Dunkle Hingabe
Zugegeben, wirkliche Nachtläufe finden bei mir eher selten statt. Wahrscheinlich macht sie genau das zu einer von mir intensiv geschätzten Besonderheit. Tiefschwarze Dunkelheit im Forst. Leichter Wind. Menschliche Einsamkeit. Stille? Ja. Und nein. Die gehaltvolle Ruhe mit ihrer theatralischen Stimmung in der Nacht ist einzigartig, nicht zu vergleichen wenn der Wald am Tage verlassen erscheint. Geraschel. Überall. Hier ein Knacken, dort ein Knistern. Tierlaute. Von vorn. Von hinten. Bäume, die sich im Wind biegen und eine Geräuschkulisse wie in einem alten Gemäuer erzeugen. Durch abgefallenes Laub gedämpfte Laufschritte, die im unbehaglichen Nichts verhallen. Man kann sich ängstigen. Doch ich liebe es. Denn was kann die Dunkelheit dafür, daß sich die meisten Menschen vor ihr fürchten? Nur beim Verlassen des Waldes wird es temporär unangenehm, da bereits Straßenlaternen blenden.
Mit schwarzer Bekleidung ohne Beleuchtung perfekt an die Finsternis angepaßt. Schritt für Schritt tiefer in den Wald. Die Wege stechen ein wenig heraus, differenzieren im Schatten. Ein beruhigendes und sicheres Gefühl den Wald nachts vorsichtig zu durchqueren. Jede Innenstadt ist unsicherer. In einiger Entfernung taucht der Damm auf, ebenfalls scheinbar verlassen von Leben. Eine Illusion. Die Nacht wimmelt vor mannigfaltigen Leben, nur sieht man es nicht immer. Der Himmel mit Wolken verhangen, gibt ein Fenster zum Mond preis. Das aufmunternde Licht spiegelt sich im aufgewühlten See wider und erhellt doch kaum die ummittelbare Umgebung. Die Wolken ziehen dahin, die Zeit und das Leben wandern weiter, dennoch, in diesem Moment kommt es mir vor, als ob die Zeit stillsteht. Das Leben hält inne, atmet tief durch, um mir diesen Augenblick der gefühlsbetonten Romantik zu schenken, welchen ich nur zu gern ergreife.
Keine störenden Gedanken, nur die Konzentration auf das Jetzt in einer menschenleere Weite und Einsamkeit – umhüllt von der ruhigen Finsternis, mit ihrer lauten Stille. Diese Welt mit ihrer besonderen Atmosphäre als Läufer zu später Stunde bereisen zu dürfen, erzeugt ein Gefühl von Glück. Den absoluten Höhepunkt darf man im Winter erleben. Weiß gekleidete Wege, die jeden Schritt mit dem eigentümlichen Knirschen des Schnees quittieren. Leuchtend zarte Helligkeit, die einem aufopfernd den Weg in die Nacht weist. Atemberaubender Schneefall in der Dunkelheit. Große Flocken, die leise zu Boden rieseln und mich leicht berühren. Ich kann es nicht näher beschreiben, man muß es fühlen. Begreifen, nicht nur mit den Augen, mit den Sinnen. Empfinden mit allen Sinnen.
Die wahren, geheimnisvollen Momente des Glücks offenbaren sich für mich bei besonderen Verhältnissen. Im Regen. Im Sturm. Im Schnee. Im Nebel. In der Nacht. Sich den Elementen hingeben, mit ihnen zu verschmelzen, ein harmonischer Teil von ihnen – der Natur werden. Eine Erkenntnis, die für mich Leben bedeutet. Natürlich, oder?
Nico, Zeit und Lust für einen gemeinsamen Nachtlauf?
29. Oktober 2008 um 09:21
Also so wie du das beschreibst, ist es herrlich – für dich. Wie du ja weisst, bin ich in einem Wald *gg* aufgewachsen. Ganz einsam und verlassen. Und …. ich hatte Schiss Nachts im Wald, ich hatte richtige Angst. Begründen kann ich sie nicht, aber sie war da. Der nächtliche Wald hat für mich etwas bedrohliches, obwohl das nicht sein muss. Darum werde ich Nachts niemals hier im Wald laufen. Ich muss manchmal schon tagsüber an diverse Horrorfilme denken *g* und bin dann um einiges schneller.
Ein richtig schöner Beitrag.
29. Oktober 2008 um 09:23
Freut mich, wenn es Dir gefällt! 🙂 So können Horrorfilme doch motivieren. 😀 Kleiner Scherz.
Im Ernst: Ich verstehe nicht, daß Du Angst im Wald hast. Gerade weil Du dort aufgewachsen bist, müßte es doch der natürlichste Ort der Welt für Dich sein. Ob am Tage oder im Dunkeln. Verstehe ich nicht wirklich!
29. Oktober 2008 um 09:25
Ich verstehe es selbst nicht. Aber nachts bin ich immer ganz flott zu hause gewesen. Die Jungs haben einem natürlich nicht bis vor die Haustür begleitet, die hatten wohl selber Schiss*gg*
Die Angst hält sich halt bis heute… Grund gibts aber keinen.
29. Oktober 2008 um 09:28
Die Jungs waren wohl Angsthasen. 😉
Es gibt aber auch keinen Grund für Dich nachts in den Wald zu gehen. Von daher brauchst Du Dir auch keine Gedanken machen.
29. Oktober 2008 um 09:29
Genau, jetzt wohn ich ja in der Stadt und nachts muss ich nicht unbedingt in den Wald laufen. Strecken gibts hier auch genug.
29. Oktober 2008 um 09:30
Ich weiß. Genieße Deine Läufe am Tag – ist doch auch fein! 🙂
29. Oktober 2008 um 11:05
Ich bewundere dich – nein, beneide dich sogar: um diese Erlebnisse, um diesen Mut, denn mir geht es wie Brigitte: ich habe Angst! Angst vor Dunkelheit, Angst vor dunklen, einsamen Wäldern, aber auch Angst in der Dunkelheit in einer großen Stadt (aber nur, wenn ich alleine bin); gegen diese Ängste komme ich nicht an, bin ich noch nie angekommen und sie nehmen mir viel Lebensqualität – ebenso wie meine panische Angst vor Hunden, die mich viele Wege meiden lässt – schade! Um wie viel einfacher, um wie viel reicher wäre das Leben ohne solche Ängste?! – Na, immerhin hab ich jetzt – da mein Mitläufer nicht mehr arbeitet – die Möglichkeit bei Tageslicht zu laufen 🙂
29. Oktober 2008 um 12:14
Eva, Ängste an sich sind ja nicht schlecht. Sie lehren uns vorsichtig zu sein, was sehr gut ist. Wenn sie Dir aber Lebensqualität nehmen, ist das mehr als unschön. Woher kommt sie? Negative Erfahrungen? Vielleicht könntest Du mit kleinen Schritten Deiner Angst entgegen gehen?
Daß Du einen Laufpartner hast, ist doch wunderbar. Ein Anfang. Mit ihm ein Lauf im Dunkeln wagen? Nicht gleich komplett durch den Wald, nur kurz rein, nicht weit und wieder zurück. Vielleicht in der Dämmerung? Es gibt viele Möglichkeiten sich seinen Ängsten zu stellen. Ein Versuch ist auf jeden Fall besser, als Lebensqualität einbüßen. Findest Du nicht auch?
Hundeangst ist schlimm. Ich habe zwar keine Angst, kann es aber durchaus nachvollziehen, da ich schon einiges erlebt habe. Da kann ich Dir leider nichts empfehlen, meine Wahl der Mittel wäre nicht die Deine.
Ich wünsche Dir viel Erfolg, vielleicht unternimmst Du einen Versuch.
29. Oktober 2008 um 13:37
Toll geschrieben Marcus. Mehr muß ich nicht sagen oder?
Die Angt im dunkelen wird uns anerzogen mit GRuselgeschichten vom schwarzen Mann usw.
Was soll sowas?
Ich sage Luke immer „du mußt keine Angst im Dunkelen haben, das ist wie am Tag nur ohne Farbe“
ER hat auch keine Angst im dunkelen. ER geht mit mir Abends immer noch mit Malcolm in den Wald zu unserem Bach und spielen dort an unserem selbstgebauten Damm oder beobachten in den Nischen die Fledermäuse wie sie langsam erwachen und nach Mücken usw. haschen.
In der Natur fühle ich mich Abends wohl , zwar nicht immer weil auch mir ab und an die Horrorfilme in den Sinn kommen, aber die Gedanken kann man wenn man sich der Schönheit der Natur im dunkelen Bewußt wird abschalten. Ich habe mehr Respekt Abends durch die Großstadt zu gehen.
In dem Sinne
LG
Marco
29. Oktober 2008 um 13:45
Merci, Marco! Ich dachte mir, daß Du das ähnlich siehst. Ja, Angst vor der Dunkelheit wird in der Regel anerzogen, genau wie die Angst vor Spinnen. Kleinkinder nehmen Spinnen noch in die Hand, bis die Eltern kreischend dazu kommen.
Deine Horrorfilmgeschichte im Wald hast Du vor kurzem geblogt. Sehr interessant! Die Macht der Gedanken, gell?
In der Natur muß man sich einfach wohlfühlen, finde ich zumindest. Schön, daß Du Dein Sohn dahingehend erziehst, in der heutigen Zeit ist das nicht mehr normal. Leider.
29. Oktober 2008 um 13:56
Da ist er wieder Marcus in seiner Eigenart zu laufen, Nicht-Alltägliches zu lie ben, und dazu kommt jetzt auch noch das Laufen durch die Nacht.
Auch ich finde es toll, nachts zu laufen, allerdings mit einer Einschränkung – nicht alleine – . Schon tagsüber ist es mir ab und an unheimlich alleine im Wald – und dann noch nachts ? Nee. Aber du bist ein Mann, und ich habe noch nie davon gehört, das Männer nachts im Wald von Frauen sexuell missbraucht worden sind, von daher…………………
Aber ich erlebe es immer wieder bei den langen Läufen, wenn wir tagsüber und nachts unterwegs sind – wunderschön, wenn alles schläft, Mensch und (fast ) alle Tiere, unglaublich diese Ruhe. Noch schöner allerdings, wenn der Tag erwacht, man sehen kann, wie langsam die Sonne aufgeht und ein neuer unschuldiger Tag beginnt.
Genießen und bewusst leben heißt die Devise, und das – so denke ich – tun wir, gell 😕
29. Oktober 2008 um 15:31
Du weißt ja, Margitta, alle Tiere wissen, was der Sinn des Lebens ist: Genießen. Nur wir Menschen nicht. 😉
Den Aufgang der Sonne im Laufschritt zu erleben? Da habe ich ein wenig Defizite. Zu dieser Zeit bin ich nicht wirklich einsatzbereit.
Dein Einwand ist natürlich richtig. Obwohl Mißbrauch eher nicht wahrscheinlich ist. Da traut sich kaum eine Frau in den Wald und bei männlichen Wesen sieht es auch nicht viel anders aus. Einmal kam ich gegen 18:40 Uhr aus dem Wald, es war schon ziemlich dunkel, da kam mir eine Läuferin entgegen und verschwand munter im Wald. Ich habe gestaunt. Als ich sie später darauf ansprach, sagte sie, daß sie das gar nicht so sieht.
29. Oktober 2008 um 15:43
Da hilft nur eins:
Laufen bis die Sonne aufgeht, wäre doch mal was Neues für dich, und ich sage dir, es ist faszinierend, du wirst es immer wieder wollen, da bin ich sicher.
Und was die Dame im Wald angeht, die du angesprochen hast
( tz, tz, tz !)
ein bisschen sehr kess und angstfrei, findest du nicht ❓
29. Oktober 2008 um 15:48
Ich setze das mal auf meine Liste. Zeit für Veränderung wäre eh.
Tja, dazu kommt, daß sie noch mit MP3 Player läuft. Sie hatte noch nicht einmal Ärger mit Hunden, obwohl sie im gleichen Areal wie ich läuft. Angstfrei? Wohl ja. Ich hoffe, sie muß nie negative Erfahrungen machen.
29. Oktober 2008 um 16:03
„Diese Welt mit ihrer besonderen Atmosphäre als Läufer zu später Stunde bereisen zu dürfen, erzeugt ein Gefühl von Glück.“
Kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Ich laufe auch gern zu ungewöhnlichen Zeiten: bevor der Tag erwacht oder auch mal nachts. Besonders, wenn frischer Schnee gefallen ist, mache ich ich manchmal extra nochmal auf; egal, wieviele Kilometer ich an dem Tag schon hinter mir habe.
Und natürlich: WUNDERBAR geschrieben!!!
29. Oktober 2008 um 16:09
Merci Erleberin! Frischer Schnee ist wunderschön, ein Traum!
Daß Du das ähnlich siehst, habe ich bereits vermutet. Aber vermutlich ist der Kreis sehr klein, die das praktizieren.
29. Oktober 2008 um 18:03
Ich erstaune, daß du im ‚absolut‘ Dunkeln durch den Wald läufst.
Ich liebe meine Nachtläufe .. ähh Morgenläufe im Dunkeln (da ich extrem früh aufstehe), aber ohne Stirnlampe laufe ich nicht. Das ist keine Angst vor Fremden oder Tieren, so eine Angst ist mir fremd. Aber Angst hab ich schon: Vor Unebenheiten, die ich nicht sehe; daß ich hinfalle und mich verletze. Ich finde, das muß nicht sein und so laufe ich lieber mitten in der Nacht im ‚hellen‘. Es ist ja nur ein kleiner Lichtkreis und außerhalb desselben ist die normale Nacht, daß muß reichen.
29. Oktober 2008 um 18:41
Ja, Skeeve, wie Du das praktizierst, ist absolut richtig. Ich jedoch benutze keine Lampe, das wurde mir einst bei der Bundeswehr ausgetrieben. Ich mag es nicht, wenn man mich sofort erspähen könnte und ich selber durch das Licht nichts sehe. Davon mal abgesehen, daß eh niemand dort ist. Aber das wurde mir so eingetrichtert, was ich bis heute beibehalte. Die Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit. Natürlich muß man jeden Stein kennen.
Um mich auf die Nase zu packen, brauche ich keine Nacht. 😉 Vor einiger Zeit bin ich im schönsten Sonnenschein gefallen…
29. Oktober 2008 um 19:46
*lach laut* ja da kann ich zustimmen. Gerade als Scharfschütze mußten wir in der nacht jegliches Licht vermeiden (wäre auch für die nachtsichtgeräte nicht gut gewesen). Selbst die Zigarette war für die Raucher verboten. Bringt auch nicht viel wenn sie an den Stängel ziehen und eine Sekunde später die Kugel etwas oberhalb des Klimstängels einschlägt. Da würde dann der Spruch passen „Rauchen kann tödlich sein“ !!! Wie wahr.
Aber Skeeve du wirst erstaund sein wie schnell sich das menschliche auge an die dunkelheit gewöhnt, marcus läuft demnach nicht im völlig finsteren wald. er sieht nach ein paar minuten klar die umgebung um sich herrum. gerade das ist das wundervolle an absoluten dunkelen nachtläufen. die total verschmelzung mit den natürlichen begebenheiten der natur. versuch es mal auf dunklen wegen die keine schlaglöcher etc. haben. du wirst dich wundern.
gruss
marco
29. Oktober 2008 um 21:34
Da wären wir wieder beim Thema Angst, egal welche Ängste wir haben, wir müssen sie uns bewusst machen und bearbeiten. Ich hab das schon oft mit der Angst erlebt, man muss sich ihr annähern und sich mit der Angst bekannt machen. Was wir kennen vor dem fürchten wir uns selten. Das gilt auch für Eva, wenn sie sich bewusst wird woher dass die Angst kommt, und sich wiederum bewusst wird das Angst nur im eigen Kopf existiert, könnte sie dies alte Angst vielleicht überwinden.
Lebe Grüsse zentao
30. Oktober 2008 um 09:05
Marco, das kommt mir sehr bekannt vor. 😀 Du bist also auch ein „Fan“ von Hfw Schläppi? Bloß kein Ziel bilden. 😉 Aber schon kurios, wie sich das so eingeprägt hat, gell?
Zentao, sehr anschaulich beschrieben. Und so wahr. Das Problem liegt wahrscheinlich in der Umsetzung. Die Theorie ist vielen sicher bekannt, allein den ersten Schritt zu wagen und aktiv werden, dürfte ein großes Problem sein.
30. Oktober 2008 um 18:01
Ich streune Nachts oft ohne Licht durch die Wälder. Kann so problemlos wandern; mein Zelt aufbauen stellt auch keine Probleme dar: ABER laufen? Finde, dazu reicht das Licht dann doch nicht. Viel zu schnell übersieht man einen Ast, einen Stein oder ein Loch im Boden. Ne, wandern ist ok, doch laufen will ich lieber im Lichtkreis meiner Stirnlampe.
30. Oktober 2008 um 18:22
Wie gesagt, den Weg sollte man wirklich gut kennen. Langsames Laufen ist natürlich auch Pflicht, obwohl ich schon mal versucht habe, meine Zeit zu verbessern. Na ja, lange her.
Die Alternative wäre hier auf beleuchteten Wegen entlang einer Straße bzw. Industriegebiet – und das mag ich nicht. Ich bin kein Asphaltläufer.
1. November 2008 um 13:31
Also im ganz Dunkeln laufen ist nichts für mich. Das kriegen meine Augen nicht mehr hin.
Ich schaffe es im Dunkeln nur vom Bett auf`s Klo ohne mir die Knochen zu brechen. 😉
Ausserdem ist es im Wald schon mit Licht gruselig genug.
1. November 2008 um 14:51
Hehe, noch jemand, der den Wald gruselig findet.
Aber im Dunkeln vom Bett aufs Klo ist auch ned so tolle. Mach ich nicht mehr, seit mich mein eigener Schatten vor kurzem so dermassen erscheckt hat, dass ich fast geschrien hätte. *lacht*
1. November 2008 um 15:08
Da sieht man wieder, wie unterschiedlich die Menschen sind. Ich finde es im Wald nicht gruselig. Paß auf Dich auf Gerd, wenn Du nachts mal auf mußt! 😉
Brigitte, sehr schreckhaft! 😉 Aber besser Schatten als etwas unangenehmeres…