Begegnungen. Akt I bis III.
Akt I – Jagd. Dienstag. Ich befand mich mitten im gediegenen Forst auf dem Rückweg. Der Pfad führt gerade aus, flankiert von grünen Bäumen und Büschen mit einem vollkommenen Blätterdach, welches die Sicht in den unendlich weiten Himmel lückenlos verdeckt. In der Ferne leuchtete ein weißes Auto. Als ich mich dem Objekt näherte, verschwand die Illusion des Fahrzeuges und stattdessen materialisierten sich fünf Schafe, die gemächlich in den Wald eintraten. Flüchtlinge! In einer Distanz von zehn Metern redete ich sie leise an. Für einen Moment sahen sie mich groß an, dann drehten sie sich gemeinsam um und sprangen davon. Sie rannten mit relativ hoher Geschwindigkeit los, verfolgt von einem schwarzen Läufer. Ein köstlicher Anblick, diese fünf lustigen Putzels mit ihren wackelnden Hinterteilen. Sie verschwanden im hohen Gras und tauchten später auf ihrer Weide auf. Ich trat laut lachend den Rückzug an.
Akt II – Späße. Mittwoch. Mutter Sol engagiert sich vorbildlich und schickt ihre strahlenden Kinder zur Erde. Während meines Laufes betrug die Temperatur 27 C° im Schatten. Auf den letzten Metern der Brücke spazierte mir ein langjähriger Freund entgegen, der sich sein Grinsen nur schwer verkneifen konnte. Nach der Begrüßung musterte er meinen naß geschwitzten Körper mit abschätzenden Blick und sagte mit einem süffisanten Grinsen: „Sag mal Marcus, ist das gesund, was Du hier machst?“. – Ebenso grinsend antwortete ich: „Nein, natürlich nicht. Wie kommst Du denn auf die Idee?“. Wir setzten die heitere Unterhaltung fort, bis er sich zu seinem Boot aufmachte, um dort die Sonne in entspannter Atmosphäre zu genießen – wie ich bereits 13 Kilometer vor ihm.
Akt III – Flucht. Donnerstag. Ich lief in dem Areal, welches zwischen zwei Wäldern liegt, nebenan ruht die liebevolle Heimat der Schafe. Der Weg neigte sich dem Ende zu, plötzlich hörte ich von rechts ein lautes Geräusch – ich konnte es nicht explizit einordnen. Ich bog links ab und während ich diesen Prozeß vollzog, blickte ich automatisch in die andere Richtung, um vielleicht die Quelle der Laute zu erspähen. Dort sah ich sie. Sie kamen auf mich zu. Die komplette Schafherde galoppierte auf mich zu, begleitet von einer Staubwolke, die nicht zu übersehen war. Sie rächten sich. Am Dienstag jagte ich sie und heute war ich der Gejagte. Fluchtartig sprintete nun ich davon, ich rannte um mein Leben. Halt! Stop! Vorhang! Das eben beschriebene Bild wäre übertrieben. Nichtsdestotrotz kam die gesamte Schaffamilie von rechts auf mich zu gestürmt. Offensichtlich sind sie ihrer Leidenschaft nachgegangen – der Flucht – und wurden wieder einmal gestellt und heute von zwei Kindern nach Hause zurückgetrieben. Der Zufall richtete es so ein, daß ich wieder einmal als Zuschauer dabei war. Erneut eine vergnügliche Begegnung, über die ich nur lachen konnte.
Das sind die besonderen Augenblicke und Erlebnisse, die für mich mein Täglichlaufen ausmachen. Jeden Tag offenbaren sich neue Ereignisse, die einfach nur Freude auslösen. Die Strecke mag zwar oft die gleiche sein und doch ist die Welt jeden Tag eine andere. Aber nicht nur Freude, auch andere Gefühle haben stets ihre Berechtigung. Beispielsweise spektakuläre Himmelsbeobachtungen, die divergierende Gefühle auslösen – wie man auf diesem Photo sehen kann. Jenen Anblick hinterher laufen und latente Veränderungen im Sturm beobachten. So wandelt sich das Laufen zu einer knisternden Spannung. Das ist Täglichlaufen. Nicht zu beschreiben, nicht abzubilden, nicht nachzulesen – es gibt nur einen Weg – zu fühlen. Täglichlaufen ist ein Gefühl.
30. Juli 2009 um 12:48
Herrlich Spotzl! Die Jagd kenn ich ja schon vom Erzählen am Tele, was haben wir gelacht! Aber die Flucht ist mir neu – ich lach mich kaputt, das ist echt lustig. Wenn ich mir das so vorstelle, wie du davonwetzt *gg*.
Das sind die schönen Erlebnisse, die ich so gerne höre, wenn du sie erzählst. Würde nie der Fall sein, wenn du Zeiten nach jagst. Das würde ich total langweilig finden *gähn*
Danke für diesen ausserordentlich gelungenen Beitrag.
30. Juli 2009 um 12:50
Letztlich schreibt das Leben die Geschichten, ich bin nur der Spieler. 😉 Die Flucht ist ja heute früh erst passiert. Das war einfach köstlich! 😀 Die hätten mir eh nichts getan, schließlich hatte ich einen der Putzels schon als Baby auf dem Arm. Die sind einfach nur herzig.
Du weißt ja, Zeiten und Täglichlaufen passen nicht zusammen. Für mich jedenfalls nicht.
30. Juli 2009 um 12:52
Du bist nicht nur der Spieler, auch der Geschichtenerzähler!
Die Putzels kennen dich eben schon und spielen mit dir. Aber nicht, dass denen was passiert, wenn sie ständig ausbüxen!
Nö, das passt nicht zu dir. 🙂
30. Juli 2009 um 13:00
Ich gebe nur wieder, was ich erlebe. 🙂
Wenn ich den Herrn der Schafe wieder einmal sehe, werde ich ihn daraufhin weisen. Vielleicht weiß er das gar nicht. Die sind eben clever die Racker. 😉 Aber ich mag sie sehr!
30. Juli 2009 um 13:02
Und jedes mal gefällt es mir!
Ich erinnere mich an Dienstag – määäääääääääääääääääääh!
30. Juli 2009 um 13:08
Es wollte Dich begrüßen! 😉 Die Kleinen sind immer noch am herzigsten – so unbeholfen, wie alle Babys eben. 🙂
30. Juli 2009 um 13:12
Nachtrag zur Erinnerung: https://blacksensei.wordpress.com/2009/03/30/verliebt-in-schafbabys/
30. Juli 2009 um 13:21
Das hat gefressen, mich angesehen und mich dann gelangweilt angemäääääääääääääht!
Diese Schafis sind aber schon ausgewachsen. Lustig ist die kleine schwarze Ziege, die wird oft gejagt von den Schafen *tzt*.
Hach wie bist du süss mit den Schafis 🙂
30. Juli 2009 um 13:25
Ziegen sind auch sehr süß. Aber Du weißt ja, ich mag so ziemlich alle Tiere – von Mücken abgesehen.
Der große Schafbock hier – ist am ängstlichsten. Das ist wieder mal typisch. 😉
30. Juli 2009 um 14:41
Lieber Marcus,
das sind die ausschliesslich heiteren Momente, die Du erlebst und hoffentlich auch geniessen kannst. Schön, aber auch als Täglichläufer ist eine Portion Glück dabei in solche Situationen zu geraten 😉
Natur pur, ich bin froh, dass Schafe, Rinder und Pferde auf meinen Läufen zwar präsent sind aber immer hinter Zaun und Gatter zurückgehalten werden, denn auch mit diesen Tieren bin ich nicht der Mutigste im Umgang 😎
Salut und noch einen schönen Tag
30. Juli 2009 um 14:45
Genießen trifft es ziemlich gut, ja! Vor allem die erste Begegnung war einfach nur lustig. Glück gehört immer dazu, doch die Chance steigt, sobald man etwas viel regelmäßiger betreibt als andere Menschen.
Der Kontakt mit Rindern kommt immer wieder mal vor, selbst auf dem Damm. Bisher konnte ich keine negativen Erfahrungen machen. Obwohl so ein dicker Bulle schon Respekt einflößt – so daß ich sehr langsam an ihm vorbei lief. Er guckte nur neugierig. In der Regel merken die Tiere sehr genau, wer eine Gefahr darstellt und wenn man sie in Ruhe läßt, sind sie harmlos. Wie wir Menschen. 😉
Ich hoffe, Du hattest mit solchen Tieren noch keine schlechten Erfahrungen. Wenn ich an Deine Greifvögel denke…
30. Juli 2009 um 14:54
Marcus, zuerst dachte ich ja fast, die Schäfchen wären Sommelwolken (eben Schäfchenwolken) gewesen, die den Weg zum Firmament durch das dichte Blätterdach nicht mehr gefunden hätten, aber anscheinend waren sie ja doch sehr real… 😉
Das Bild ist übrigens sehr ausdrucksstark. Irgendwie beängstigend und faszinierend zugleich.
Bin ja jetzt mal gepannt auf Akt. IV ff.
30. Juli 2009 um 15:33
Sehr real! 😀 Ein wenig sah das aus wie weiße Berggipfel – so zwei Rundungen, die sich dann plötzlich bewegten.
Ich habe gehofft, daß sich daraus nicht eine Art Tornado entwickelt. Diese Gefahr ist durchaus gegeben. So schön der Anblick auch ist, manchmal schwingt etwas Angst vor Schäden mit.
Eine Fortsetzung folgt sicher irgendwann. Wer weiß, woran die Fluchtmeister eben basteln… 😉
30. Juli 2009 um 15:36
Christian, von denen traf ich mal einen ausgewachsenen Bullen – direkt auf dem Weg. Derlei ist schon sehr beeindruckend. 😉
30. Juli 2009 um 15:49
Ich denke gerade das „tägliche Laufen“ macht dich für solche Ereignisse empfänglicher. Ein Lauf wird nie eintönig sein wenn man aufmerksam ist.
Ich entdecke meine Stammstrecken auch immer wieder neu. Alleine durch unterschiedliche Tag- und Jahreszeiten!
LG Gerd
30. Juli 2009 um 15:54
Das kommt noch dazu, Gerd! Die Zeiten, die sich ständig ändern. Ich laufe fast immer die gleichen Strecken, aber sie sind jedes Mal gänzlich anders. Besonders auffallend sind derzeit die Farben – und die Begegnungen mit den Tieren bewirken das ihrige.
30. Juli 2009 um 17:53
Hallo Marcus,
mal wieder was zu schmunzeln hier. Freut mich, dass Du so schöne Erlebnisse hast, wenn Du läufst. Auf Schafherden würde ich wohl auch treffen, wenn ich durch die Rheinwiesen laufen würde. Am See habe ich lediglich Herden von Enten und Gänsen, die allerdings auch weglaufen, wenn man ihnen zu nahe kommt. Von ihnen wurde ich jedoch noch nie verfolgt.
Wünsche Dir noch viele solche angenehmen Läufe.
Liebe Grüße
Kornelia
30. Juli 2009 um 18:34
Danke Kornelia! 🙂 Gänse sind aktuell eher selten geworden. Die dominieren im Frühjahr, jetzt ist es ruhiger. Durch die Rheinwiesen zu laufen, muß schön sein!
Heute war mein Thema wohl ZU lustig – darum folgt morgen ein trauriges! 😦
7. Oktober 2009 um 09:09
[…] verlassen. Niemand mehr da, der neugierig guckt. Niemand, der flüchtet. Geschichte. Oder mich „jagt“. Keine lustigen Erlebnisse in der Zukunft. In meinen Laufberichten werde ich sie nicht mehr […]