallo Marcus,

    hier ist der ehrfürchtige Glückwunsch zu dieser Leistung von einem, der es jetzt immerhin schon 50 Tage geschafft hat! Ich gebe zu, die erste Inspiration kam von Petra, aber deine Seite und deine Berichte sind unheimlich motivierend! Auch deine täglichen Strecken sind beeindruckend. Dazu würde ich echt gern wissen, wie du das in deine tägliches Abläufe integrieren kannst, denn das sind ja sicher um die zwei Stunden jeden Tag? Außerdem würde ich mich über eine Motivationshilfe für die Lauferei im Dunkeln freuen, bist du da auch unterwegs? Ich werde auf jeden Fall ab jetzt öfter deine Seite besuchen! Darf ich sie bei mir verlinken?

    Bleib gesund und keep on running 😉

    Grüße vom Holger

  15. Hallo Holger,

    vielen Dank! Auch für das Verlinken – gerne doch. Ich handhabe das ebenso, sofern Du einverstanden bist!

    Die täglichen Einheiten in den Tagesablauf einzubauen, gestaltet sich manchmal durchaus recht schwierig. Sofern das heikel wird, reduziert sich meistens die Distanz, was auch nahe liegt. In Kombination mit meinem restlichen Programm kommen zwei Stunden und mehr zusammen, ja. Aber wie gesagt, das variiert ständig. Allein, der Wille ist obligat. Bei Gelegenheit schreibe ich dazu einen Beitrag – das wollte ich schon längst; ist es doch das letzte „große“ Thema, was noch offen ist.

    Läufe in der Dunkelheit kommen zwangsläufig auch vor. Ich muß mich generell nicht mehr motivieren, nach der langen Zeit habe ich eine spezielle Sichtweise entwickelt. Die Dunkelheit hat ihre besonderen Reize, ich liebe das. Lies mal hier:

    https://blacksensei.wordpress.com/2008/10/29/dunkle-hingabe/

    Wenn es Dir schwer fällt und Du sagst, „Dieses unschöne, kalte Wetter in der Dunkelheit“ etc. – ändere einfach Deine Einstellung. Nicht großartig darüber nachdenken, einfach raus und laufen.

    Ich wünsche Dir viel Freude beim Täglichlaufen, genieße diesen besonderen, natürlichen Stil!

  16. Hallo Marcus,
    ja die Zeit rast nur so dahin. In der dunklen Jahreszeit irgendwie noch mehr als in der helleren, oder? Ich glaube Dir gerne, dass dies Deine Jahreszeit zum Laufen ist. Viele Regenläufe hatte ich bisher auch nicht. In dieser Jahreszeit vermisse ich sie aber auch nicht.
    Mir gefällt, wie Du Deine Naturerlebnisse, auch die tagtäglichen beschreibst.
    Wünsche Dir weiterhin tagtägliches gutes Naturlaufen!

    Liebe Grüße
    Kornelia

  17. Besten Dank, Kornelia!

    Für mich rast die Zeit meistens gleich schnell (nicht immer) – das Tempo ist atemberaubend. Es mangelt nicht am Regen, sondern der Zeitpunkt ist oft ungünstig. Eben nieselt es wieder – aber für einen zweiten Lauf habe ich jetzt auch keine Lust mehr. Wahrscheinlich bin ich zu faul. 😉

  18. Lieber Marcus,

    Deine Konstanz und die Selbstverständlichkeit mit der Du den Wechsel der Jahreszeiten annimmst und für Dich vollziehst sind mir ein Vorbild. Jammern oder auch Trübsal lese ich in deinen Rückblicken meist nicht heraus, nein, immer die Akzeptanz der Umstände. Es freut mich und ist umso mehr Motivation für mich und wahrscheinlich auch für andere Leser. Ich hoffe diese Rückblicke noch lange hier lesen zu können.

    Obwohl die „Störung“ durch unbekümmerte Waldbewohner schon unerhört ist 😉

    Salut

  19. Lieber Christian,

    die Hoffnung, weitere Rückblicke verfassen zu dürfen, ist bei mir noch viel stärker ausgeprägt. 😉 Ich bin mir der Fragilität der Konzeption nur allzu bewußt.

    Jammern ist generell nicht mein Stil, es würde auch nichts ändern. Und meistens verbirgt sich in den vermeintlich unschönen Dingen doch etwas Gutes. Man muß es nur finden.

    Allenfalls bezüglich neuer Laufschuhe könnte ich aktuell jammern. Es ist deprimierend, daß man sein favorisiertes Exemplar einfach nicht in der adäquaten Größe bekommt. Nun ja.

    Wie wahr, UNERHÖRT! 😀 😉 Oft bleiben die Fischreiher ja stehen und gucken nur, aber nicht immer. Dieses Gemeckere von denen, so laut – das ist herzig.

  20. Lieber Marcus,

    dankeschön für diese wieder sehr schönen, poetischen Artikel!
    Schade, daß ich nicht solch eine schöne Statistik wie du erstelle. Denn darin würden in diesem Monat mindestens 7 oder 8 Regenläufe stehen… Bei und hat es in den letzten Tagen nur einmal geregnet – und das war (fast) immer! 😀
    Vielleicht mußt du mal über die Wahl deines Wohnortes nachdenken?? 😀

    Ich drücke dir die Daumen, daß der November auch bei euch noch ein paar schöne Regentage bereithält!

    regennasse Grüße
    Petra

  21. Danke, liebe Petra! Mögen Deine Wünsche in den Ohren der nassen Wettermächte auf fruchtbaren Boden fallen! 😉

    So eine Statistik kannst Du doch immer noch erstellen, oder? Bis 2004 war meine auch nicht sonderlich ausführlich.

    Um die Regenläufe beneide ich Dich. Offensichtlich mögen mich die Regenfronten nicht mehr. 😦 Aber den Wohnort anpassen und dem Regen hinterher ziehen ist gleichsam weise wie übertrieben. 😀

    Bitte weiter fest drücken! Hier scheint erneut die Sonne…

    Strahlende Grüße

  22. Es ist mir, wie immer, eine Freude deine Gedanken zu lesen. Du verbindest mit dem Laufen wesentlich mehr als Sport. Es ist „d“eine Philisophie!
    Weiterhin solch lesenswerte Berichte!

  23. Gerd, man muß eine persönliche Philosophie entwickeln, um diese Konzeption über Jahre zu tragen. Das einfach nur als Sport betrachten, hätte längst zum Ende geführt.

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