Die Natur stirbt

Regulär schreibe ich meine Artikel in einem zufriedenen und ruhigen Gemütszustand. Dieser Beitrag entsteht in einem Zustand voller Wut. Ich könnte im Kreis springen.

Grundgesetz, Artikel 5, Absatz 1: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“.

Märchen liebte ich als Kind; ich bin Realist genug, um diesen Artikel für eine Illusion zu halten. Daher verzichte ich in diesem Beitrag auf erklärende Hintergründe, Details, eigene Erfahrungen, Namen, Adressen und tiefer gehendes Wissen. Schließlich bin ich kein Krösus, der es sich leisten kann, gegen Anwälte zu prozessieren. Es folgt ein kleiner Laufbericht der anderen Art.

Direkt neben einem Naturschutzgebiet wurde hier eine Riesenindustrieanlage hochgezogen. Heute früh gegen 08:30 Uhr nahmen die Sirenen der Feuerwehr kein Ende. Am Himmel dutzende Meter hoher Rauchwolken, dazu Explosionen. Der Grund war für mich nicht sonderlich überraschend. Soeben führte ich meinen täglichen Lauf durch, natürlich in das Hochwasserschutzgebiet, mit perfektem Blick auf die Industrieanlage, selbst jetzt steigen noch riesige Rauchwolken in den Himmel. Zuerst fiel mir auf, was ich nicht sah, nämlich: keine Wildgänse, keine Biber, keine Enten, keine Fischreiher, keine Schwäne, keinen Bussard, keine Rehe, keinen Fasan – ich sah überhaupt nicht ein Tier. Dafür war das Naturschutzgebiet fein in einer Rauchwolke eingehüllt. Ich lief durch beißenden Rauch und Gestank, der mir die Tränen in die Augen trieb. Da ich mich vor dem Lauf im Internet über dieses Ereignis informierte, bin ich glücklich zu wissen, daß dieser beißende Qualm nicht gesundheitsschädlich ist (Ironie).

Dieser Lauf geht als einer der schlimmsten in meine Statistik ein. Mit dem heutigen Tage wurde eine ganze Packung Sargnägel gegen die Natur verarbeitet. Das Naturschutzgebiet stirbt langsam, in meiner Erinnerung jedoch nicht. Wir Menschen sind krank, für mit Zahlen bedrucktes Papier vernichten wir Leben. Das macht mich wütend. Kranke Welt!

Jede Tageszeitung ist von der ersten Zeile bis zur letzten ein einziges Gewebe von Greueln, Kriegen, Verbrechen, Diebstählen, Unzucht, Folter, Verbrechen der Fürsten, Verbrechen der Nationen, Verbrechen der Privaten, ein allgemeiner Rausch von Gräßlichkeit. Und dieses ekelerregende Aperitif nimmt der zivilisierte Mensch täglich des Morgens zu seiner Mahlzeit ein.

Charles Baudelaire

12 Antworten zu “Die Natur stirbt”

  1. Seit ich von dieser Anlage weiß, hab ich solche Wut auf diese Ignoranten. Nicht zu fassen was hier getrieben wird. Und man ist machtlos. Geld regiert nun mal die Welt.

    Das erinnert mich gleich wieder an die Umfahrungsstraße, die man demnächst hier durch meine Felder und Wälder ziehen wird. Und auch hier sind die Anrainer machtlos. Freunde von mir mussten sogar ein Grundstück verkaufen.

    Es tut mir so leid für die Natur, die einfach so zerstört wird.

    *drücktdichganzfeste* Schade um dein Laufgebiet!!

  2. Tja, das geht vor die Hunde und kann man kann nichts machen. Ich würde noch Details hier reinsetzen, aber das geht nicht, eben weil die Meinung NICHT frei ist.

    Und Deine Umgehungsstraße wird auch kommen. Geld und Silber lieb ich sehr…*Sing*

  3. Deprimierend, deinen Bericht zu lesen –

    es macht uns sprachlos und wütend zugleich.

    Hat der Menschen seinen Verstand mit bekommen, um alles, was er auf die Beine gestellt hat wieder zu nichte zu machen ?

    Es sieht so aus.

    Baudelaire hat es in traurige Worte gefasst..

    Es macht wütend, wenn Menschen nur an Profit denken und dabei alles, was lebt, vergessen, das fängt schon im Kleinen an, wenn sie ihre Kippen auf dem Parkplatz entsorgen.

    Ich hoffe sehr, dass es für deine Natur nicht zu spät ist !

  4. blacksensei Says:

    Danke für Deine Worte, Margitta! Ich lese, wie immer in Deinen Texten, Optimismus heraus – das tut gut. Ich selber schätze das sehr düster ein. Der menschliche Verstand, sofern es ihn je gab, wurde mit Geldgier ausgetauscht.

  5. Ich kann Deine Wut verstehen, die ergreift mich auch oft, wenn ich sehe, zu was Menschen fähig sind, wie so nach und nach die Umwelt zerstört wird. Das ist unsere Lebensgrundlage!
    Da sieht man wieder, wer bzw. was hier regiert.
    😦

  6. blacksensei Says:

    Was. Genau, das trifft es perfekt. Gestern wurde sogar ein Journalist von der Polizei festgehalten, nur weil er Bilder machte. Echt paradox!

  7. […] Strafen usw. – zu Recht. Im Mai 2008 fand in dieser Industrieanlage ein Großbrand statt. Industriebrand Man beachte die Bilder. Ich bin damals durch den Rauch gelaufen, der mir die Tränen in die Augen […]

  8. sebastian Says:

    Ja ok, Geld regiert vielleicht die Welt aber man muss sich noch lange nicht alles gefallen lassen. Die Verantwortlichen für diesen Müll aufsuchen (falls nötig sorgfältig forschen vielleicht sogar über Wochen) und anschließend einfach … den Rest dürfte ich mir sicher sparen. Wer die Natur tötet und wer vor allem nur auf Geld aus ist und auf den Rest einen Dreck gibt der sollte langsam acht geben in Deutschland. Die Gedult vieler wutgeladener Köpfe ist definitiv am Ende.

  9. Willkommen hier, Sebastian!

    Du hast Recht, es gibt immer mehr Köpfe voller Wut. Aber die rennen hier gegen Mauern. Ich könnte es erklären, aber das sind Details, die ich nicht sagen darf. Die ersten Einwohner ziehen dort nun weg, weil sie es nicht mehr ertragen können. Die Polizei hat sich damals eingeschaltet, jedoch ist das Thema nun „verschollen“ – eine Strafe oder Auflage kam nicht für den Betreiber.

  10. […] Inferno – Part II Nach dem widerlichsten Lauf in meiner gesamten Laufzeit wünschte ich mir inständig, daß ich eine derartige Katastrophe […]

  11. […] Spezies Mensch. Am vorletzten Julitag sollte ein Ereignis seine Fortsetzung finden, das ich längst vorausgesagt hatte. Der zweite Großbrand in der Industrieanlage, welche auf einer fragwürdigen Legitimation […]

  12. […] nahezu traditionell alljährlich abbrennt und auch sonst permanent die Luft metallisch verschmutzt? Brandbeispiel 1. Brandbeispiel 2. Armes, armes Europa! Wie erbärmlich bist Du doch! Sollten sich die verlorenen […]

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